Rafae­la Voss über Gewalt unter Beschäf­tig­ten in Kran­ken­häu­sern

Wer hat noch nicht davon gehört – oder es viel­leicht schon selbst erlebt? Die Assis­tenz­ärz­tin, die von der Ober­ärz­tin vor dem gan­zen Team bloß­ge­stellt wird: »Benut­zen Sie end­lich Ihr nicht vor­han­de­nes Gehirn, wenn Sie den Pati­en­ten nicht umbrin­gen wol­len.« Der Chef­arzt, der der Psy­cho­lo­gin ein anzüg­li­ches »Kom­pli­ment« zu­raunt und der sie Tage spä­ter über­grif­fig anfasst. Oder der eska­lie­ren­de Moment im OP, bei dem nach viel Geschrei schluss­end­lich ein Skal­pell fliegt. Die meis­ten Stu­di­en und Berich­te zu Gewalt im Gesund­heits­we­sen the­ma­ti­sie­ren Gewalt von Patient*innen oder Ange­hö­ri­gen gegen­über medi­zi­ni­schem Per­so­nal. Hier­bei wird immer wie­der über einen angeb­li­chen Anstieg der Aggres­si­vi­tät gegen­über medi­zi­ni­schem Per­so­nal berich­tet und die Fäl­le medi­en­wirk­sam auf­ge­ar­bei­tet (1).

Aber auch Berich­te über Gewalt unter Beschäf­tig­ten des Gesund­heits­we­sens fin­den sich zuneh­mend in der deut­schen und euro­päi­schen Pres­se. So erreg­te der Fall eines HNO-Chef­arz­tes am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum des Saar­lan­des Auf­se­hen, der zunächst in ers­ter Instanz wegen sexu­el­ler Beläs­ti­gung einer Kol­le­gin ver­ur­teilt wur­de. Der Frei­spruch durch das Land­ge­richt ist aktu­ell nicht rechts­kräf­tig, da die Staats­an­walt­schaft Revi­si­on ein­leg­te (2). In Mün­chen läuft aktu­ell ein Pro­zess, bei dem eine lei­ten­de Ober­ärz­tin der Sport­kli­nik zunächst ver­setzt und dann ent­las­sen wur­de, nach­dem sie einen kör­per­li­chen Über­griff durch ihren Vor­ge­setz­ten gemel­det hat­te (3). In Groß­bri­tan­ni­en soll ein NHS-Chir­urg trotz beleg­ter Über­grif­fe zeit­wei­se beför­dert wor­den sein. Eine exter­ne Über­prü­fung sprach von einer »Kul­tur der Angst« (4). Recher­chen der ARD von 2023 zeich­ne­ten ein Bild aus Ein­schüch­te­rung, Repres­sa­li­en und feh­len­den Kon­se­quen­zen für über­grif­fi­ge Chef­ärz­te, das auf einen Nähr­bo­den für Schwei­gen beru­he (5).

In Anspie­lung auf den 1978 erschie­ne­nen Klas­si­ker »House of God« von Samu­el Shem, der die teils pre­kä­ren Ver­hält­nis­se in der ärzt­li­chen Wei­ter­bil­dung in den USA the­ma­ti­siert, wird hier­zu­lan­de vom »Haus der Demü­ti­gun­gen« gespro­chen: So wür­den Pfle­ge­kräf­te im OP von Chir­ur­gen häu­fig als »blöd«, »debil« oder »faul« bezeich­net. Für Ärzt*innen in Wei­ter­bil­dung wür­den öffent­li­che Schi­ka­nen wäh­rend der Visi­te zum Kli­nik­all­tag dazu­ge­hö­ren. (6). Eine aktu­el­le ZEIT-Repor­ta­ge schil­dert anhand von fünf Fall­ge­schich­ten Macht­miss­brauch, Mob­bing, Sexis­mus und Benach­tei­li­gung von Ärz­tin­nen – beson­ders Müt­tern – in deut­schen Kli­ni­ken, vor allem im OP-All­tag (7). Sol­che Berich­te sind kein Ein­zel­fall, son­dern Sym­pto­me einer Kul­tur in der Medi­zin, in der ver­ba­le, psy­chi­sche, kör­per­li­che und sexu­el­le Gewalt zwi­schen Kolleg*innen vor­kommt und gedul­det wird.

