Susanne Quast für Gesundheit Braucht Politik
Der Krankenhausplan in NRW sollte zum 01.01.2025 in Kraft treten. Erstmalig wurden nicht die Bettenzahlen der Krankenhäuser als Planungsbasis genutzt, sondern das Ministerium für Arbeit, Gesundheit & Soziales (MAGS) hat »berechnet«, wie viele Patient*innenfälle in den einzelnen Leistungsgruppen (LG) künftig benötigt werden. Anhand dieser Zahlen wurden an die Krankenhäuser die Leistungsgruppen mit den entsprechenden Patient*innenfällen verteilt. Zusätzlich mussten für jede Leistungsgruppe Vorgaben in Personalstärke und Medizintechnik erfüllt werden, um die Leistungsgruppe überhaupt zugewiesen zu bekommen. Das hat dazu geführt, dass viele Krankenhäuser nicht mehr mit den bisherigen Leistungsgruppen und den bisherigen Fallzahlen planen konnten und somit die kostendeckende Finanzierung dieser Häuser auf den Prüfstand kam. Dies wiederum hat zu einem Krankenhausschließungsprozess geführt, der in unserem Bundesland zu Versorgungslücken führt und sich auch weiterhin verschärft.
Durch dieses Schreiben wurde zum ersten Mal sichtbar, dass massive Fehler in der Krankenhausplanung erkannt wurden.
Mit dem Schreiben vom 31.10.2024 teilte das MAGS in Nord-Rhein-Westfalen (NRW) mit, dass zum einen die Umsetzung des Krankenhausplanes NRW nicht wie vorgesehen zum 01.01.2025, sondern erst zum 01.04.2025 stattfinden wird, zum anderen eine, bis dahin kategorisch ausgeschlossene, Übergangsfrist von 12 Monaten nun doch für bestimmte Leistungsgruppen gültig wird.
Massive Fehler in der Krankenhausplanung
Durch dieses Schreiben wurde zum ersten Mal sichtbar, dass massive Fehler in der Krankenhausplanung erkannt wurden. Konkret sprechen wir von: Wenn die Kostendeckung nicht mehr gegeben ist, dann muss das Krankenhaus Versorgungsangebote/ Leistungsgruppenangebote inkl. Personal reduzieren. Die Erkenntnis, dass dadurch Versorgungslücken entstehen, weil andere Krankenhäuser diese Versorgung weder personell noch strukturell übernehmen können, unterstreicht die mangelhafte Planung. Versorgungslücken, Missachtung der Bevölkerungsstruktur, Verschlechterung der Versorgungsqualität durch lange Wege und Wartezeiten, Verschlechterung der Ausbildungsqualität im ärztlichen Dienst, massive Zunahme der Belastung des Personals im Krankenhaus. Auch mit der zweiten Korrektur wird klar, dass die dort hinterlegten hochspeziellen und hochaufwändigen Leistungsgruppen nicht einfach »über Nacht« verschwinden können, ohne dass es einerseits zu Versorgungsproblemen bei der Bevölkerung kommen würde, andererseits auch die betroffenen Krankenhäuser ohne eine Anpassungszeit keine Alternativen im Rahmen der Finanzierung sicherstellen können und somit im ungünstigsten Fall insolvent werden.
Ferner bekundete das MAGS Korrekturen zu diversen Leistungsgruppen-Aberkennungen, nachdem 327 Krankenhäuser (von insgesamt 333 Krankenhäusern in ganz NRW) Widerspruch eingelegt hatten. Bei diversen Aberkennungen von Leistungsgruppen über das MAGS, wurde nun eine Korrektur vorgenommen. Hierfür hat das MAGS drei unterschiedliche Begründungen angegeben:
- Ein Haus bekommt eine aberkannte Leistungsgruppe mit einer entsprechenden Fallzahl neu zugewiesen, dafür wird diese Fallzahl einem anderen Haus aberkannt.
- Die Zuweisung einer bereits aberkannten Leistungsgruppe über den prognostizierten Bedarf hinaus. Bis dato hatte das MAGS immer argumentiert, dass die künftigen Bedarfe sicher berechnet wurden und kein zusätzlicher Bedarf notwendig sei.
- Krankenhäuser erhalten aberkannte Leistungsgruppen zurück, um die Versorgung sicherzustellen: Das ist eine Bankrotterklärung für die bisherige Planung!
Wieder zeigt sich, dass die Abkehr von den festgelegten Bescheiden nach den Krankenhauskonferenzen notwendig war, um nicht zu viele Krankenhäuser gleichzeitig vom Netz zu nehmen und dadurch Versorgungslücken entstehen zu lassen. Andererseits haben insbesondere die maximalversorgenden Häuser offensichtlich zu viel Druck auf das Ministerium ausgeübt mit Blick auf Forschung, Lehre und Ausbildungskapazitäten für Medizinstudierende und Weiterbildungsassistent*innen.
Krankenhäuser erhalten aberkannte Leistungsgruppen zurück, um die Versorgung sicherzustellen: Das ist eine Bankrotterklärung für die bisherige Planung!
