Vor­bild NRW? Wie hat sich der Kran­ken­haus­plan (bis­her) aus­ge­wirkt?

Foto von Bannern und gebastelten Krankenhäusern mit der Aufschrift "Deine Stadt – bald die nächste?"

Der Kran­ken­haus­plan in NRW soll­te zum 01.01.2025 in Kraft tre­ten. Erst­ma­lig wur­den nicht die Bet­ten­zah­len der Kran­ken­häu­ser als Pla­nungs­ba­sis genutzt, son­dern das Minis­te­ri­um für Arbeit, Gesund­heit & Sozia­les (MAGS) hat »berech­net«, wie vie­le Patient*innenfälle in den ein­zel­nen Leis­tungs­grup­pen (LG) künf­tig benö­tigt wer­den. Anhand die­ser Zah­len wur­den an die Kran­ken­häu­ser die Leis­tungs­grup­pen mit den ent­spre­chen­den Patient*innenfällen ver­teilt. Zusätz­lich muss­ten für jede Leis­tungs­grup­pe Vor­ga­ben in Per­so­nal­stär­ke und Medi­zin­tech­nik erfüllt wer­den, um die Leis­tungs­grup­pe über­haupt zuge­wie­sen zu bekom­men. Das hat dazu geführt, dass vie­le Kran­ken­häu­ser nicht mehr mit den bis­he­ri­gen Leis­tungs­grup­pen und den bis­he­ri­gen Fall­zah­len pla­nen konn­ten und somit die kos­ten­de­cken­de Finan­zie­rung die­ser Häu­ser auf den Prüf­stand kam. Dies wie­der­um hat zu einem Kran­ken­haus­schlie­ßungs­pro­zess geführt, der in unse­rem Bun­des­land zu Ver­sor­gungs­lü­cken führt und sich auch wei­ter­hin ver­schärft.

Durch die­ses Schrei­ben wur­de zum ers­ten Mal sicht­bar, dass mas­si­ve Feh­ler in der Kran­ken­haus­pla­nung erkannt wur­den.

Mit dem Schrei­ben vom 31.10.2024 teil­te das MAGS in Nord-Rhein-West­fa­len (NRW) mit, dass zum einen die Umset­zung des Kran­ken­haus­pla­nes NRW nicht wie vor­ge­se­hen zum 01.01.2025, son­dern erst zum 01.04.2025 statt­fin­den wird, zum ande­ren eine, bis dahin kate­go­risch aus­ge­schlos­se­ne, Über­gangs­frist von 12 Mona­ten nun doch für bestimm­te Leis­tungs­grup­pen gül­tig wird.

Mas­si­ve Feh­ler in der Kran­ken­haus­pla­nung

Durch die­ses Schrei­ben wur­de zum ers­ten Mal sicht­bar, dass mas­si­ve Feh­ler in der Kran­ken­haus­pla­nung erkannt wur­den. Kon­kret spre­chen wir von: Wenn die Kos­ten­de­ckung nicht mehr gege­ben ist, dann muss das Kran­ken­haus Versorgungsangebote/ Leis­tungs­grup­pen­an­ge­bo­te inkl. Per­so­nal redu­zie­ren. Die Erkennt­nis, dass dadurch Ver­sor­gungs­lü­cken ent­ste­hen, weil ande­re Kran­ken­häu­ser die­se Ver­sor­gung weder per­so­nell noch struk­tu­rell über­neh­men kön­nen, unter­streicht die man­gel­haf­te Pla­nung. Ver­sor­gungs­lü­cken, Miss­ach­tung der Bevöl­ke­rungs­struk­tur, Ver­schlech­te­rung der Ver­sor­gungs­qua­li­tät durch lan­ge Wege und War­te­zei­ten, Ver­schlech­te­rung der Aus­bil­dungs­qua­li­tät im ärzt­li­chen Dienst, mas­si­ve Zunah­me der Belas­tung des Per­so­nals im Kran­ken­haus. Auch mit der zwei­ten Kor­rek­tur wird klar, dass die dort hin­ter­leg­ten hoch­spe­zi­el­len und hoch­auf­wän­di­gen Leis­tungs­grup­pen nicht ein­fach »über Nacht« ver­schwin­den kön­nen, ohne dass es einer­seits zu Ver­sor­gungs­pro­ble­men bei der Bevöl­ke­rung kom­men wür­de, ande­rer­seits auch die betrof­fe­nen Kran­ken­häu­ser ohne eine Anpas­sungs­zeit kei­ne Alter­na­ti­ven im Rah­men der Finan­zie­rung sicher­stel­len kön­nen und somit im ungüns­tigs­ten Fall insol­vent wer­den.

