Pressemitteilung 17.07.2024 zum BIPAM
Bereits am 4.10.2023 hatte Karl Lauterbach in einer Bundespressekonferenz angekündigt, ein neues „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“, kurz „BIPAM“, errichten zu wollen[i]. Darin sollen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und Teile des Robert Koch-Instituts aufgehen, die sich mit nicht-übertragbaren Erkrankungen beschäftigen. Die geplanten Veränderungen sind dabei die größte Reform der Bundesbehörden im Bereich des Bundesministeriums der Gesundheit (BMG) seit der Auflösung des Bundesgesundheitsamtes 1994. Nachdem die Ankündigung viel Kritik der Fachöffentlichkeit nach sich gezogen hatte[ii], war es lange sehr still um das BIPAN. Nun wurde Ende Juni ein Entwurf für ein Gesetz zur Regelung der Nachfolge der BZgA vorgelegt, das den gesetzlichen Rahmen für das neue BIPAM schaffen soll[iii].Abgesehen davon, dass nach dem neuen Entwurf immerhin finanzielle Mittel zur Errichtung des neuen Bundesinstituts zur Verfügung stehen, bleiben grundlegende Kritikpunkte von der angedachten Strukturierung des BIPAM über der fragwürdigen Grundausrichtung bis hin zum Namen bestehen. Gleichzeitig bleiben viele Fragen auch weiterhin offen. Der vdää* lehnt im Einklang mit vielen namhaften Expert*innen den vorgelegten Gesetzesentwurf ab und spricht sich gegen eine Zerschlagung des Robert Koch-Instituts aus. In diesem Zusammenhang haben wir uns bereits Ende 2023 zwei öffentlichen Papieren, einem offenen Brief von Rolf Rosenbrock und Thomas Götz und einer Stellungnahme des Zukunftsforum Public Health angeschlossen[iv].
„Es ist aus unserer Sicht völlig unverständlich, warum Herr Lauterbach entgegen allen Empfehlungen der Fachgesellschaften, ein international renommiertes Gesundheitsforschungsinstitut zerschlagen will, das in den letzten 30 Jahren zusammengewachsen ist und Expertise zu übertragbaren und nicht-übertragbaren Krankheiten vereint“, so Karen Spannenkrebs, Co-Vorsitzende des vdää*.
Der vdää* hält eine Stärkung der epidemiologischen Forschung zu nicht-übertragbaren Erkrankungen und den zugrundeliegenden Determinanten und Risikofaktoren generell für richtig und begrüßt auch – gerade nach den Defiziten in der Corona Pandemie – eine Neuausrichtung der Gesundheitsförderung und -kommunikation sowie die Evidenzbasierung und zentrale Koordinierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
„Diese sollten aber besser in dem etablierten Institut ausgebaut werden, das damit zu einem starken nationalen Public Health Institut ausgebaut werden könnte“, ergänzt Thomas Kunkel, ebenfalls Co Vorsitzender des vdää*. „Das Vorgehen des BMG, das die Gründung des neuen Instituts ohne die notwendige Einbeziehung der relevanten Akteure und gegen die Empfehlungen der Fachgesellschaften vorantreibt, ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Thomas Kunkel weiter.
Es droht ein nachhaltiger Schaden für die Public Health Wissenschaft in Deutschland.
„Das ist auch gegenüber den Mitarbeitenden von RKI und BZgA unverständlich, insbesondere den befristet Beschäftigten gegenüber, die je nach Bereich um die 50% der Mitarbeitenden ausmachen“, sagt Michael Janßen aus dem erweiterten Vorstand des vdää*. Diese seien mit einer großen Unsicherheit konfrontiert, da z.B. völlig unklar ist, wie Drittmittelgeber auf die Reform reagieren und welche Auswirkungen die Veränderungen generell auf die Forschungsmöglichkeiten haben werden. Schon jetzt entstünden durch die geplanten Veränderungen hohe Kosten und die Public Health Forschung werde behindert.
Sowohl der Name des Instituts als auch die Formulierungen im Gesetzesentwurf zeigen, dass sich im BMG ein begrenztes Verständnis von Public Health durchgesetzt hat, das die internationalen Entwicklungen der letzten gut 40 Jahre im Bereich der Public Health Wissenschaft nicht widerspiegelt.
Wie die „Aufklärung in der Medizin“ zu einer Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit beitragen soll, wird wohl Lauterbachs Geheimnis bleiben. Die Wortwahl spricht aber dafür, dass hier über ein biologisch-individualistisches Verständnis von Gesundheit und Krankheit nicht hinausgedacht wird. Gleichzeitig steht hier die Medizin im Mittelpunkt, obwohl wir wissen, dass der Beitrag der Medizin zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung begrenzt ist und soziale, ökonomische und kommerzielle Determinanten in viel größerem Umfang dazu beitragen.
Hier wird eine Chance zu einer wirklichen Stärkung von Public Health in Deutschland vertan und Public Health in Deutschland für möglicherweise viele Jahre geschadet.
Hier findet ihr die Pressemitteilung als PDF zum Download.
[i] Pressekonferenz mit Lauterbach, Nießen und Schaade am 4.10.2023: https://www.youtube.com/watch?v=oEOnKidwFA4
[ii] Gemeinsame Pressemitteilung von DGSMP und DGpH: https://www.dgph.info/fileadmin/user_upload/PDF/Paper/PM_10.10.23.fin.pdf
Artikel von Joseph Kuhn: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2023/10/04/ende-einer-geheimoperation-das-neue-bundesinstitut-fuer-oeffentliche-gesundheit/
[iii] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/gesetz-zur-staerkung-der-oeffentlichen-gesundheit.html
[iv] Zukunftsforum Public Health: https://zukunftsforum-public-health.de/bundesinstitut-fuer-praevention-und-aufklaerung-in-der-medizin-verpasste-chance-fuer-public-health-in-deutschland/
Offener Brief von KLUG + Paritätischer Wohlfahrtsverband zur Perspektive der Zivilgesellschaft: