Pres­se­mit­tei­lung vom 08.12.2023 Wei­ter­bil­dung

Demo­kra­ti­sche Ärzt*innen for­dern attrak­ti­ve Wei­ter­bil­dungs- und Arbeits­be­din­gun­gen in der haus­ärzt­li­chen Ver­sor­gung – statt mehr Geld

Der vdää* unter­stützt den Ver­such des GKV-Spit­zen­ver­bands (1), mit­tels des kürz­lich vor­ge­stell­ten IGES-Gut­ach­tens (2), lang­fris­tig aus­ge­rich­te­te gesund­heits­po­li­ti­sche Steue­rungs­in­stru­men­te zur För­de­rung der Wei­ter­bil­dung All­ge­mein­me­di­zin zu ent­wi­ckeln. Die inter­es­sens­ge­lei­te­te Kri­tik von Ärz­te­kam­mern, Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen und Hart­mann­bund (3) zeigt, dass die­se nicht gewillt sind, bei Lösungs­an­sät­zen gesamt­ge­sell­schaft­li­che Inter­es­sen über ihre Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen zu stel­len.

Das IGES-Gut­ach­ten zeigt ein­drück­lich, dass der Anteil der All­ge­mein­me­di­zin an den Fach­arzt­ab­schlüs­sen trotz För­der­pro­gram­men rück­läu­fig ist. In Anbe­tracht der Alters­struk­tur der aktu­ell haus­ärzt­lich Täti­gen, ist in den kom­men­den Jah­ren mit zuneh­men-den regio­na­len Ver­sor­gun­g­eng­päs­sen zu rech­nen. Aus dem Gut­ach­ten zieht der GKV-Spit­zen­ver­band die Erkennt­nis: „Län­der mit star­ken, lang­fris­tig aus­ge­rich­te­ten gesund­heits­po­li­ti­schen Steue­rungs­in­stru­men­ten sind erfolg­rei­cher bei der Auf­ga­be, die für die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung erfor­der­li­che Zahl von All­ge­mein­ärz­tin­nen und ‑ärz­ten wei­ter­zu­bil­den.“ Obgleich die­se Erkennt­nis fast schon tri­vi­al anmu­tet, ruft sie bei ärzt­li­chen Standesvertreter*innen nun Unter­gangs­ängs­te her­vor.

Die genann­ten Kri­ti­ken zie­len unter ande­rem dar­auf ab, eine ver­meint­li­che „Frei­heit des ärzt­li­chen Berufs“ zu ver­tei­di­gen. Die Stel­lung­nah­me des Hart­mann­bunds ver­deut­licht, dass hier­mit aus­schließ­lich die Frei­heit gemeint ist, als Pri­vat­un­ter­neh­mer mög­lichst hohe wirt­schaft­li­che Gewin­ne aus dem Pra­xis­be­trieb zu gene­rie­ren. Dass eine Erhö­hung des Ein­kom­mens von Hausärzt*innen, die selbst­ver­ständ­lich aus Bei­trä­gen der Kran­ken­ver­si­cher­ten zu finan­zie­ren wäre, die Eng­päs­se in der Pri­mär­ver­sor­gung rele­vant abfe­dern könn­te, erscheint in Anbe­tracht der im Durch­schnitt ohne­hin üppi­gen durch­schnitt­li­chen Ein­künf­te nie­der­ge­las­se­ner Ärzt*innen von über 100.000 € Jah­res­net­to (4) mehr als zwei­fel­haft. Dazu Dr. Paul Bret­tel, Mit­glied im Vor­stand des vdää* und Arzt in Wei­ter­bil­dung für All­ge­mein­me­di­zin: „Viel sinn­vol­ler als pau­schal mehr Geld zu for­dern, wäre eine Anglei­chung ärzt­li­cher Ein­künf­te, unab­hän­gig von Fach­arzt­rich­tung und Sek­to­ren­zu­ord­nung.“

Die Bun­des­ärz­te­kam­mer warnt in ihrer Stel­lung­nah­me vor einer „Len­kung der Wei­ter­bil­dung durch Staat und Kos­ten­trä­ger“. Dem­ge­gen­über erklärt Bret­tel wei­ter: „Abge­se­hen davon, dass die Schluss­fol­ge­run­gen des Gut­ach­tens die­se Len­kung nicht beinhal­ten, sehen wir es selbst­ver­ständ­lich auch als Auf­ga­be des Staa­tes und der Kos­ten­trä­ger an, für eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge und flä­chen­de­cken­de medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ein-zutre­ten. Dies gilt ins­be­son­de­re in Anbe­tracht des Ver­sa­gens der ärzt­li­chen Selbst­ver­wal­tung bei ihrem Auf­trag zur Sicher­stel­lung der ambu­lan­ten Ver­sor­gung.“

Statt immer­zu mehr Geld und höhe­re För­der­bei­trä­ge zu for­dern, soll­ten die Wei­ter­bil­dungs- und Arbeits­be­din­gun­gen in der haus­ärzt­li­chen Ver­sor­gung ver­bes­sert wer­den. Ein zen­tra­ler Bau­stein, um die all­ge­mein­me­di­zi­ni­sche Tätig­keit attrak­ti­ver zu gestal­ten, wäre die Umstel­lung hin zu einem mul­ti­pro­fes­sio­nel­len Pri­mär­ver­sor­gungs­sys­tem. Dar-über hin­aus for­dert Bret­tel: „Als ange­hen­der Haus­arzt wür­de ich mir wün­schen, haus­ärzt­li­che Ver­sor­gung in Anstel­lung in einer Ein­rich­tung in gemein­nüt­zi­ger oder öffent­li­cher Trä­ger­schaft zu leis­ten – ohne pri­va­te Gewinn­in­ter­es­sen“. Zudem soll­ten Fach­kräf­te im Gesund­heits­we­sen ihre Zeit und Ner­ven nicht mit der Opti­mie­rung ihrer unter­neh­me­ri­schen Tätig­keit ver­schwen­den müs­sen. Statt der Finan­zie­rung der ambu­lan­ten Medi­zin über Hono­ra­re for­dern wir für alle Fachärzt*innen im ambu­lan­ten Bereich Gehäl­ter, die sich an den Fach­arzt­ge­häl­tern in den Tarif­ver­trä­gen der öffent­li­chen Kran­ken­häu­ser (5) ori­en­tie­ren. Dies wür­de neben einer gerin­ge­ren Attrak­ti­vi­tät man­cher beson­ders pro­fi­ta­bler spe­zi­al­fach­ärzt­li­cher Tätig­kei­ten – und somit einer rela­ti­ven Auf­wer­tung der All­ge­mein­me­di­zin – auch einen Bei­trag zur Reduk­ti­on des Defi­zits der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen leis­ten.

Dr. Nad­ja Rako­witz (Pres­se­spre­che­rin)



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