Doch gibt es belast­ba­re Daten und Stu­di­en zu Gewalt unter Beschäf­tig­ten des Gesund­heits­we­sens?

In Groß­bri­tan­ni­en erschüt­ter­te 2023 eine gro­ße Unter­su­chung der »Working Par­ty on Sexu­al Mis­con­duct in Sur­gery« (Bri­tish Jour­nal of Sur­gery): Nahe­zu zwei Drit­tel der Chir­ur­g­in­nen berich­te­ten von sexu­el­ler Beläs­ti­gung durch Kolleg*innen, knapp 30% von sexu­el­len Über­grif­fen (bis hin zu Ver­ge­wal­ti­gung) in den letz­ten fünf Jah­ren. Nur 16% mel­de­ten die Vor­fäl­le offi­zi­ell (8). Das Bild eines Sys­tems, das Täter statt Betrof­fe­ne schützt, ging durch die Pres­se – und führ­te zu Reform­druck (9). Eine Daten­grund­la­ge aus Deutsch­land stammt aus der Cha­ri­té (Stu­die »Watch–Protect–Prevent«): 70,7% der befrag­ten Ärz­tin­nen gaben min­des­tens ein­mal sexu­el­le Grenz­ver­let­zun­gen am Arbeits­platz an; 17–18% berich­te­ten von uner­wünsch­tem Kör­per­kon­takt. Frau­en waren signi­fi­kant häu­fi­ger betrof­fen (76% vs. 62% der Män­ner) (10, 11). Dass das The­ma kein Ein­zel­fall der Cha­ri­té ist, zei­gen Berich­te und Fol­ge­pro­jek­te der Gleich­stel­lungs­stel­le. Den­noch feh­len für Deutsch­land bis heu­te reprä­sen­ta­ti­ve, sek­tor­um­fas­sen­de Zah­len spe­zi­ell zu Beschäf­tig­ten-gegen-Beschäf­tig­te (12). Eine groß ange­leg­te aktu­el­le Quer­schnitts­stu­die aus dem Jahr 2025 zeigt, dass sexu­el­le Beläs­ti­gung in deut­schen Kran­ken­häu­sern sehr häu­fig ist. 74% der Ärz­tin­nen, 51% der Ärz­te, 77% der weib­li­chen Pfle­ge­fach­kräf­te und 68% der männ­li­chen Pfle­ge­kräf­te gaben an, sexu­el­le Beläs­ti­gun­gen schon erlebt zu haben. 93,5% die­ser Ärz­tin­nen und 85% der weib­li­chen Pfle­ge­kräf­te gaben an nur oder über­wie­gend durch Män­ner beläs­tigt wor­den zu sein. Weib­li­che Pfle­ge­kräf­te wer­den häu­fi­ger von Pati­en­ten beläs­tigt, Ärz­tin­nen häu­fi­ger von Kol­le­gen. Hier­bei gaben 44% der Ärz­tin­nen, die schon sexu­el­le Beläs­ti­gung erlebt hat­ten, an, von ihrem Vor­ge­setz­ten sexu­ell beläs­tigt wor­den zu sein. Männ­li­che Beschäf­tig­te wer­den in etwa gleich von allen Geschlech­tern sexu­ell beläs­tigt (13). Inter­na­tio­nal zei­gen sich eben­falls gewis­se Mus­ter: Eine Meta-Ana­ly­se fand Prä­va­len­zen von ver­ba­ler und psy­chi­scher Gewalt von rund 51% unter Ärzt*innen in Wei­ter­bil­dung. Gro­ße Stu­di­en in Schwe­den zei­gen hohe Raten von »Inci­vi­li­ty« und iden­ti­täts­ba­sier­ter Beläs­ti­gung, beson­ders bei Frau­en und Beschäf­tig­ten mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund; ein erheb­li­cher Teil der Vor­fäl­le kommt von Kolleg*innen (14, 15). Für die Chir­ur­gie bele­gen Daten aus Aus­tra­li­en und Neu­see­land seit Jah­ren hohe Raten von Dis­kri­mi­nie­rung, Mob­bing und sexu­el­ler Beläs­ti­gung – beim Groß­teil liegt ein Hier­ar­chie­ge­fäl­le zugrun­de, die Täter sind oft Vor­ge­setz­te (16).