Probleme des Krankenhausplans
In der Gesamtschau wird die Krankenhausreform in NRW zu den bereits mehrfach kritisierten Problemen führen.
- Altersmedizin: In der Geriatrie (Leistungsgruppe 27.1) sieht der Krankenhausplan eine Standortreduzierung von 33 Krankenhäusern vor. Das entspricht einer Reduktion von 18% der aktuellen Versorgungskapazitäten. Die durch den demografischen Wandel bedingte Zunahme alter, multimorbider und chronisch erkrankter Patient*innen stellt die medizinische Versorgung im Krankenhaus der Zukunft vor erhebliche Herausforderungen. Diesen wird der Krankenhausplan weder in den Städten, noch in den ländlichen Gebieten gerecht.
Eine Krankenhausplanung, welche diese prognostischen Gesichtspunkte außer Acht lässt, läuft sehenden Auges in eine Versorgungslücke mit massiver Qualitätsverschlechterung von enormem Ausmaß. - Endoprothetik: Die Leistungsgruppen 14.1 bis 14.5 beinhalten die endoprothetischen Versorgungsblock. Unter der Prämisse der Qualitätsverbesserung wurden hier die Versorgungskapazitäten zwischen 36% bis 61% reduziert.
- Viszeralmedizin: Die Leistungsgruppen 16.2 bis 16.4 sind sehr große bauchchirurgische Eingriffe – immer mit einer intensivmedizinischen Nachbetreuung vergesellschaftet. Unter der bereits oben genannten Prämisse der Qualitätsverbesserung wurden hier die Versorgungskapazitäten zwischen 60 bis 68% reduziert.
- Gynäkologie: Tumorleiden der Eierstöcke werden in der Versorgungskapazität gar um 74% reduziert.
Das MAGS zentralisiert zahlreiche Leistungen mit der Begründung, sie seien im Wesentlichen planbar. Leider entspricht das nicht der Realität. In der Thoraxchirurgie ist ein erheblicher (mehr als 1⁄3) Anteil der Operationen durch Traumata (Verletzungen) verursacht, die einer sehr schnellen Versorgung bedürfen. Gleiches gilt für die Ruptur von Bauchaortenaneurysmen. Hier geht es um Minuten, wenn das Ereignis plötzlich auftritt.
Endoprothesen an Hüften sind in jedem 4. Fall verletzungsbedingt verursacht und müssen umgehend versorgt werden. Wenn aber nur noch sehr wenige Krankenhäuser diese Leistungsbereiche vorhalten, werden Wege- und Wartezeiten länger, was wiederum Leben gefährden kann. Dies trifft dann insbesondere Bürger*innen, welche nicht in einer Großstadt leben. Die Notfallversorgung muss für alle Bürger*innen dieses Landes sichergestellt werden. Wenn aber die Operateur*innen künftig Eingriffe wie Hüft‑, Knieprothesen, oder Wirbelsäuleneingriffe, nur im Notfall leisten dürfen und nicht geplant und unter Anleitung erlernen, dann kann dies nicht mit Qualitätsverbesserung einhergehen.
Konzentration / Zentralisierung
Die »komplexen Leistungen« (medizinisch anspruchsvolle, technisch aufwendige, handwerklich schwierige Leistungen) werden in den Städten der Rheinschiene und des Ruhrgebiets konzentriert. Man könnte auch polemisch attestieren: Frühchen vom Land: In Gottes Hand! Schlaganfall auf dem Land, schwerer Unfall auf dem Land, Herzinfarkt auf dem Land…
Denn sowohl die Rettungsstrukturen wie auch die verbleibenden zentralen Notaufnahmen sind für die jetzt festgelegte Konzentration der Versorgung auf wenige maximalversorgende Krankenhäuser nicht vorbereitet. Es fehlt an technischen und personellen Ressourcen. Es wird tatsächlich darauf hinauslaufen, dass die Postleitzahl entscheidet, ob ein*e Bürger*in dieses Bundeslandes eine gute, qualitativ hochwertige und schnelle Versorgung erhält.
Ambulantisierung
Ambulantisierung funktioniert nur, wenn es ambulante, bettenführende 24/7‑Einrichtungen gibt (Gesundheitszentren, Polikliniken). Leider ist auch bis heute (Stand Februar 2025) hier nicht wirklich etwas umgesetzt. Zwar spricht auch das MAGS immer wieder von dieser notwendigen Versorgungsstruktur, jedoch ist noch keines in einer sog. »24/7 Struktur« entstanden. Krankenhäuser gehen aber weiterhin in Insolvenzen oder schließen komplett.
Das Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen unterstreicht seine Forderungen zu der Krankenhausplanung in NRW.
Ein Krankenhausplan, der ökonomischen Prioritäten den Vortritt lässt, wird einer gleichwertigen, qualitativen hochwertigen Versorgung für alle Bürger*innen nicht gerecht werden können.
Susanne Quast ist Ärztin, Betriebsratsvorsitzende am Sana Klinikum in Düsseldorf und Sprecherin der Volksinitiative »Gesunde Krankenhäuser in NRW – für alle«
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