Däne­mark: Gesund­heits­we­sen (C.Plickert)

1973 wur­de die staat­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung (Syges­ik­ring) für alle in Däne­mark ansäs­si­gen Men­schen ein­ge­führt. Die bis dahin bestehen­den Kran­ken­kas­sen wur­den in das neue staat­li­che Sys­tem über­führt, wel­ches von den dama­li­gen 16 Ämtern ver­wal­tet wur­de. Jetzt sind die fünf Regio­nen ver­ant­wort­lich. Die Ver­staat­li­chung war Teil des Aus­baus der öffent­li­chen Wohl­fahrt, der von der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Min­der­heits­re­gie­rung unter Anker Jør­gen­sen umge­setzt wur­de. Frü­he Vor­läu­fer staat­li­cher Gesund­heits­ver­sor­gung fin­den sich aber schon im 18. Jahr­hun­dert mit staat­li­chen Kran­ken­häu­sern, Distrik­tärz­ten und Heb­am­men.

Die Haus­arzt­ver­sor­gung kom­plett

Die prak­ti­zie­ren­den Ärz­te (Anm. 1) (Haus­ärz­te) sind gate-kee­per für die gesam­te ambu­lan­te und sta­tio­nä­re Gesund­heits­ver­sor­gung: Man wählt beim Aus­stel­len der Sozi­al­ver­si­che­rungs­kar­te, die jeder von sei­ner Wohn­sitz­kom­mu­ne erhält, eine Arzt­pra­xis aus, die auch auf der Kar­te ver­merkt ist und nur gegen Gebühr gewech­selt wer­den darf. Der Haus­arzt (Fach­arzt für All­ge­mein­me­di­zin) über­weist sel­te­ner als in Deutsch­land zu Fach­ärz­ten, die ent­we­der in eige­ner Pra­xis oder im Kran­ken­haus ambu­lant tätig sind. Die gynä­ko­lo­gi­sche und päd­ia­tri­sche Grund­ver­sor­gung wird von den Haus­ärz­ten selbst wahr­ge­nom­men.

Haus­ärz­te erhal­ten ihr Hono­rar zu 75 Pro­zent leis­tungs­be­zo­gen gemäß dem Tarif­ver­trag zwi­schen der zustän­di­gen Ärz­te­or­ga­ni­sa­ti­on und der Regi­ons­ver­wal­tung. Zu 25 Pro­zent wer­den sie für die Anzahl der ein­ge­schrie­be­nen Bür­ger hono­riert.

Nur zwei Pro­zent der Dänen nut­zen bis­her die Mög­lich­keit der Grup­pe Zwei der staat­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung mit frei­er Arzt­wahl und Kos­ten­er­stat­tung. Die­se Vari­an­te ist an ein Min­dest­ein­kom­men gebun­den. Kos­ten wer­den nur gemäß Tarif­ver­trag erstat­tet, so dass ein Teil selbst zu tra­gen bleibt. Zahn­arzt­be­hand­lung und Bril­len­ver­sor­gung sind in bei­den Vari­an­ten der staat­li­chen Ver­si­che­rung nicht ent­hal­ten. Für Medi­ka­men­te, Hilfs­mit­tel und Phy­sio­the­ra­pie gel­ten Zuzah­lungs­re­ge­lun­gen. De fac­to müs­sen ca. 20 Pro­zent der Gesund­heits­kos­ten aus eige­ner Tasche bezahlt wer­den.

Das Ver­ord­nungs­ver­hal­ten der Haus­ärz­te wird von Amts­ärz­ten über­wacht und gele­gent­lich durch Gesprä­che kor­ri­giert. Die Haus­ärz­te sind auch als Gut­ach­ter für die Kom­mu­nen tätig, wenn ihre Pati­en­ten dort Sozi­al­leis­tun­gen (Kran­ken­geld, Früh­ren­te etc.) bean­tra­gen.

