Nadja Rakowitz hat einen Bericht von Stavroula Poulimeni über eine zweitägige Konferenz in Heraklion auf Kreta, Griechenland zum Thema: “Public Health: für eine alternative Strategie – Die progressive Antwort auf Privatisierungen, den Abbau des öffentlichen Gesundheitssystems und Ungleichheiten” übersetzt und gekürzt, und sie war selbst in die Vorbereitung der Konferenz, die von der Rosa Luxemburg Stiftung Athen und dem ENA Institute for Alternative Policies Athens organisiert wurde, involviert. Sie knüpfte damit auch an die Solidaritätsarbeit des vdää* mit den Aktiven im griechischen Gesundheitswesen an und traf alte Bekannte.
Die neoliberale Gesundheitspolitik hat das staatliche Gesundheitswesen in Griechenland (im Folgenden NHS genannt) buchstäblich demontiert und eine noch nie dagewesene Krise der Unterbesetzung verursacht. Ärzte, Krankenschwestern und anderes Personal sind nicht mehr in der Lage, den Anforderungen gerecht zu werden und erleben einen ständigen Burn-out. Eine Kündigungswellen folgt der nächsten. Jüngstes Beispiel ist die Massenkündigung der Pneumologen des Venizelos-Krankenhauses in Heraklion, die sich darüber beklagten, dass sie „die Klinik für Pneumologie mit nur vier qualifizierten Ärzten nicht sicher betreiben können“. Die Demontage des NHS geht mit einer kontinuierlichen staatlichen Unterstützung und Finanzierung des privaten Sektors einher. Gleichzeitig belasten die Gesundheitsausgaben ‚‚out of pocket‘‘ zunehmend das immer kleiner werdende verfügbare Einkommen der Bürger*innen. Der ungedeckte Bedarf an Behandlungen oder medizinischen Untersuchungen führt wiederum zu noch größeren gesundheitlichen Ungleichheiten.
All dies wurde am 5.–6. April in Heraklion (Kreta) im Rahmen einer zweitägigen Konferenz analysiert. Dort diskutierten Beschäftigte des Gesundheitswesens, Akademiker, Gewerkschafter, Vertreter politischer Parteien der Linken und Vertreter von Patientenverbänden nicht nur, ob es Licht am Ende des Tunnels gibt, sondern wie man das Problem gemeinsam angehen kann. Eine gemeinsame Erkenntnis war die Notwendigkeit eines antikapitalistischen Ansatzes, bei dem die Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen, und die Forderung nach einem neuen öffentlichen Gesundheitssystem.
Eine Antwort auf die Unmenschlichkeit des neoliberalen Abbaus der Gesundheitssysteme
Ausgehend von der Erkenntnis, dass jede Gesundheitsstrategie den Dienst an den Bürgern und die Stärkung der Schwächsten zum Ziel haben sollte, betonte Grigoris Gerotziafas, Professor für Hämatologie an der Medizinischen Fakultät der Sorbonne/Paris, dass die Positionen der Linken zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer Stärkung der Primärversorgung derzeit allgemeine Erkenntnis in ganz Europa und den Vereinigten Staaten seien. Inzwischen sei aber auch offensichtlich, dass eine Primärversorgung die Kosten für Krankenhausaufenthalte in Ländern mit verlässlicher Infrastruktur um 30–50 % senke: “Die Forderung der heutigen Linken nach einer Primärversorgung bedeutet keinen revolutionären Durchbruch, sondern die Umsetzung internationaler Erkenntnisse. Wir beschuldigen unsere politischen Gegner nicht nur, dass sie Obskurantisten sind, sondern dass sie unmenschlich sind und nicht den neuesten Stand der Wissenschaft anwenden”.
Er konzedierte aber auch, dass die Reorganisation des Gesundheitssystems in Griechenland aufgrund der tragischen Kürzung der öffentlichen Ausgaben fast unmöglich sei: “Wir brauchen eine sofortige Verdoppelung der Ausgaben, die Integration neuer Technologien, einheitliche elektronische Daten, zu denen alle Ärzte und Pflegekräfte Zugang haben, sowie die Sicherheit von Daten und individuellen Rechten”. Die Frage der Formulierung einer alternativen Gesundheitsstrategie sei eine Frage der politischen Macht, d.h. eine soziale Frage, die nicht nur Wissenschaftler und Gesundheitspersonal betrifft.