EU-weit liegt das Gesund­heits- und Sozi­al­we­sen an der Spit­ze bei »adver­sen sozia­len Ver­hal­tens­wei­sen« (ver­ba­le Demü­ti­gung, uner­wünsch­te sexu­el­le Auf­merk­sam­keit, Mob­bing): Der Euro­found-Tele­fon-Sur­vey 202122 zeigt in die­sem Sek­tor durch­gän­gig höhe­re Expo­si­ti­on als in den meis­ten ande­ren Bran­chen; der Anteil der von sexu­el­ler Beläs­ti­gung Betrof­fe­nen liegt bei rund 3% (Jah­res­prä­va­lenz). Das Andro­hen von Gewalt ist deut­lich häu­fi­ger als z.B. in der Indus­trie (17). Die Dun­kel­zif­fer der Fäl­le von ver­ba­ler, phy­si­scher und sexu­el­ler Gewalt unter Beschäf­tig­ten des Gesund­heits­we­sens ist ver­mut­lich hoch. In der UK-Chir­ur­gie­stu­die mel­de­ten nur 16% der Betrof­fe­nen das Vor­komm­nis for­mell. In der NHS-Mit­ar­bei­ter­be­fra­gung 2023 gaben zwar mehr Beschäf­tig­te an, Vor­fäl­le zu mel­den, doch noch immer mel­de­ten über 100.000 Per­so­nen, die Belästigung/Mobbing erleb­ten, die­se nicht – teils aus Angst vor Nach­tei­len (18). Die DIS­DA­IN-Stu­die (2021) unter­such­te, wie häu­fig nega­ti­ve Arbeits­er­fah­run­gen (NWPEs) in der euro­päi­schen Chir­ur­gie auf­tre­ten – u.a. Mob­bing, Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Her­kunft oder Geschlecht sowie sexu­el­le Beläs­ti­gung wur­den ana­ly­siert. Frau­en und Ärzt*innen in Wei­ter­bil­dung erleb­ten bzw. beob­ach­te­ten signi­fi­kant häu­fi­ger Geschlech­ter­dis­kri­mi­nie­rung und sexu­el­le Beläs­ti­gung. 20% dach­ten wegen NWPEs ans Auf­hö­ren, 4,5% nah­men Aus­zei­ten, 0,5% ver­lie­ßen die Chir­ur­gie. 12,9% der Frau­en vs. 4,4% der Män­ner berich­te­ten über kör­per­li­che Beläs­ti­gung, die ihnen per­sön­lich wider­fah­ren ist. Über 50% mel­de­ten die Vor­fäl­le nicht. Als häu­figs­ter Grund wur­de ange­ge­ben, dass man nicht wuss­te, an wen man sich wen­den kön­ne. Nahe­zu ein Fünf­tel der Befrag­ten mein­ten, NWPEs hät­ten nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf Patient*innenversorgung/Outcomes. (19). Der Arti­kel der Sun­day Times »Toxic work cul­tu­re in the NHS is a mat­ter of life and death« kon­sta­tiert, wie z.B. Mob­bing und schlech­te Füh­rung zu inef­fi­zi­en­tem Arbei­ten und psy­chi­scher Belas­tung der Mit­ar­bei­ten­den füh­ren und letzt­end­lich die Patient*innensicherheit gefähr­den (20).

Die Aus­prä­gun­gen von Gewalt im Gesund­heits­we­sen sind unter­schied­li­cher Natur

