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Bündnis Krankenhaus statt Fabrik zum zu Referentenentwurf KHVVG

Bedarfsgerechte Finanzierung und Krankenhausplanung statt Etikettenschwindel und Abrissbirne

Kliniksterben stoppen

Der „kalte Strukturwandel“ der Kliniklandschaft bedroht tatsächlich die stationäre Versorgung in Deutschland. In den letzten 12 Monaten sind so viele Krankenhäuser in die Insolvenz abgerutscht, wie nie zuvor. Noch nie sind so viele Kliniken in ihrer Existenz bedroht gewesen. Die erste Phase der Krankenhausreform gehört der Abrissbirne.

Immer mehr Krankenhäuser werden wegen ihrer aussichtslosen wirtschaftlichen Lage geschlossen, gleichgültig, ob sie für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind oder nicht. Es ist ein politischer Skandal, wie die Verantwortlichen tatenlos zuschauen, die Krise leugnen oder sogar willkommen heißen! Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband sagt: „Jeder Monat, in dem nicht fünf bis zehn Krankenhäuser vom Netz gehen, ist ein verlorener Monat.“

Wir dagegen fordern: Bis zur Feststellung des echten Bedarfs müssen Soforthilfen das Überleben aller bestehenden Krankenhäuser sicherstellen, bis die Krankenhausreform in Zukunft unter der Maßgabe einer tatsächlichen Entökonomisierung und Überwindung des Fallpauschalensystems ihre Wirkung entfalten kann!

Welches Krankenhaus in Zukunft bedarfsnotwendig ist, muss im Rahmen der Krankenhausplanung der Länder entschieden werden und nicht durch Geldentzug.

Wir fordern: Die stationäre Gesundheitsversorgung als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge muss als solcher ausfinanziert und seitens der Bundesländer geplant und umgesetzt werden. Die Krankenhausreform muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eine flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige Versorgung der Bürger*innen sichergestellt ist.

Vorhaltefinanzierung: Etikettenschwindel statt Entökonomisierung

Der Referentenentwurf des KHVVG löst die Versprechen des Bundesgesundheitsministers einer „grundlegenden Entökonomisierung der Krankenhausversorgung“ und der „Überwindung des Fallpauschalensystems“ nicht ein.

Denn auch die angekündigte neue Vorhaltefinanzierung wird bei genauem Hinsehen wieder mit dem Fallpauschalensystem gekoppelt. Das geplante Vorhaltebudget eines Krankenhauses errechnet sich aus Anzahl und Schwere der Behandlungsfälle und nicht aus den zur Bedarfsdeckung notwendigen Vorhaltekosten. Damit schreibt das BMG dieselben Fehlanreize zu immer mehr Behandlungen auch in die Zukunft fort, die am Fallpauschalensystem vielfach kritisiert wurden. Außerdem bleibt der Anreiz, immer mehr Fälle zu behandeln auch dadurch bestehen, dass der reine DRG-Anteil der Vergütung weiterhin bei 40% der Einnahmen eines Krankenhauses liegt. Der finanzielle Druck auf die Krankenhäuser wird sich auch deswegen nicht ändern, weil die Gesamtsumme der Finanzmittel (bis auf Förderbeträge für wenige einzelne Bereiche) gleichbleibt. Die Vorhaltevergütung wird also nur zu einer Umverteilung der Mittel führen. Umverteilung bedeutet dabei, dass insbesondere kleine Krankenhäuser mit weniger Behandlungsfällen noch weniger Geld erhalten werden als bisher. Damit ist auch diese Umverteilung ein Instrument zur finanziellen (und nicht bedarfsgerechten) Strukturbereinigung. Es wird die kleinen Häuser nicht vor finanziellen Problemen schützen.

Die Krankenhausreform ergreift also nicht die historische Chance die Schäden von Ökonomisierung, Kommerzialisierung und Privatisierung durch das DRG-Fallpauschalensystem zu reparieren. Sie ist ein Etikettenschwindel.