Die öffent­li­chen Kran­ken­häu­ser

In däni­schen Kran­ken­häu­sern wird seit 2004 ein däni­sches DRG-Sys­tem mit 565 Krank­heits­grup­pen ange­wandt. Damit wer­den gut 20 Pro­zent der Mit­tel leis­tungs­be­zo­gen zuge­wie­sen. Die übri­ge Zutei­lung von staat­li­chen und kom­mu­na­len Gel­dern wird „nach Kas­sen­la­ge“ durch poli­ti­sche Beschlüs­se fest­ge­legt. Die fünf Regio­nen sind für den Bau und die Ver­wal­tung der öffent­li­chen Kran­ken­häu­ser zustän­dig.

Der­zeit voll­zieht sich star­ker Kon­zen­tra­ti­ons­pro­zess, in dem die Regio­nen klei­ne Kran­ken­häu­ser zu Ver­bün­den zusam­men­schlie­ßen. Das führt dazu, dass beson­ders auf Jyt­land und den mit­tel­gro­ßen Inseln Pati­en­tIn­nen teil­wei­se Wege über 100 km auf sich neh­men müs­sen, um eine bestimm­te Fach­ab­tei­lung zu errei­chen. Die Not­fall­ver­sor­gung wird – auch wegen der vie­len klei­nen Inseln – mit Hub­schrau­bern gesi­chert.

Über die Aus­dün­nung der Kran­ken­haus­ver­sor­gung war vor einem Jahr in Deutsch­land in den Zei­tun­gen zu lesen nach dem tra­gi­schen Todes­fall auf dem Park­platz vor einem „Regi­ons­hos­pi­tal“ in West­jyt­land, das nur für die sta­tio­nä­re Wei­ter­be­hand­lung, nicht aber für die Not­fall­ver­sor­gung aus­ge­rüs­tet war. Der deut­sche Urlau­ber hät­te von sei­nem Feri­en­haus aus den Ret­tungs­hub­schrau­ber im 200 km ent­fern­ten Aal­borg anfor­dern sol­len.

Pro­ble­me mit lan­gen War­te­zei­ten

Haupt­pro­blem der Kran­ken­häu­ser ist der Man­gel an qua­li­fi­zier­tem ärzt­li­chem und pfle­gen­dem Per­so­nal. Ursa­che ist eine zu gerin­ge Aus­bil­dung von Fach­kräf­ten und natür­lich eine nicht aus­rei­chend attrak­ti­ve Gehalts­ent­wick­lung. Däne­mark tut sich außer­dem schwer damit, die­ses Defi­zit durch die Anwer­bung von aus­län­di­schen Fach­kräf­ten zu behe­ben (Anm. 2). Damit ent­ste­hen Eng­päs­se in der Ver­sor­gung, die sich in lan­gen War­te­zei­ten auf Ope­ra­tio­nen und ande­re Behand­lun­gen äußern.

Die War­te­zeit­ga­ran­tie för­dert pri­va­te Gesund­heits­an­bie­ter

Die Regie­rung hat 2006 ein­ge­grif­fen und für bestimm­te Krank­hei­ten (Krebs und ischä­mi­sche Herz­krank­heit) maxi­ma­le War­te­zei­ten für den Beginn der defi­ni­ti­ven Behand­lung fest­ge­legt. Sie sind mitt­ler­wei­le auf vier Wochen ver­kürzt wor­den. Die Regi­on ist ver­ant­wort­lich, ein geeig­ne­tes Kran­ken­haus zu fin­den. Nach vier Wochen muss sie sonst die Kos­ten für ein Pri­vat­kran­ken­haus oder eine Behand­lung im Aus­land (Anm.3) über­neh­men. Die­se Garan­tie hat zu einer deut­li­chen Zunah­me der Akti­vi­tät von pri­va­ten Kran­ken­häu­sern geführt, die sich bis dahin auf Schön­heits­chir­ur­gie und die Behand­lung von gut zah­len­den Aus­län­dern beschrän­ken muss­ten. Gleich­zei­tig muss die Regi­on die dort­hin abflie­ßen­den Mit­tel bei den öffent­li­chen Kran­ken­häu­sern wie­der ein­spa­ren, so dass deren Behand­lungs­qua­li­tät nur schlech­ter wer­den kann. In wel­chem Umfang die Umsteue­rung von öffent­lich auf pri­vat bereits Erfolg gehabt hat, lässt sich noch nicht kon­kret ange­ben, zumal die Garan­tie im Novem­ber 2008 aus­ge­setzt wur­de, um den Kran­ken­häu­sern eine Chan­ce zu geben, den nach wochen­lan­gem Streik des Pfle­ge­per­so­nals im Som­mer 2008 ent­stan­de­nen Stau abzu­bau­en.