Ver­ba­le Abwer­tun­gen, Anschrei­en vor dem Team und Demü­ti­gun­gen sind am häu­figs­ten und wer­den oft baga­tel­li­siert – obwohl sie Team­leis­tung und Pati­en­ten­si­cher­heit mess­bar unter­gra­ben. In OP-Teams wer­den das Wer­fen von Instru­men­ten und kör­per­li­che Grenz­ver­let­zun­gen doku­men­tiert. Sexu­el­le Beläs­ti­gung reicht von anzüg­li­chen Kom­men­ta­ren und »Wit­zen« bis zu uner­wünsch­tem Kör­per­kon­takt, Nöti­gung oder Ver­ge­wal­ti­gung (8, 21). Doch wer ist beson­ders davon betrof­fen? Frau­en, Berufseinsteiger*innen und Per­so­nen aus unter­re­prä­sen­tier­ten Grup­pen (z.B. mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund) berich­ten signi­fi­kant häu­fi­ger von Beläs­ti­gung und Dis­kri­mi­nie­rung (22). Auch Pfle­ge­kräf­te sind stark expo­niert. Die Cha­ri­té-Daten zei­gen höhe­re Raten bei Ärz­tin­nen (ein­schließ­lich Füh­rungs­ebe­nen). Schwe­di­sche Stu­di­en bele­gen erhöh­te Raten bei außer­halb Euro­pas gebo­re­nen Pfle­ge­kräf­ten und Ärzt*innen (11, 23). So berich­tet auch ein aktu­el­ler Arti­kel im Deut­schen Ärz­te­blatt: Dis­kri­mi­nie­rung sei kein Rand­phä­no­men, son­dern Teil eines Sys­tems, das Men­schen an ihrer Wei­ter­ent­wick­lung hin­de­re. Beson­ders Frau­en wür­den Dis­kri­mi­nie­rung erle­ben – beim Berufs­ein­stieg, in der Wei­ter­bil­dung, beim Wie­der­ein­stieg nach der Eltern­zeit oder auf dem Weg in lei­ten­de Posi­tio­nen. Sexis­mus im Kran­ken­haus schwe­le schon seit lan­ger Zeit, wer­de aber noch immer viel zu oft ver­drängt, ins­be­son­de­re im OP. Ärz­tin­nen wür­den von sexua­li­sier­ter Beläs­ti­gung, von ent­wür­di­gen­den Kom­men­ta­ren, von Grenz­über­schrei­tun­gen mit­ten im Arbeits­all­tag berich­ten. Sie berich­ten von Hier­ar­chien, in denen Weg­se­hen leich­ter ist als Ein­grei­fen und in denen Macht manch­mal wich­ti­ger zu sein scheint als Hal­tung (24).

Die Medi­zin arbei­tet tra­di­tio­nell und in Deutsch­land beson­ders in stei­len Hier­ar­chien. Das beför­dert eine »Name-Blame-Shame«-Culture, in der Kri­tik nach unten dele­giert und Feh­ler ver­tuscht wer­den – statt eine »Just Cul­tu­re« zu för­dern, die aus Feh­lern lernt.

Die Grün­de für das Vor­kom­men von Gewalt unter Beschäf­tig­ten im Gesund­heits­we­sen sind viel­schich­tig. Die Medi­zin arbei­tet tra­di­tio­nell und in Deutsch­land beson­ders in stei­len Hier­ar­chien. Das beför­dert eine »Name-Blame-Shame«-Culture, in der Kri­tik nach unten dele­giert und Feh­ler ver­tuscht wer­den – statt eine »Just Cul­tu­re« zu för­dern, die aus Feh­lern lernt. Angst vor Kar­rie­re­knick, Rota­ti­ons­ab­hän­gig­keit und Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se (OP-Zutei­lung, Refe­ren­zen) hal­ten Betrof­fe­ne wie Zeug*innen vom Mel­den ab (25). Der Mythos der unfehl­ba­ren »Halb­göt­ter in Weiß« trägt dazu bei, Macht­asym­me­trien zu nor­ma­li­sie­ren und Grenz­über­schrei­tun­gen als »rau­en Ton« oder »Genie-Lau­nen« abzu­tun. Fach­bei­trä­ge und his­to­ri­sche Ana­ly­sen zei­gen, wie die­ses Rol­len­bild bis heu­te nach­wirkt – obwohl es in der jün­ge­ren Gene­ra­ti­on an Glanz ver­liert (26). In Daten aus Groß­bri­tan­ni­en berich­ten Beschäf­tig­te aus­drück­lich von Angst vor Repres­sa­li­en; nur etwa die Hälf­te gibt an, Vor­fäl­le zu mel­den (27). Das deckt sich mit Befun­den aus der Chir­ur­gie, wo eine mas­si­ve Unter­be­richt­erstat­tung ver­mu­tet wird (18). 

War­um scheint Gewalt in der Chir­ur­gie beson­ders häu­fig zu sein?

