Soli­da­ri­tät statt Schwei­gen: “Wir zei­gen Gesicht – Gesund­heit für Gaza”


Wir unter­stüt­zen gemein­sam mit IPPNW, med­ico inter­na­tio­nal, gesundheit4palestine und Walk of Care die Akti­on „Wir zei­gen Gesicht – Gesund­heit für Gaza“ von Ärzt*innen und Mit­ar­bei­ten­den des Gesund­heits­we­sens aus Deutsch­land. Im Fol­gen­den doku­men­tie­ren wir ihren Auf­ruf.

Sehr geehr­te Kolleg*innen,

wir sind tief erschüt­tert über die Kriegs­ver­bre­chen und die sich täg­lich zuspit­zen­de huma­ni­tä­re Not­la­ge in Gaza. Als Ärzt*innen, Pfle­gen­de, Therapeut*innen, Wissenschaftler*innen, Stu­die­ren­de und Aus­zu­bil­den­de des Gesund­heits­sys­tems in Deutsch­land kön­nen und wol­len wir nicht län­ger schwei­gen.

Wir ver­ur­tei­len die geziel­ten Angrif­fe auf unse­re Kolleg*innen und Gesund­heits­ein­rich­tun­gen vor Ort aufs Schärfs­te und rufen alle Mit­ar­bei­ten­den des Gesund­heits­sys­tems in Deutsch­land dazu auf, aktiv Soli­da­ri­tät zu zei­gen und gemein­sam Hal­tung zu zei­gen.

Laut UN ver­folgt Isra­el „eine kon­zer­tier­te Poli­tik zur Zer­stö­rung des Gesund­heits­sys­tems (…) als kol­lek­ti­ve Bestra­fung der Paläs­ti­nen­ser im Gaza­strei­fen“ [1]. Berich­te von UN, WHO und NGOs wie Ärz­te ohne Gren­zen bele­gen:

  • Kran­ken­häu­ser wer­den gezielt bom­bar­diert,
  • medi­zi­ni­sches Per­so­nal wird miss­han­delt, inhaf­tiert oder getö­tet,
  • Patient*innen wer­den beim Auf­su­chen von Kran­ken­ver­sor­gung ermor­det,
  • unter Kli­ni­ken wer­den Mas­sen­grä­ber aus­ge­ho­ben[2][3][4].

Die Lebens­er­war­tung ist in den ers­ten 12 Mona­ten des Krie­ges um 34,9 Jah­re gefal­len [5]. Nir­gend­wo auf der Welt sind mehr tote Kin­der zu bekla­gen, in kei­nem ande­ren bewaff­ne­ten Kon­flikt unse­rer Zeit müs­sen so vie­len Kin­dern Glied­ma­ßen ampu­tiert wer­den, jedes drit­te lei­det an Unter­ernäh­rung [6][7][8]. Mehr als die Hälf­te aller Kli­ni­ken und Gesund­heits­zen­tren sind mitt­ler­wei­le zer­stört [9]. Die Ver­sor­gung chro­nisch Kran­ker ist durch die Blo­cka­de drin­gend benö­tig­ter Medi­ka­men­te nahe­zu zusam­men­ge­bro­chen [10]. Infek­ti­ons­krank­hei­ten wie Durch­fall­erkran­kun­gen, Atem­wegs­in­fek­te, Menin­git­i­den oder lebens­be­droh­li­che neu­ro­lo­gi­sche Kom­pli­ka­tio­nen (z. B. Guil­lain-Bar­ré-Syn­drom) brei­ten sich dra­ma­tisch aus [11].

Par­al­lel zer­stört Isra­el gezielt alle wei­te­ren Struk­tu­ren, die die Grund­la­ge für Leben und Gesund­heit sind: Wohn­ge­bäu­de, Märk­te, Bil­dungs­ein­rich­tun­gen, Agrar­flä­chen sowie die Was­ser- und Strom­ver­sor­gung. Hun­ger und Durst wer­den als Waf­fe ein­ge­setzt.

Die­se Ver­bre­chen ver­sto­ßen gegen das Völ­ker­recht und die Gen­fer Kon­ven­tio­nen, die Zivilist*innen und medi­zi­ni­sches Per­so­nal in bewaff­ne­ten Kon­flik­ten schüt­zen sol­len. Isra­els jahr­zehn­te­lan­ge Besat­zung von Gaza und dem West­jor­dan­land, ein­schließ­lich Ost­je­ru­sa­lem ist laut Urteil des Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof (IGH) ille­gal und ver­stößt gegen das Völ­ker­recht und das Ver­bot ras­sis­ti­scher Segre­ga­ti­on bzw. von Apart­heid [12].

Das Vor­ge­hen der israe­li­schen Regie­rung in Gaza wird von Expert*innen inzwi­schen als Geno­zid ein­ge­stuft [13][14]. Der IGH hat gegen Isra­el das Ver­fah­ren wegen Völ­ker­mord ein­ge­lei­tet, der Inter­na­tio­na­le Straf­ge­richts­hof (IStGH) Haft­be­fehl gegen Ben­ja­min Netan­ja­hu erlas­sen.

Deutsch­land trägt Mit­ver­ant­wor­tung: Neben den USA unter­stützt kein Land die israe­li­sche Regie­rung so umfas­send mili­tä­risch, poli­tisch und finan­zi­ell wie die Bun­des­re­pu­blik.