Grigoris Gerotziafas, Professor für Hämatologie an der Medizinischen Fakultät der Sorbonne/Paris
Der Entzug des Zugangs zur Gesundheitsversorgung durchtrennt den Faden des Lebens
Athos Georgiou, Professor für Allgemeine Chirurgie an der Universität Nikosia/Zypern und Gesundheitsbeauftragter der linken Partei AKEL, wies auf die sozialen Auswirkungen der Kürzung von Gesundheitsausgaben hin und warnte, dass man auf eine “Kriegswirtschaft” zusteuere. Er bezog sich dabei auf ReArm Europe. Der große Konflikt bestehe darin, ob Gesundheit ein soziales Gut oder eine Ware ist. “In Zypern haben wir versucht, ein Gesundheitssystem zu schaffen, das universell ist, gleichberechtigten Zugang bietet und auf Solidarität basiert. Wir wurden als Linke angegriffen, weil wir ein Gesundheitssystem mit nur einer Versicherung schaffen wollten. Mehrere Versicherungen erhöhen ständig die Kosten für die Gesundheitsversorgung. Wenn diese in die Gesundheitssysteme gelangen, folgen die Investmentfonds. Griechenland ist ein Beispiel für Investmentfonds, die sich jetzt auch an Zypern wenden und ein Krankenhaus nach dem anderen kaufen”, sagte er und betonte, dass die Gesundheit für das Kapital nur ein Mittel zur Akkumulation von Profit sei. Einem Menschen die Deckung eines sozialen Bedarfs durch den Staat zu entziehen, weil er nicht als profitabel angesehen wird, durchtrenne den Faden des Lebens. Er nannte als Beispiel die Einwanderer, die die ersten Opfer des Ausschlusses von der Gesundheitsversorgung waren. Unter Berufung auf Lenins Satz, dass “im Zug der Gesundheit jeder in der ersten Klasse fahren soll”, befürwortete Georgiou die Forderung nach einem Gesundheitssystem mit universellem und gleichberechtigtem Zugang, mit staatlicher Unterstützung und Verbesserung, mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und Löhnen für gut ausgebildetes Personal.
Wir brauchen ein neues Gesundheitssystem
Yiannis Kalomenidis, Professor für Pneumologie an der Universität Athen und Arzt am Krankenhaus “Evangelismos”, ging noch einen Schritt weiter. Er stellte klar, dass wir nicht mehr von der Notwendigkeit sprechen können, den NHS zu stärken, sondern über die Notwendigkeit, ein neues NHS aufzubauen. Der jüngste OECD-Bericht spreche von 40 % offenen Stellen in den Krankenhäusern in Griechenland – ausgehend von einer veralteten Stellenzahl, die nicht den heutigen gestiegenen Bedürfnissen entspricht. Das größte Problem gebe es natürlich in der Peripherie, wo die Unterbesetzung oft sogar 50 % der Stellen bei Ärzten und Pflegepersonal übersteige und das Gesundheitspersonal der Großstädte von Krankenhaus zu Krankenhaus zieht, um Bereitschaftsdienste abzudecken. Die Desorganisation sei so groß, dass Kliniken oft nicht arbeiten können. Die Intensivbetten, die während der Pandemie zusätzlich geschaffen wurden, mussten aufgrund von Personalmangel geschlossen werden. Abgesehen davon, dass es so wenige Neueinstellungen gebe, dass nicht einmal die Pensionierungen ausgeglichen werden, gibt es massive Kündigungswellen von festangestellten Ärzten und einen Verlust von wissenschaftlichem Knowhow aus dem NHS. Man erlebe gerade einen beispiellosen Transfer von Gesundheitspersonal in den privaten Sektor. “Der NHS ist in den Augen der neuen Kollegen anrüchig und völlig delegitimiert, so dass selbst auf die wenigen Stellenausschreibungen des NHS niemand reagiert”, so Kalomenidis.

Hinzu komme, dass die Privatisierung jetzt auch intern im NHS stattfinde: Privatpersonen können nun ihren Beruf in Krankenhäusern ausüben, Untersuchungen und Folgeuntersuchungen werden an private Unternehmen vergeben, die primäre Gesundheitsversorgung entfernt sich von der Logik der öffentlichen Versorgung, während bereits ein System des Wettbewerbs zwischen öffentlichen Einrichtungen geschaffen wird, um Patienten mit dem Ziel einer besseren Finanzierung anzuziehen. Darüber hinaus verfestigt die Umwandlung von Krankenhäusern in privatrechtliche Rechtseinheiten mit privater Verwaltung die Logik des Marktes in öffentlichen Krankenhäusern und führt zu Ungleichheiten.