Welt­bes­tes Beschwer­de­sys­tem für Pati­en­ten

Ent­ge­gen der durch Ratio­nie­rung und War­te­zeit begrenz­ten Qua­li­tät der Behand­lung kön­nen Pati­en­ten in Däne­mark auf ein aus­ge­feil­tes Beschwer­de­sys­tem mit einer natio­na­len Beschwer­de­be­hör­de an der Spit­ze und Ver­tre­tun­gen in allen Regio­nen und in den meis­ten Kran­ken­häu­sern zurück­grei­fen. Von der Mög­lich­keit wird häu­fig Gebrauch gemacht, und mit der War­te­zeit­ga­ran­tie ist die Kla­ge­lust der Dänen noch gestie­gen (17 Pro­zent mehr Kla­gen in 2007 als 2006). In 2007 wur­den 3.460 Kla­gen über Ärz­te abschlie­ßend behan­delt. In 14 Pro­zent der Fäl­le wur­den Pflicht­ver­let­zun­gen fest­ge­stellt und in 1,7 Pro­zent der Fäl­le wur­den Sank­tio­nen ver­hängt.

Arbeits­be­din­gun­gen und jyt­län­di­sche Kaf­fee­ta­feln

Selbst wenn ich mich nur bedingt zur Arbeits­si­tua­ti­on von Ärz­ten im Kran­ken­haus äußern kann, weil ich selbst bis­her nur außer­halb tätig war, so habe ich doch erfah­ren, dass die 37-Stun­den­wo­che hei­lig ist und in der Regel nur weni­ge Über­stun­den geleis­tet wer­den. Selbst Chef- und Ober­ärz­te sol­len sich an die 37-Stun­den­wo­che hal­ten. Die Hier­ar­chien sind flach und die Kom­mu­ni­ka­ti­on ist direkt (abge­se­hen von der Köni­gin reden sich alle mit „du“ an). Fort- und Wei­ter­bil­dung sind groß geschrie­ben. Wei­ter­bil­dungs­stel­len müs­sen bereits am Anfang einen Plan vor­le­gen, wie der ein­zel­ne Assis­tent sein Wei­ter­bil­dungs­ziel erreicht. Und der Aus­tausch im Team wird gepflegt bei zahl­rei­chen Run­den mit Kaf­fee und Kuchen, die fes­ter Bestand­teil der Arbeits­kul­tur in Däne­mark sind.

Im deutsch-däni­schen Grenz­ge­biet, wo man­che bei­de Gesund­heits­sys­te­me im All­tag ver­glei­chen kön­nen, heißt es: „Als Arzt hat man es bes­ser in Däne­mark aber als Pati­ent in Deutsch­land.“

Cle­mens Pli­ckert

Anmer­kun­gen

1 Da es im Däni­schen kei­ne weib­li­chen Berufs­be­zeich­nun­gen gibt, benut­ze ich sie in die­sem Sin­ne und mei­ne dabei immer weib­li­che und männ­li­che Ärz­te.

2 Aus­nah­men gibt es in Süd­jyt­land und Mit­tel­jyt­land mit Koope­ra­ti­ons­ab­kom­men mit der schles­wig-hol­stei­ni­schen und der öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer oder eine spek­ta­ku­lä­re Anwer­be­ak­ti­on indi­scher Fach­ärz­te 2007. Ansons­ten ste­hen Schwie­rig­kei­ten mit der däni­schen Spra­che und gene­rel­le Vor­be­hal­te gegen­über Frem­den einer Anwer­bung ent­ge­gen.

3 Es gibt Ver­trä­ge einer Regi­on mit Kran­ken­häu­sern in Nord­deutsch­land.



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