Wir alle haben einen Beruf gewählt, der dem Schutz von Gesund­heit und Leben ver­pflich­tet ist. Unse­re mora­li­sche Inte­gri­tät, Mensch­lich­keit und Völ­ker­recht sind kei­ne abs­trak­ten Prin­zi­pi­en, sie for­dern unser akti­ves Han­deln. „Nie wie­der“ heißt für uns: Nie wie­der Weg­se­hen bei Unter­drü­ckung oder Tötung von Men­schen auf­grund ihrer Her­kunft oder ihrer Reli­gi­on. Wir ver­ur­tei­len Kriegs­ver­bre­chen auf allen Sei­ten. Doch ange­sichts der Mas­sen­tö­tun­gen und der sys­te­ma­ti­schen Zer­stö­rung in Gaza rich­ten wir unse­re Haupt­kri­tik an die israe­li­sche Regie­rung und ihre inter­na­tio­na­len Unterstützer*innen.

Wir rufen zur Soli­da­ri­tät mit der paläs­ti­nen­si­schen Zivil­be­völ­ke­rung und unse­ren Kolleg*innen in Gaza auf. Wir for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, ihre Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und Deutsch­land nicht län­ger zum Kom­pli­zen zu machen.

So kön­nen Sie sich betei­li­gen

Zei­gen Sie Gesicht: Sen­den Sie uns ein Foto von Ihnen oder Ihrem Team mit einem Schild, das Ihre Bot­schaft an die Bun­des­re­gie­rung und/oder die Men­schen in Gaza zeigt. Bit­te tei­len Sie uns mit, ob wir Ihren Namen und Ihre Funk­ti­on ver­öf­fent­li­chen dür­fen.

Die Fotos ver­öf­fent­li­chen wir im Rah­men der Social-Media-Akti­on „Wir zei­gen Gesicht – Gesund­heit für Gaza“.

Unse­re For­de­run­gen an die Bun­des­re­gie­rung:

  1. Gesund­heits­ver­sor­gung schüt­zen – Angrif­fe ver­ur­tei­len
    Ver­tei­di­gen Sie das huma­ni­tä­re Völ­ker­recht, ins­be­son­de­re Arti­kel 18 der Gen­fer Kon­ven­ti­on. Ver­ur­tei­len Sie die geziel­te Zer­stö­rung von Gesund­heits­ein­rich­tun­gen und medi­zi­ni­schem Per­so­nal klar und öffent­lich und knüp­fen Sie dar­an poli­ti­sche Kon­se­quen­zen.
  2. Medi­zi­ni­sche Hil­fe ermög­li­chen – Eva­ku­ie­rung und Ver­sor­gung sicher­stel­len
    Set­zen Sie sich für die sofor­ti­ge Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung in Gaza ein. Das heißt: Ent­sen­dung medi­zi­ni­scher Teams, Lie­fe­run­gen huma­ni­tä­rer und medi­zi­ni­scher Güter, sowie Eva­ku­ie­rung von Schwer­ver­letz­ten – in Zusam­men­ar­beit mit inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen.
  3. Kei­ne Waf­fen für Kriegs­ver­bre­chen – mili­tä­ri­sche Koope­ra­ti­on been­den
    Been­den Sie jeg­li­che mili­tä­ri­sche Zusam­men­ar­beit mit der israe­li­schen Regie­rung, ein­schließ­lich Rüs­tungs­expor­ten und ent­spre­chen­den Aus­bil­dungs- und For­schungs­pro­gram­men.
  4. Waf­fen­still­stand durch­set­zen – Unge­hin­der­ter Zugang huma­ni­tä­rer Orga­ni­sa­tio­nen
    Set­zen Sie sich mit allen poli­ti­schen Mit­teln für einen sofor­ti­gen und dau­er­haf­ten Waf­fen­still­stand in Gaza und für einen unge­hin­der­ten Zugang durch geeig­ne­te huma­ni­tä­re Orga­ni­sa­tio­nen (u.a. UNRWA, MSF) ein. Kei­ne mili­ta­ri­sier­te Ver­sor­gung durch die soge­nann­te Gaza Huma­ni­ta­ri­an Foun­da­ti­on.
  5. Inter­na­tio­na­le Gerichts­bar­keit respek­tie­ren – Rechts­staat­lich­keit sichern
    Erken­nen Sie unein­ge­schränkt die Zustän­dig­keit inter­na­tio­na­ler Gerich­te an. Unter­stüt­zen Sie die straf­recht­li­che Auf­ar­bei­tung von Kriegs­ver­bre­chen, unab­hän­gig von den betei­lig­ten Staa­ten. For­dern Sie ein Ende der Besat­zung und erken­nen Sie Paläs­ti­na als Staat an.
  6. Grund­rech­te in Deutsch­land schüt­zen – Kri­tik und Pro­test nicht kri­mi­na­li­sie­ren
    Wah­ren Sie die Meinungs‑, Ver­samm­lungs- und Wis­sen­schafts­frei­heit. Been­den Sie die Repres­sio­nen gegen paläs­ti­na­so­li­da­ri­sche Stim­men und die Ein­schrän­kung legi­ti­mer Kri­tik in Deutsch­land.

#gaza

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