Ein öffentlich-freies, qualitativ hochwertiges und universelles Gesundheitssystem sollte sich jeder Logik der Fragmentierung entgegenstellen und die primäre Gesundheitsversorgung mit der Krankenhaus- und postklinischen Versorgung in einer einzigen Struktur integrieren. “Wir brauchen ein NHS mit einer demokratischen Struktur und sozialer Rechenschaftspflicht, die inspiriert.”
Eine globale Bewegung ist Voraussetzung für das Recht auf Gesundheit
Alexis Benos, emeritierter Professor für öffentliche Gesundheit und Direktor des Zentrums für Forschung und Bildung im Bereich der öffentlichen Gesundheit an der Aristoteles-Universität Thessaloniki, erklärte, wie es zur kontinuierlichen Demontage und Privatisierung des NHS gekommen ist. Das NHS wurde in Griechenland gegründet, als in anderen Ländern, wie z.B. England, der Neoliberalismus begonnen hatte, den Wohlfahrtsstaat zu zersetzen. Seit seiner Gründung waren erste Schritte unternommen worden, um seinen öffentlichen Charakter zu leugnen. Die Steuerbefreiung der privaten Krankenversicherungen und die Abtretung von Dienstleistungen wie Sicherheit, Reinigung und Catering an private Unternehmen seien beispielhaft für die Privatisierung. Und trotz der Tatsache, dass die Wirtschaftskrise in Griechenland ab 2011 und die Pandemie die Bedeutung der öffentlichen Gesundheitssysteme auf globaler Ebene deutlich gemacht haben, wurden am Ende alle Hoffnungen auf eine Umkehrung des neoliberalen Zerfalls zunichte gemacht: “Die Pandemie wurde als Gelegenheit für neue Spekulationen für den privaten Sektor genutzt, der vom Staat geschützt wurde, um nicht ‘infiziert’ zu werden, aber auch für Unternehmen, die sich die Ergebnisse der öffentlichen Forschung zur Impfstoffentwicklung bemächtigten”, so Benos. Insgesamt wurden in den Jahren 2020–2021 vom Staat über 180 Millionen Euro bereitgestellt, um pandemiebedingte Kosten für Privatkliniken, Rehabilitationszentren, Touristenunterkünfte, Privatärzte und Diagnosezentren zu decken.
Wir befinden uns, so Alexis Benos, aktuell in einer extremen Periode kapitalistischer Aggression, deshalb sollten wir, wenn wir über eine alternative Strategie sprechen wollen, über einen antikapitalistischen Ansatz für das Recht auf Gesundheit sprechen. Für Benos ist es notwendig, eine globale Volksbewegung zu schaffen, die die Entwicklung eines öffentlichen Systems fordert, das auf der Grundlage der Bedürfnisse einer ganzheitlichen Versorgung der Menschen strukturiert ist.
Deutschland: Kapitaltransfer vom öffentlichen in den privaten Sektor
Kathrin Vogler, Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke vertrat die These, dass die Kommerzialisierung der Gesundheitssysteme dazu führe, dass das Menschenrecht auf Gesundheit nicht mehr adäquat wahrgenommen werden kann. In Deutschland haben es die Schwächsten, Menschen mit Behinderungen, verarmte Menschen und Menschen mit hohem Pflegebedarf sehr schwer, medizinisch versorgt zu oder zuhause angemessen gepflegt zu werden. Die Auswirkungen davon spiegelten sich auch in der Lebenserwartung. Die Politik der letzten Jahrzehnte habe dazu geführt, dass Teile des Gesundheitssystems nach den Prinzipien des Profits und des Marktes arbeiten. “Es ist schwer zu verstehen, warum das Gesundheitssystem in einem der reichsten Länder der Welt unter so großem Druck steht, aber es gibt Gründe”, so Vogler.
Erfahrungsberichte und kollektiver Widerstand auf Kreta
Im nächsten Panel beschrieben Ärzt*innen, ein Pfleger und eine Patientenvertreterin ihre Erfahrungen mit den Auswirkungen des buchstäblichen Zusammenbruchs des öffentlichen Gesundheitssystems in Kreta.