Fer­ner bekun­de­te das MAGS Kor­rek­tu­ren zu diver­sen Leis­tungs­grup­pen-Aberken­nun­gen, nach­dem 327 Kran­ken­häu­ser (von ins­ge­samt 333 Kran­ken­häu­sern in ganz NRW) Wider­spruch ein­ge­legt hat­ten. Bei diver­sen Aberken­nun­gen von Leis­tungs­grup­pen über das MAGS, wur­de nun eine Kor­rek­tur vor­ge­nom­men. Hier­für hat das MAGS drei unter­schied­li­che Begrün­dun­gen ange­ge­ben:

  1. Ein Haus bekommt eine aberkann­te Leis­tungs­grup­pe mit einer ent­spre­chen­den Fall­zahl neu zuge­wie­sen, dafür wird die­se Fall­zahl einem ande­ren Haus aberkannt.
  2. Die Zuwei­sung einer bereits aberkann­ten Leis­tungs­grup­pe über den pro­gnos­ti­zier­ten Bedarf hin­aus. Bis dato hat­te das MAGS immer argu­men­tiert, dass die künf­ti­gen Bedar­fe sicher berech­net wur­den und kein zusätz­li­cher Bedarf not­wen­dig sei.
  3. Kran­ken­häu­ser erhal­ten aberkann­te Leis­tungs­grup­pen zurück, um die Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len: Das ist eine Bank­rott­erklä­rung für die bis­he­ri­ge Pla­nung!

Wie­der zeigt sich, dass die Abkehr von den fest­ge­leg­ten Beschei­den nach den Kran­ken­haus­kon­fe­ren­zen not­wen­dig war, um nicht zu vie­le Kran­ken­häu­ser gleich­zei­tig vom Netz zu neh­men und dadurch Ver­sor­gungs­lü­cken ent­ste­hen zu las­sen. Ande­rer­seits haben ins­be­son­de­re die maxi­mal­ver­sor­gen­den Häu­ser offen­sicht­lich zu viel Druck auf das Minis­te­ri­um aus­ge­übt mit Blick auf For­schung, Leh­re und Aus­bil­dungs­ka­pa­zi­tä­ten für Medi­zin­stu­die­ren­de und Weiterbildungsassistent*innen.

Kran­ken­häu­ser erhal­ten aberkann­te Leis­tungs­grup­pen zurück, um die Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len: Das ist eine Bank­rott­erklä­rung für die bis­he­ri­ge Pla­nung!

Pro­ble­me des Kran­ken­haus­plans

In der Gesamt­schau wird die Kran­ken­haus­re­form in NRW zu den bereits mehr­fach kri­ti­sier­ten Pro­ble­men füh­ren.

  1. Alters­me­di­zin: In der Ger­ia­trie (Leis­tungs­grup­pe 27.1) sieht der Kran­ken­haus­plan eine Stand­ort­re­du­zie­rung von 33 Kran­ken­häu­sern vor. Das ent­spricht einer Reduk­ti­on von 18% der aktu­el­len Ver­sor­gungs­ka­pa­zi­tä­ten. Die durch den demo­gra­fi­schen Wan­del beding­te Zunah­me alter, mul­ti­mor­bi­der und chro­nisch erkrank­ter Patient*innen stellt die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung im Kran­ken­haus der Zukunft vor erheb­li­che Her­aus­for­de­run­gen. Die­sen wird der Kran­ken­haus­plan weder in den Städ­ten, noch in den länd­li­chen Gebie­ten gerecht.
    Eine Kran­ken­haus­pla­nung, wel­che die­se pro­gnos­ti­schen Gesichts­punk­te außer Acht lässt, läuft sehen­den Auges in eine Ver­sor­gungs­lü­cke mit mas­si­ver Qua­li­täts­ver­schlech­te­rung von enor­mem Aus­maß.
  2. Endo­pro­the­tik: Die Leis­tungs­grup­pen 14.1 bis 14.5 beinhal­ten die endo­pro­the­ti­schen Ver­sor­gungs­block. Unter der Prä­mis­se der Qua­li­täts­ver­bes­se­rung wur­den hier die Ver­sor­gungs­ka­pa­zi­tä­ten zwi­schen 36% bis 61% redu­ziert.
  3. Vis­ze­ral­me­di­zin: Die Leis­tungs­grup­pen 16.2 bis 16.4 sind sehr gro­ße bauch­chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe – immer mit einer inten­siv­me­di­zi­ni­schen Nach­be­treu­ung ver­ge­sell­schaf­tet. Unter der bereits oben genann­ten Prä­mis­se der Qua­li­täts­ver­bes­se­rung wur­den hier die Ver­sor­gungs­ka­pa­zi­tä­ten zwi­schen 60 bis 68% redu­ziert.
  4. Gynä­ko­lo­gie: Tumor­lei­den der Eier­stö­cke wer­den in der Ver­sor­gungs­ka­pa­zi­tät gar um 74% redu­ziert.

