Edi­to­ri­al

Lie­be Leser*innen,

in die­ser Aus­ga­be beschäf­ti­gen wir uns im Schwer­punkt mit (neu­er) Arbeits­tei­lung und Koope­ra­ti­on der ver­schie­de­nen Berufs­grup­pen im Gesund­heits­we­sen. Im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Län­dern ist die Arbeits­tei­lung in Deutsch­land hier­ar­chisch sehr domi­niert von den Ärzt*innen. Auch durch den Heil­kun­de­vor­be­halt, den sie sich Jahr­zehn­te lang nur mit den Heilpraktiker*innen geteilt haben, hat sich ein Gesund­heits­we­sen her­aus­ge­bil­det, das sehr stark auf Ärzt*innen bzw. die ärzt­li­che Ver­sor­gung fokus­siert ist. Hin­zu kommt, dass ins­be­son­de­re durch das Kas­sen­arzt­recht von 1955 wesent­li­che Tei­le des Gesund­heits­we­sens um die wirt­schaft­li­chen Inter­es­se der Ärzt*innen her­um orga­ni­siert wur­den und immer noch wer­den. Die­se Mono­pol­stel­lung hat tie­fe Spu­ren in der Ärzt*innenschaft, aber auch im Gesund­heits­we­sen und bei den Beschäf­tig­ten in den ande­ren Berufs­grup­pen hin­ter­las­sen.

Das Anlie­gen des vdää* und über­haupt der kri­ti­schen Medi­zin war von jeher, die­ses Mono­pol zuguns­ten von gleich­be­rech­tig­ter Koope­ra­ti­on der Gesund­heits­pro­fes­sio­nel­len auf­zu­bre­chen und die Arbeits­tei­lung ent­lang der Bedar­fe der Ver­sor­gung und der Bedürf­nis­se der Patient*innen neu zu orga­ni­sie­ren. Ein dickes Brett, das wir da boh­ren wol­len! Aller­dings waren die Zei­ten dafür nie so güns­tig wie jetzt, denn die ver­krus­te­ten Struk­tu­ren, die mit die­sem Mono­pol ein­her­ge­hen, sind inzwi­schen so ein Hemm­schuh für die Ver­sor­gungs­struk­tur, dass auch von Sei­ten der Poli­tik viel Offen­heit für inno­va­ti­ve und fort­schritt­li­che Pro­jek­te und Modell­vor­ha­ben besteht. In die­sem Zuge wur­de auch der Heil­kun­de­vor­be­halt bereits an man­chen Stel­len auf­ge­weicht. 

Gleich­zei­tig erle­ben wir auch einen Angriff auf die Struk­tu­ren von ande­rer Sei­te: Unter dem Druck von Priva­tisierung und Kos­ten­ein­spa­rung wird auf allen Ebe­nen ver­sucht, Lohn­kos­ten zu drü­cken. Vor die­sem Hin­ter­grund wer­den Tätig­kei­ten von bes­ser bezahl­ten (und bes­ser qua­li­fi­zier­ten) Beschäf­tig­ten auf schlech­ter bezahl­te abge­wälzt und Pro­zes­se im Ver­sor­gungs­ge­sche­hen tay­lo­ris­tisch wie in der Auto­fa­brik auf­ge­spal­tet, in klei­ne­re und damit effek­ti­ver abzu­ar­bei­ten­de Ein­hei­ten gefasst und mit neu­en Namen und Nim­bus ver­se­hen. Nicht immer kommt dabei nur Schlech­tes her­aus. Dies, obwohl die Ziel­vor­ga­ben öko­no­misch defi­niert sind und sich nicht an einer bedarfs­ge­rech­ten Ver­sor­gung orien­tieren.