Giorgos Manousakis, Präsident des Verbands der Mitarbeiter des Krankenhauses von Agios Nikolaos/Kreta, beschreit die rapide Verschlechterung aller Krankenhäuser auf Kreta. Vor allem in der Präfektur Lasithi sei das Defizit in kritischen Fachgebieten inzwischen riesig: “Ein großer Teil der Belegschaft ist ins Ausland gegangen wegen der Verschärfung der Arbeitsbedingungen und der niedrigen Löhne”. Da es aber auch keine primäre Gesundheitsversorgung mehr gibt, müssen alle Bedürfnisse vom Krankenhaus Agios Nikolaos gedeckt werden. In den letzten drei Jahren sind enorme Personaldefizite entstanden: Während im Jahr 2019 noch 66 Ärzte im Krankenhaus tätig waren, sind es jetzt nur noch 56. Von vier Anästhesisten blieben zwei im Krankenhaus, von fünf Intensivmedizinern sind zwei festangestellte Ärzte auf der Intensivstation geblieben; beim Pflegepersonal sind 25% der Stellen unbesetzt. “Es gibt keinen Anreiz für Ärzte, im NHS zu bleiben. Wir fordern eine Änderung der Politik, der Arbeitsbedingungen und eine Verbesserung der Löhne, um das System wieder zum Laufen zu bringen”, schloss er.
In Chania, dem zweitgrößten Krankenhaus auf der Insel, unterscheiden sich die Probleme nicht von denen anderer Krankenhäuser. Auch dort kämpft das Gesundheitspersonal dafür, dass das Krankenhaus nicht vollständig zusammenbricht. Laut Christoula Petraki, Pneumologin und Präsidentin der Ärztekammer des Nationalen Gesundheitsdienstes von Chania, wurden viele Abteilungen geschlossen, während die Notaufnahmen mit nur zwei Oberärzten arbeiteten. Es gibt keine psychiatrische Abteilung im Krankenhaus, auch keine Kinderpsychiatrie; diese Fälle werden nach Heraklion verlegt. Vor allem im Sommer ist die Situation unvorstellbar schwierig, weil da noch zusätzlich viele Touristen z.B. mit Verkehrsunfällen dazu kommen. Und in diesem Krankenhaus gibt es Ärzte, die wegen Überlastung gehen wollen, weil, wie sie sagte, “wir jetzt durch Müdigkeit gefährlich werden”.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörden arbeiten sowohl das Venizelos-Krankenhaus von Rethymno als auch das Universitätskrankenhaus in Heraklion dezimiert. Mit dem sich vervielfachenden Bedarf durch den Tourismus für mindestens sechs Monate im Jahr und in Kombination mit anderen sozialen und wirtschaftlichen Problemen wie der Wohnungskrise wird die Misere noch verstärkt. Der Zusammenbruch der Krankenhäuser wird in erster Linie von den Patienten selbst erlebt, die sich seit Jahren organisieren, um ihre Forderungen an die Politik im Bereich der öffentlichen Gesundheit öffentlich zu machen.
“Wir haben die Patientenvereinigungen wegen der Probleme gegründet, mit denen wir jeden Tag konfrontiert sind, aber auch wegen unseres Wunsches, unsere Lebensqualität zu verbessern”, sagte Katerina Koutsoyiannis, Vizepräsidentin der griechischen Patientenvereinigung. Diese wurde 2019 gegründet und umfasst 85 Patientenorganisationen aus dem ganzen Land. “Durch ihre einzigartige Erfahrung und ihren Weg im Gesundheitssystem können Patienten Vorschläge einreichen, ihre Mitpatienten beeinflussen und befähigen und die Gesundheitspolitik gestalten. Patienten berichten jedoch oft nicht über Systemstörungen, weil sie befürchten, dass dies ihre Behandlung beeinträchtigen könnte. Wir versuchen, sie zu befähigen, Gesprächspartner bei Gesundheitsproblemen zu werden.” Ziel des Verbands ist es auch, eine Beobachtungsstelle für gesundheitliche Ungleichheiten zu schaffen, in der Probleme und Erfahrungen systematisch erfasst werden.


oben: Christoula Petraki, Pneumologin und Präsidentin der Ärztekammer des Nationalen Gesundheitsdienstes von Chania, unten: Kathrin Vogler, Die Linke
Der Europäische Rahmen – Beispiele für gewerkschaftliche Forderungen im Gesundheitswesen
Aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen, niedriger Löhne und Arbeitslosigkeit sind Beschäftigte im Gesundheitswesen oft gezwungen, in andere europäische Länder auszuwandern, um dort in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung zu arbeiten. In der Diskussionsrunde am Sonntag ging es um diese Probleme und die Möglichkeiten, gemeinsam bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu fordern. Nadja Rakowitz, Medizinsoziologin, Geschäftsführerin des Vereins Demokratischer Ärzt*innen und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der RLS leitete das Panel mit dem Verweis auf die großen Ungleichheiten in aber auch zwischen den Ländern Europas und auf die Armut, die der Boden seien, auf dem sich der Braindrain entwickelt. Die migrantischen Arbeitskräfte seine neben Kommunikationsproblemen auch mit rassistischen Verhaltensweisen konfrontiert, oft ohne jegliche Unterstützung von Seiten der Gewerkschaften zu bekommen.