Trotz des Wan­dels in den letz­ten Jah­ren herr­schen in vie­len Ope­ra­ti­ons­sä­len immer noch die tra­di­tio­nell aus­ge­präg­ten pater­na­lis­ti­schen Macht­struk­tu­ren, an deren Spit­ze unan­ge­foch­ten der Chir­urg zu ste­hen glaubt. Die »Rang­ord­nung« könn­te sich auch aus der Tat­sa­che erge­ben, dass der Chir­urg oft über län­ge­re Erfah­rung ver­fügt und der Kli­nik die meis­ten Ein­nah­men ver­schafft. Laut Per­sön­lich­keits­stu­di­en hät­ten Chir­ur­gen in aller Regel extro­ver­tier­te Cha­rak­ter­zü­ge und wür­den über ein stark aus­ge­präg­tes Ego ver­fü­gen. Sie wür­den sich weni­ger kon­zi­li­ant und ver­träg­lich als Medi­zi­ner ande­rer Fach­ge­bie­te ver­hal­ten (21). Und eine offen­sicht­li­che Tat­sa­che ist zu beden­ken: Die Chir­ur­gie hat immer noch einen grö­ße­ren Män­ner­an­teil – und Män­ner sind laut den Stu­di­en bekannt­lich deut­lich häu­fi­ger Täter (13).

Was kön­nen Kli­ni­ken tun, um Gewalt unter Mit­ar­bei­ten­den zu ver­hin­dern?

Deutsch­land hat 2023 das ILO (Inter­na­tio­nal Labour Organization)-Übereinkommen Nr. 190 (»Arbeits­welt ohne Gewalt und Beläs­ti­gung«) rati­fi­ziert. Es ver­pflich­tet Arbeit­ge­ber zu prä­ven­ti­ven, geschlech­ter­ge­rech­ten Schutz­sys­te­men (28). Von der WHO gibt es in Zusam­men­ar­beit mit der ILO kon­kre­te Leit­li­ni­en für Gewalt­prä­ven­ti­on im Gesund­heits­sek­tor (29). Wei­ter­hin soll­ten kla­re Stan­dards sowie eine Null­to­le­ranz-Poli­tik imple­men­tiert wer­den. Es müs­sen kla­re Ver­hal­tens­re­geln gegen verbale/psychische/physische/sexuelle Gewalt, mit abge­stuf­ten, kon­se­quent ange­wen­de­ten Sank­tio­nen geben. Unver­zicht­bar sind nied­rig­schwel­li­ge, unab­hän­gi­ge Mel­de­sys­te­me mit gege­be­nen­falls anony­men Kanä­len, Ver­trau­lich­keit sowie Schutz vor nega­ti­ven Kon­se­quen­zen im Berufs­all­tag und in der Kar­rie­re (29). Auch Füh­rungs­kräf­te­trai­nings oder ver­bind­li­che Schu­lun­gen zu Grenz­ver­let­zun­gen, Mikro­ag­gres­sio­nen und siche­rer Inter­ven­tio­nen – Pro­gram­me wie »Ope­ra­ting with Respect« – zei­gen Wirk­sam­keit, wenn die Füh­rung sie mit­trägt (30). Hilf­reich für eine Ver­bes­se­rung der Atmo­sphä­re sind z.B. regel­mä­ßi­ge Team-Refle­xio­nen (»Feh­ler der Woche«), 360-Grad-Feed­back, Super­vi­si­on – mit expli­zi­tem Schutz vor Schuld­zu­wei­sun­gen (25). Frau­en und Min­der­hei­ten soll­ten gezielt geför­dert wer­den (Men­to­ring, siche­re Kar­rie­re­we­ge, fami­li­en­freund­li­che Diens­te), denn Ungleich­heit erhöht das Risi­ko für Gewalt. Ins­ge­samt sind kon­se­quen­tes Moni­to­ring und Trans­pa­renz not­wen­dig – sowohl kli­nik­in­tern als auch lan­des­weit. Reprä­sen­ta­ti­ve, lan­des­wei­te Zah­len nur für inner­be­trieb­li­che Gewalt feh­len hier­zu­lan­de bis­her. Es könn­ten z.B. jähr­li­che (anony­me) Befra­gun­gen getrennt nach Täter­schaft (Kolleg*in/Vorgesetzter vs. Patient*in/Angehörige) durch­ge­führt wer­den. Die WHO/ILO emp­feh­len genau sol­che sys­te­ma­ti­schen Erhe­bun­gen und Pro­gram­me (29).