Will man die­se Ent­wick­lung – gra­de aus ärzt­li­cher und damit struk­tu­rell mono­po­lis­ti­scher – Posi­ti­on her­aus – kri­ti­sie­ren, ist der Grat schmal, auf den man sich begibt. Die meis­ten Posi­tio­nie­run­gen der orga­ni­sier­ten Ärz­te­schaft rutsch­ten dabei ab und fal­len in alten Stan­des­dün­kel und Ver­tei­di­gung von eige­nen Pfrün­den zurück. Das ist nicht unser Anlie­gen. Auch wir haben Kri­tik an die­ser Ent­wick­lung, aber mit der Per­spek­ti­ve auf eine gleich­be­rech­tig­te Koope­ra­ti­on mit unse­ren Kolleg*innen aus ande­ren Beru­fen im Gesund­heits­we­sen. Ob uns die­se Grat­wan­de­rung mit die­sem Heft gelun­gen ist, müsst Ihr, lie­be Leser*innen ent­schei­den. Wir wol­len uns Eurer Kri­tik (und natür­lich auch Eurem Lob) in einem neu­en For­mat stel­len, das wir hier bereits ankün­di­gen: Wir wer­den eine Online-Ver­an­stal­tung zum Heft-Release anbie­ten, bei der wir das Heft mit Autor*innen vor­stel­len und mit Euch dis­ku­tie­ren wol­len. Der Ter­min wird in Kür­ze auf der – schö­nen neu­en – Home­page ste­hen. 

Koope­ra­ti­on mit dem Ver­ein Soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen

Wir haben mit der Koope­ra­ti­ons­idee schon mal prak­tisch ange­fan­gen und geben ab die­ser Aus­ga­be die Zeit­schrift zusam­men mit unse­rem Schwes­ter­ver­ein Soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen her­aus. Unse­re Ziel­set­zun­gen sind iden­tisch, nur die Form, in der wir arbei­ten und das Ter­rain, auf dem wir uns bewe­gen, unter­schei­den sich bis­wei­len, aber ergän­zen sich opti­mal. Das Soli­da­ri­sche Gesund­heits­we­sen ist ein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein, der poli­ti­sche Bil­dungs­ar­beit in Form von Publi­ka­tio­nen und Ver­an­stal­tun­gen leis­tet. Vie­le inter­es­san­te Bro­schü­ren, etwa die Kit­tel­ta­schen­bro­schü­re fürs Kran­ken­haus, die in Koope­ra­ti­on mit den Kri­tis in Ber­lin ent­stan­den ist, eine Bro­schü­re zur medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung in Haft und vie­le Publi­ka­tio­nen zur Öko­no­mi­sie­rung im Kran­ken­haus könnt ihr auf der Web­sei­te fin­den.

Die­se Arbeit kos­tet Geld, genau­so wie die Redak­ti­on, das Lay­out und der Druck die­ser Zeit­schrift. Wer kann, ist des­halb auf­ge­ru­fen, an das Soli­da­ri­sche Gesundheits­wesen zu spen­den. Um bes­ser pla­nen zu kön­nen und lang­fris­ti­ge und kon­ti­nu­ier­li­che Arbeit zu leis­ten, freu­en wir uns beson­ders über regel­mä­ßi­ge Spen­den.