Das MAGS zen­tra­li­siert zahl­rei­che Leis­tun­gen mit der Begrün­dung, sie sei­en im Wesent­li­chen plan­bar. Lei­der ent­spricht das nicht der Rea­li­tät. In der Tho­ra­x­chir­ur­gie ist ein erheb­li­cher (mehr als 13) Anteil der Ope­ra­tio­nen durch Trau­ma­ta (Ver­let­zun­gen) ver­ur­sacht, die einer sehr schnel­len Ver­sor­gung bedür­fen. Glei­ches gilt für die Rup­tur von Bau­cha­or­ten­an­eu­rys­men. Hier geht es um Minu­ten, wenn das Ereig­nis plötz­lich auf­tritt.

Endo­pro­the­sen an Hüf­ten sind in jedem 4. Fall ver­let­zungs­be­dingt ver­ur­sacht und müs­sen umge­hend ver­sorgt wer­den. Wenn aber nur noch sehr weni­ge Kran­ken­häu­ser die­se Leis­tungs­be­rei­che vor­hal­ten, wer­den Wege- und War­te­zei­ten län­ger, was wie­der­um Leben gefähr­den kann. Dies trifft dann ins­be­son­de­re Bürger*innen, wel­che nicht in einer Groß­stadt leben. Die Not­fall­ver­sor­gung muss für alle Bürger*innen die­ses Lan­des sicher­ge­stellt wer­den. Wenn aber die Operateur*innen künf­tig Ein­grif­fe wie Hüft‑, Knie­pro­the­sen, oder Wir­bel­säu­len­ein­grif­fe, nur im Not­fall leis­ten dür­fen und nicht geplant und unter Anlei­tung erler­nen, dann kann dies nicht mit Qua­li­täts­ver­bes­se­rung ein­her­ge­hen.

Kon­zen­tra­ti­on / Zen­tra­li­sie­rung

Die »kom­ple­xen Leis­tun­gen« (medi­zi­nisch anspruchs­vol­le, tech­nisch auf­wen­di­ge, hand­werk­lich schwie­ri­ge Leis­tun­gen) wer­den in den Städ­ten der Rhein­schie­ne und des Ruhr­ge­biets kon­zen­triert. Man könn­te auch pole­misch attes­tie­ren: Früh­chen vom Land: In Got­tes Hand! Schlag­an­fall auf dem Land, schwe­rer Unfall auf dem Land, Herz­in­farkt auf dem Land…

Denn sowohl die Ret­tungs­struk­tu­ren wie auch die ver­blei­ben­den zen­tra­len Not­auf­nah­men sind für die jetzt fest­ge­leg­te Kon­zen­tra­ti­on der Ver­sor­gung auf weni­ge maxi­mal­ver­sor­gen­de Kran­ken­häu­ser nicht vor­be­rei­tet. Es fehlt an tech­ni­schen und per­so­nel­len Res­sour­cen. Es wird tat­säch­lich dar­auf hin­aus­lau­fen, dass die Post­leit­zahl ent­schei­det, ob ein*e Bürger*in die­ses Bun­des­lan­des eine gute, qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge und schnel­le Ver­sor­gung erhält.

Ambu­lan­ti­sie­rung

Ambu­lan­ti­sie­rung funk­tio­niert nur, wenn es ambu­lan­te, bet­ten­füh­ren­de 24/7‑Einrichtungen gibt (Gesund­heits­zen­tren, Poli­kli­ni­ken). Lei­der ist auch bis heu­te (Stand Febru­ar 2025) hier nicht wirk­lich etwas umge­setzt. Zwar spricht auch das MAGS immer wie­der von die­ser not­wen­di­gen Ver­sor­gungs­struk­tur, jedoch ist noch kei­nes in einer sog. »24/7 Struk­tur« ent­stan­den. Kran­ken­häu­ser gehen aber wei­ter­hin in Insol­ven­zen oder schlie­ßen kom­plett.

Das Bünd­nis für ein gemein­wohl­ori­en­tier­tes Gesund­heits­we­sen unter­streicht sei­ne For­de­run­gen zu der Kran­ken­haus­pla­nung in NRW.

Ein Kran­ken­haus­plan, der öko­no­mi­schen Prio­ri­tä­ten den Vor­tritt lässt, wird einer gleich­wer­ti­gen, qua­li­ta­ti­ven hoch­wer­ti­gen Ver­sor­gung für alle Bürger*innen nicht gerecht wer­den kön­nen.



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