Zusam­men­fas­send ist Gewalt unter Beschäf­tig­ten ein struk­tu­rel­les Pro­blem. Erfor­der­lich sind eine sys­te­ma­ti­sche Daten­er­he­bung und kon­se­quen­te Gegen­maß­nah­men. Das erhöht die Sicher­heit für Beschäf­tig­te und Patient*innen.

Rafae­la Voss ist Ärz­tin in Wei­ter­bil­dung für Neu­ro­lo­gie und mehr­jäh­ri­ges Mit­glied des vdä* sowie des Redak­ti­ons­teams der »Gesund­heit braucht Poli­tik«.

Lite­ra­tur­lis­te

  1. https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/gewalt-gegen-aerzte-
    nimmt-zu-wartezimmer-100.html
  2. https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/revision_gegen_freispruch_
    ehemaliger_chefarzt_hno-klinik_homburg_100.html
  3. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/tu-muenchen-sportcampus-verfahren-
    zu-uebergriffs-vorwuerfen-li.3294798?reduced=true
  4. https://usnews.be/surgeon-at-nhs-hospital-promoted-despite-allegedly-assaulting-staff
  5. https://www.ardmediathek.de/video/report-mainz/report-mainz-ausgeliefert-
    die-macht-der-chef­aerz­te/s­wr/Y3­JpZ­Do­v­L3N3ci5kZS9h­ZXgvbzIxN­jI3ODc
  6. https://www.doccheck.com/de/detail/articles/13652-klinikhierarchien-haus-der-demuetigung
  7. https://www.zeit.de/arbeit/2025–07/arbeitsbedingungen-krankenhaeuser-
    aerz­te-frau­en-dis­kri­mi­nie­rung
  8. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37697690/
  9. https://www.theguardian.com/society/2023/sep/12/female-surgeons-nhs-
    sexually-assaulted-metoo?trk=public_post_comment-text
  10. https://link.springer.com/article/10.1007/s15012-019‑2960‑5
  11. https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/34888/Dissertation_
    Djermester.pdf?isAllowed=y&sequence=1
  12. https://frauenbeauftragte.charite.de/projekte/watch_protect_prevent/literatur_zum_thema
  13. https://www.zm-online.de/news/detail/studie-sexuelle-belaestigung-
    ist-haeu­fig-in-deut­schen-kran­ken­haeu­sern
  14. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10345236/ 
  15. https://bmchealthservres.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12913-025–12620‑0
  16. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26510837/
  17. https://www.eurofound.europa.eu/en/violence-and-harassment‑1
  18. https://nationalguardian.org.uk/wp-content/uploads/2024/07/2024-NSS-2023-report.pdf
  19. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34189560/
  20. https://www.thetimes.com/uk/scotland/article/toxic-work-culture-in-the-nhs-
    is-a-mat­ter-of-life-and-death-jmls­r0ccb
  21. https://www.welt.de/wissenschaft/article160917439/Mobbing-im-OP-Ego-Krieg-der-Aerzte.html
  22. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37443455/
  23. https://bmchealthservres.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12913-025–12620‑0
  24. https://www.aerzteblatt.de/news/johna-sexismus-und-diskriminierung-
    wider­spre­chen-arzt­li­chem-han­deln-2569f124-ea76-4f0f-9f08-ff04­d475371b
  25. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10361823/
  26. https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/redaktion/personalmanagement-
    der-halb­gott-weiss-hat-sei­ne-fas­zi­na­ti­on-ver­lo­ren
  27. https://www.theguardian.com/society/
    2025/­jul/31/­staff-fear­ful-of-repri­sals-if-they-speak-up-amid-hos­pi­tal-inves­ti­ga­ti­on-report-finds
  28. https://www.ilo.org/resource/news/germany-ratifies-convention-c190-violence-
    and-harass­ment-world-work
  29. https://www.who.int/publications/i/item/9221134466
  30. https://www.publish.csiro.au/AH/pdf/AH24104
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