Von links nach rechts: Anna Bacia, Anna Vracar, Alain Sable
Wie Ana Vracar, Kulturanthropologin aus Kroatien, Mitglied von BRID (Basis for Workers’ Initiative and Democratization), Mitglied der UNI Global Union und des People’s Health Movement (PHM), erklärt, waren die Privatisierung der Gesundheitssysteme nach dem Fall des Sozialismus in vielen osteuropäischen Ländern und der Zusammenbruch des Industriesektors Ursachen, die dazu führten, dass das Personal im Gesundheitswesen aber auch in anderen Sektoren nach West- und Nordeuropa migrierte. Dort begannen viele als informelle Pflegekräfte 24⁄7 in Familien zu arbeiten. Die Bemühungen des PHM zielen darauf ab, Erfahrungen auszutauschen, damit Menschen, die in ein Land auswandern wollen, dort mit anderen Arbeitern in Kontakt treten können. Ana Vracar kommt zu dem Schluss, dass die Abwanderung von Fachkräften zu einer Personalkrise im kroatischen öffentlichen Gesundheitswesen geführt hat. Seitens der Regierung wurden keine Anstrengungen unternommen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, sowohl in Bezug auf die Löhne als auch auf die Arbeitsbelastung. Allerdings hat in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches begonnen: Kroatien wird plötzlich zu einem Zielland für Arbeitskräfte aus ärmeren Ländern, und dies ist ein Indikator dafür, dass sich die Arbeitsbedingungen überall verschlechtern.
Ebenso instabil ist die Lage in Polen. Laut Anna Bacia, Krankenschwester und Präsidentin der Gewerkschaft der Pflegekräfte in der OPZZ (OPZZ KP), gibt es Migration von Gesundheitsfachkräften nach Westeuropa und insbesondere Deutschland sehr häufig und vor allem im Gesundheitssektor. Die Migration hat zu Personalengpässen im öffentlichen Gesundheitswesen in Polen geführt, die aber seit Kriegsbeginn von Ukrainern gedeckt werden. Die Gesetzgebung ist besonders flexibel und viele Arbeitnehmer, vor allem in privaten Unternehmen, arbeiten ohne feste Verträge. Anna Bacia betonte unter anderem, dass Unternehmen Ukrainer als billige Arbeitskräfte einsetzen, was auch die in diesem Bereich bestehenden Gewerkschaften geschwächt habe. “Die polnischen Arbeiter, die den Prozess der Abwertung von Arbeit und Rechten im privaten Sektor erkannten, begannen, in die öffentlichen Krankenhäuser zurückzukehren. Was wir brauchen, ist eine stärkere Gewerkschaft, Schulungen für Wanderarbeiter und gemeinsame Gewerkschaften, die diese einbeziehen.“
UNI Care/Global Union ist ein globaler Verband von Gewerkschaften im Gesundheitswesen. Alan Sable, Leiter des Departements in der Schweiz, betonte, dass wir es mit einer globalen Personalkrise im Pflegesektor zu tun haben, wenn wir über migrantische Pflegekräfte und den Braindrain sprechen. Eine Personalkrise ziehe eine Pflegekrise nach sich. Eine Umfrage von UNI Care zeigte, dass fast 70% der Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich in 63 Ländern angaben, Personalprobleme zu haben, wobei 36% in unterbesetzten Strukturen arbeiten. Die meisten Menschen sehen diese Arbeit bis zum Rentenalter als untragbar an. In Wirklichkeit jedoch “gibt es keinen Mangel an Pflegekräften. Es herrscht ein Mangel an Pflegekräften, die unter den aktuellen Umständen bereit sind, zu arbeiten. Und es sind die Bedingungen, die die Menschen vertreiben”, so Alan Sable. “Der einzige Weg, die Personalkrise zu bewältigen, sind mehr Investitionen mit besserer Bezahlung, die Möglichkeit von Tarifverhandlungen und die Verhinderung von Gewalt und Belästigung”. Die Strategie von UNI Care/Global Union habe mehrere Ziele: die Organisation aktiver Gewerkschaften in den Einwanderungsländern, die Sicherstellung, dass bilaterale Migrationsabkommen keine Diskriminierung in den Rechten zwischen Migranten und einheimischen Arbeitnehmern beinhalten und dass die Arbeitnehmer Teil einer Bewegung zur Verbesserung der Versorgungsbedingungen für alle werden.