Wir dagegen fordern: Vollständige Abschaffung der DRGs, volle Finanzierung aller bedarfsnotwendigen Kosten und Gewinnverbot. Wenn man wirklich eine Finanzierung von Vorhaltekosten will, wäre es das mindeste – genau wie jetzt schon bei der Pflege – alle Personalkosten aus den DRG herauszunehmen und vollständig zu refinanzieren.

Mit den neuen Leistungsgruppen sachgerecht planen

Die Einführung von Leistungsgruppen ist grundsätzlich geeignet, die Krankenhausplanung bedarfsgerecht auszugestalten. Die Länder müssen dabei die bedarfsnotwendigen Kliniken und Fachabteilungen festlegen. Bundeseinheitliche Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen geben die jeweils notwendige Geräte- und Personalausstattung vor. Auch die notwendigen Vorhaltungen für den Katastrophenfall müssen durch die Vorgaben abgedeckt sein.

Allerdings haben sowohl die Leistungsgruppen als auch die Festlegung von Qualitätskriterien, wie sie jetzt vom BMG geplant sind, ein hohes Missbrauchspotential. Das Gleiche gilt für die neu in den Gesetzentwurf aufgenommenen Mindestzahlen, die für jede Leistungsgruppe festgelegt werden sollen. Werden sie zu rigide ausgelegt, droht vielen Krankenhäusern das Aus, und die flächendeckende Versorgung bleibt auf der Strecke. Dies lässt sich, so unsere Sicht, am ehesten vermeiden, wenn die Bedarfsplanung auf der Basis wissenschaftlicher Daten der Versorgungsforschung konkret auf regionaler Ebene und demokratisch (unter Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen) erfolgt.

Stattdessen droht eine Bürokratieorgie: Die Definition der Leistungsgruppen wird mit dem Anspruch überlastet, eine bürokratisch-kleinteilige, gerichtsfeste Abrechnungssystematik analog zum Fallpauschalensystem zu entwickeln.

Hinzukommt, dass im Referentenentwurf die Zuweisung von Leistungsgruppen jeweils an die Erbringung von Mindestfallzahlen gekoppelt sein soll. Die bisherigen Mindestmengen für einzelne Behandlungen und Eingriffe wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nur festgelegt, wenn es wissenschaftliche Belege dafür gab, dass eine höhere Zahl von Eingriffen zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Damit wird jetzt gebrochen und pauschal pro Leistungsgruppe eine Mindestfallzahl festgelegt. Die Festlegung in Form von Perzentilen erzeugt sogar einen Automatismus, jedes Jahr weitere Krankenhäuser mit vergleichsweise geringen Fallzahlen von der Versorgung ihnen eigentlich zugewiesener Leistungsgruppen auszuschließen. So hat das rein gar nichts mehr mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun, sondern ist ein Willkürakt, um immer weitere Krankenhäuser von der Versorgung auszuschließen. Damit ist es ein massiver Eingriff in die Planungshoheit der Länder.

Wir fordern: Einsatz der Leistungsgruppen nur zur bedarfsgerechten regionalen und demokratischen Planung, nicht als Selektionsinstrument zur Marktbereinigung.

Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen gemeinwohlorientiert gestalten