Eure GbP-Redak­ti­on

Inhalt

  1. Mas­si­ver Abbau droht, Finanz-»Revolution« fällt aus. Zusam­men­fas­sen­de Dar­stel­lung und Bewer­tung des KHVVG
    Tho­mas Böhm
  2. Posi­tio­nie­rung wesent­li­cher Inter­es­sen­ver­tre­ter zum KHVVG
    Tho­mas Böhm
  3. Geschich­te der Kran­ken­haus­re­for­men bis zum KHVVG. Eck­punk­te der Imple­men­tie­rung des KHVVG
  4. Was glau­ben Sie, wer Sie sind? Zur auto­ri­tä­ren Rah­mung der Durch­set­zung des KHVVG
    Nad­ja Rako­witz
  5. Vor­bild NRW? Wie hat sich der Kran­ken­haus­plan (bis­her) aus­ge­wirkt?
    Susan­ne Quast
  6. Wie spielt der Kos­ten­druck in dei­nem ärzt­li­chen All­tag eine Rol­le?
    Erfah­rungs­be­rich­te
  7. Das däni­sche Modell
    Achim Teusch
  8. Pri­va­ti­sie­rung von Kran­ken­häu­sern. Raus aus der »uni­for­men Zement­wüs­te des Kol­lek­ti­vis­mus«!Kran­ken­haus statt Fabrik
  9. Know your boss. Über­sicht über pri­va­te Kli­nik­be­trei­ber in Deutsch­land
  10. Eine Chi­mä­re. Zur Fra­ge eines funk­ti­ons­fä­hi­gen Wett­be­werbs im Kran­ken­haus­sek­tor
    Kai Mose­bach
  11. Klas­sen­un­ter­schie­de. Wie das dua­le Ver­si­che­rungs­sys­tem eine bedarfs­ge­rech­te und gute medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ver­hin­dert
    Manue­la Huber
  12. Ein ande­res Gesund­heits­we­sen ist mög­lich – Zu einer bedarfs­ge­rech­ten und pati­en­ten­freund­li­chen Ver­sor­gungs­ket­te
    Kran­ken­haus statt Fabrik
  13. Ein Vor­bild? Ein Ein­blick in das kuba­ni­sche Gesund­heits­sys­tem
    Colet­te Gras
  14. Kein Gesetz – aber jede Men­ge Mind­set­ting. Zum aktu­el­len Stand der Mili­ta­ri­sie­rung des Gesund­heits­we­sens
    Bern­hard Win­ter

Bei­trä­ge aus dem Heft

  • Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

    Nach­­ge­fragt- Kurz­in­ter­views mit Phy­si­ci­ans Assistants

    Der kri­ti­schen Ana­ly­se davon, wie die Schaf­fung neu­er Gesund­heits­be­ru­fe im durch­öko­no­mi­sier­ten deut­schen Gesund­heits­sys­tem zur Kos­ten­re­duk­ti­on miss­braucht wer­den kann (wie sie in die­sem Heft Gerd Diel­mann und Juli­an Veel­ken vor­neh­men), steht […]


  • Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

    Ein poli­ti­scher Feh­­ler- Zur Ein­füh­rung von Phy­si­ci­an Assistants

    Von Juli­an Veel­ken Die ver­stärk­te Ein­füh­rung von Phy­si­ci­an Assistants wird Ärzt*innen im Kran­ken­haus nicht ent­las­ten und die ärzt­li­che Wei­ter­bil­dung erheb­lich ver­schlech­tern. Denn was in ande­ren Län­dern mit weni­ger öko­no­mi­sier­ten Gesund­heits­we­sen […]


  • Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

    Leser­brief zur GbP 1/24- Phy­si­ci­ans Assi­tants

    von David Voigt kri­tit­scher Leser­brief zum Arti­kel “Ein poli­ti­scher Feh­ler” von Juli­an Veel­ken in der GbP 1⁄24, den wir hier im Sin­ne einer kri­ti­schen Debat­te ver­öf­fent­li­chen. Hier fin­det ihr die […]


  • Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

    »Wor­auf du dich freu­en kannst …« – Arbeits­tei­lung und beruf­li­cher Ent­wick­lung

    von Gerd Diel­mann Der seit Jah­ren bestehen­de Kos­ten­druck in den Ein­rich­tun­gen des Gesund­heits­we­sens sowie der regio­na­le und fach­be­zo­ge­ne Per­so­nal­man­gel nicht nur im ärzt­li­chen Dienst und in den Funk­ti­ons­diens­ten hat­ten erheb­li­che […]


  • Kampf gegen Rechts – Es wird nicht ein­fa­cher

    von Colet­te Gras und Karen Span­nen­krebs Am 10. Janu­ar die­sen Jah­res ver­öf­fent­lich­te das Recher­chen­etz­werk Cor­rec­tiv einen Bericht über ein Geheim­tref­fen von ver­schie­de­nen Rech­ten, das für einen Auf­schrei der Empö­rung sorg­te, […]


  • Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

    Die Gesund­heit braucht Poli­tik 1/2024 ist da!

    Als vdää* Mit­glied oder GbP Abonennt*in dürft ihr euch in den nächs­ten Tagen über Post freu­en- Die neue Aus­ga­be ist da! In die­ser Aus­ga­be haben wir uns mit neu­en Beru­fen […]


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