Aus Deutschland berichtete Dana Lützkendorf, ehemals Intensivpflegerin an der Berliner Charité und jetzt Gewerkschaftssekretärin von ver.di Berlin-Brandenburg von den Kämpfen für einen Tarifvertrag Entlastung (also für garantierte Personalquoten nicht nur in der Pflege) und wie man auch mit minimalster Personaldecke ein Krankenhaus bestreiken kann.
Die neoliberale Globalisierung ist die Krankheit
Andreas Xanthos, ehemaliger Gesundheitsminister in der linken Syriza-Regierung, Arzt in Rethymno und heute Mitglied der Partei Neue Linke, schloss die Diskussion und drückte die Notwendigkeit eines politischen Auswegs aus der Desorganisation der öffentlichen Gesundheitssysteme aus. Er forderte eine alternative Strategie. “Die Migration von Arbeitskräften und wissenschaftlichem Potenzial ist das Symptom, die Krankheit ist die neoliberale Globalisierung. Das Symptom betrifft insbesondere die Länder Europas, die in Zeiten der Haushaltsanpassung und der Sparmaßnahmen die Gesundheitssysteme geschrumpft und die Personalkrise ausgelöst haben. In unserem Land hat das dramatische Ausmaße angenommen”. Für Andreas Xanthos ist es notwendig, sich über internationale Netzwerke von Gesundheitsfachkräften zu organisieren, um den neuen Herausforderungen begegnen zu können. “Wir dürfen keine Kompromisse eingehen, die die psychosomatischen Kräfte der Menschen erschöpfen, die Patienten belasten, die Sicherheitsstandards senken und das öffentliche Gesundheitswesen in Misskredit bringen”, fügte er hinzu. Das große Problem sei die Schaffung einer politischen Alternative.

Aktuell gebe es in Griechenland viele funktionell unversicherte Bürger. Das heißt, dass es zwar keine institutionellen Hindernisse für den Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem für Versicherte gibt, aber niemand effektiv behandelt werden kann, wenn er nicht aus der eigenen Tasche dazu zahlt. „Wir sind in die Zeit vor der Gründung des NHS zurückgekehrt, als die Menschen in unserem Land Geld haben mussten, wenn sie medizinisch versorgt werden wollten. Die Grundwerte des NHS sind über den Haufen geworfen worden“. „Die Regierung sagt den Kollegen, sie sollen den Patienten das Geld aus der Tasche ziehen, im Krankenhaus privat arbeiten, außerhalb privat praktizieren, in privaten Kliniken arbeiten und sich gleichzeitig um den Betrieb des Krankenhauses kümmern.“
Der ehemalige Gesundheitsminister wies darauf hin, dass die Frage, ob Gesundheit ein Recht und keine Ware ist, durch die Politik der Regierungen festgeschrieben oder negiert wird. Die Frage ist nun, unter welchen finanziellen und organisatorischen Bedingungen das NHS wieder auf die Beine gestellt wird und jungen Wissenschaftlern und Ärzten die Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen geben wird. Voraussetzung dafür ist die sofortige Angleichung bei den Gesundheitsausgaben des Landes an den europäischen Durchschnitt, vor allem aber die Beendigung der europäischen Kriegswirtschaft und des Wettrüstens. „Und dabei muss die Linke mit Vorschlägen und Maßnahmen für die aktuelle Situation die Führung übernehmen“, schloss er.
Bei diesem Text handelt es sich um eine von Nadja Rakowitz mit Hilfe von KI aus dem Griechischen übersetzte und gekürzte Fassung des Textes von Stavroula Poulimeni: Αναζητώντας μια εναλλακτική στρατηγική για να κερδίσουμε το δικαίωμα στην υγεία, in: Alterthess vom 02.05.2025: https://alterthess.gr/anazitontas-mia-enallaktiki-stratigiki-gia-na-kerdisoyme-to-dikaioma-stin-ygeia/
Die komplette deutsche Fassung gibt es bei der Geschäftsstelle des vdää*