Seit Jahrzehnten ist die Aufhebung der Trennung der ambulanten und stationären Versorgung überfällig. Viele Beteiligte setzen deshalb große Hoffnungen in ein Konzept sektorenübergreifender ambulant-stationärer Einrichtungen, die flexibel dem lokalen und regionalen Bedarf folgen und zugleich pflegerische und medizinische Versorgung anbieten sollten. Die vorgesehenen Regelungen für „sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen“ werden aber diesem Anspruch nicht gerecht. Sie sind der Versuch, möglichst viele kleine Krankenhäuser vom Netz zu nehmen und eine Erweiterung der Betätigungsbereiche für Niedergelassene durchzusetzen. Sie sind eine Mischung aus (Kurzzeit-) Pflegeheim und Kleinstkrankenhaus, aber keine Gewährleistung einer bedarfsgerechten wohnortnahen ambulant/stationären Versorgung. Notwendig wäre hierfür die vollständige Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Behandlung und die Einrichtung von ambulanten Versorgungszentren der Krankenhäuser zur Sicherstellung der wohnortnahen, flächendeckenden (Notfall-) Versorgung. Sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen können, wenn sie organisatorisch eng mit Krankenhäusern weiterer Versorgungslevel verschränkt werden, hierzu einen Beitrag leisten.

Eine Schwächung der flächendeckenden Notfallversorgung aufgrund der eventuell drohenden Nichtteilnahme der sektorübergreifenden Versorger am Notfallversorgungskonzept ist nicht zu vertreten.

Um die notwendige Gemeinwohlorientierung von sektorenübergreifenden Einrichtungen und ihren Bezug auf den lokalen und regionalen Versorgungsbedarf sicher zu stellen, müssen Kommunen und Gemeinden bei der Ausgestaltung der jeweiligen Einrichtung mitentscheiden. Andernfalls droht die Gefahr, dass das Angebot der sektorenübergreifenden Einrichtung primär den Gewinninteressen von Investoren folgt.

Die Finanzierung von notwendigen Investitionen ist eine originäre Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge

Die Verbesserung der Versorgung und die dafür notwendigen Änderungen der deutschen Kliniklandschaft benötigen nicht nur den Neustart einer verantwortungsvollen Krankenhausplanung, sondern auch wesentlich höhere Investitionsmittel als sie die Länder bisher bereitstellen.

Die Absicht des Bundesgesundheitsministers, die Kosten dieser Aufgabe zur Hälfte den gesetzlichen Krankenkassen aufzubürden (Transformationsfonds), ist ein Rechtsbruch und ein politischer Skandal. GKV-Versichertenbeiträge sind nicht dafür da, Transformationsprozesse in der stationären Versorgung zu finanzieren, sie sind allein zur gesundheitlichen Versorgung der Versicherten zu verwenden. Der Gesetzgeber steht in der politischen Verantwortung, die gesundheitliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten und ihre Transformation durch Steuermittel abzusichern.

Die Argumentation im KHVVG, dass „überschüssige Mittel“ des Gesundheitsfonds, hierfür eingesetzt werden sollen, ist angesichts dessen prekärer finanzieller Perspektive eine Dreistigkeit und wird eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge zur Folge haben. Auch die Benachteiligung der GKV gegenüber der PKV, die von einer solchen finanziellen Verpflichtung verschont bleiben soll, ist eine Umverteilung von unten nach oben, die wir klar ablehnen

Nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 liegt es nach wie vor in der Verantwortung des Staates, diese Investitionsmittel aufzubringen. Eine bedarfsgerechte Investitionsmittelfinanzierung wird seitens der Länder jedoch seit Jahrzehnten nicht mehr erbracht. Das Fehlen ausreichender Investitionsmittel hat erheblich zur bestandsgefährdenden wirtschaftlichen Krise zahlreicher Krankenhäuser beigetragen. Die Länder müssen daher ihrer Verantwortung für eine bedarfsgerechte Investitionsfinanzierung endlich und dauerhaft gerecht werden. Wo dies erforderlich ist, kann der Bund durch befristete, zielgerichtete Zuschüsse dazu beitragen, dass die länderseitige Verpflichtung zur Investitionsfinanzierung den Bedarfen gerecht wird oder aber die Steuergesetzgebung so ändern, dass die Länder wieder mehr Steuermittel zur Verfügung haben.

Wir fordern: Dauerhaft bedarfsgerechte Investitionsfinanzierung durch die Länder.

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