Berliner Senat, Bundeswehr und die Berliner Krankenhausgesellschaft bereiten Beschäftigte auf den Krieg vor
von Mario Kunze
Am 21.07.2025 fand am Campus Mitte der Charité eine Veranstaltung unter dem Motto »Zivile Verteidigung der Berliner Krankenhäuser« statt. Veranstalter waren der Berliner Senat, die Bundeswehr und die Berliner Krankenhausgesellschaft. Obwohl sich diese Veranstaltung angeblich an „alle Beschäftigten der Berliner Krankenhäuser“ richtete, wollte man vermutlich unter sich bleiben, denn großartig beworben wurde die Veranstaltung nicht. Aus gutem Grund, wie sich herausstellte.
Man betonte zwar, dass sich das Gesundheitswesen auf alle möglichen Fälle von Katastrophen besser vorbereiten müsste, aber schon die Anwesenheit eines »Verbindungsoffiziers« der Bundeswehr in trauter Gemeinsamkeit mit dem Berliner Senat und der Berliner Krankenhausgesellschaft machte deutlich wohin die Reise gehen sollte. Und so stand die gesamte Veranstaltung eher unter dem Motto der Kriegsertüchtigung der Krankenhäuser. Zu keiner Zeit hatte der Zuhörer den Eindruck, dass es sich um theoretische Planspiele handelte, sondern hier wurde versucht, mittels Halbwahrheiten und ausgemachtem Schwachsinn, »Fakten« im Sinne einer Kriegshysterie zu schaffen, die stark an die Berichte vor den letzten beiden Weltkriegen erinnerte.
Politoffizier Oberst Urs Zimmermann sprach vom Narrativ der russischen Regierung, die mittels einer bewaffneten Bedrohung durch die NATO der Bevölkerung Russlands erklären wolle, nun unbedingt aufrüsten zu müssen. Den Russen würde man erklären, sie wären von der NATO umzingelt. Was bei dem geringen Grenzverlauf in Europa ja Quatsch wäre. Dass die USA Teil der NATO sind und weltweit (auch rund um Russland) Militärstützpunkte betreiben, verschwieg er. Das Bedrohungsszenario, welches er mit Schaubildern skizzierte, war für die Anwesenden nicht nachprüfbar und wird denen in Russland spiegelverkehrt gleichen. Er sprach von der »Ostflanke«, selbst der Begriff »Ostfront« fiel auf dieser Veranstaltung.
Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft erklärte anschließend, dass er den Bericht schon viermal gesehen hätte und jedes Mal begeistert war. Er bereitete die Zuhörerschaft auf »ähnliche« Herausforderungen wie in Pandemiezeiten vor und sprach davon, dass »den niedergelassenen Ärzten das Kommittent abgerungen wurde«, dass nur noch zwingend notwendige selektive stationäre Einweisungen in Berliner Krankenhäuser stattfinden sollen. Schließlich rechne Berlin mit 100 Schwerverletzten pro Tag und deutschlandweit mit 1,8 Millionen Flüchtlingen. Man würde Erhebungen vorbereiten, die deutlich machen, mit welchem Personal man im Kriegsfall an den Berliner Krankenhäusern rechnen könne und er hoffe, dass nun – in diesem Zuge – auch wieder in die Infrastruktur der Krankenhäuser investiert wird. Bei den 1,8 Millionen Flüchtlingen gibt es nach seinen Worten noch die »Besonderheit«, dass es sich um EU-Bürger handelt. Diese hätten besondere Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf medizinische Versorgung. Allgemein freue er sich darüber, dass man dieses Thema nun mit den Beschäftigten diskutieren könne.
Die anwesende Senatsangestellte war dann für die »Rechtssicherheit« der Kriegsertüchtigung zuständig. Noch Ende dieses Jahres rechne man mit dem »Gesundheitsversorgungssicherungsgesetz«, in dem z.B. Zuständigkeiten geklärt werden. Man prüfe alternative und provisorische Lazarette, wie zum Beispiel in Tiefgaragen oder am Berliner Flughafen. Was das für Beschäftigte im Gesundheitswesen bedeute und wie für diese gesorgt wird, machte eine Kollegin der Arbeitsgruppe »Zivile Verteidigung der Krankenhäuser« deutlich. Sie sprach von Doppelverplanung der Kolleginnen und Kollegen. Zur besseren Verfügbarkeit wolle man sich um KITA-Plätze bemühen. Als Tipp für die eigene Resilienz (Widerstandsfähigkeit) empfahl sie z.B. aufs Fahrrad umzusteigen. So wäre man auch bei Ausfällen des öffentlichen Nahverkehrs mobiler. Sport, Yoga durften als Tipp nicht fehlen.
Das Fazit der Veranstaltung lässt sich in ein paar Worten zusammenfassen: Sie bereiten tatsächlich den großen Krieg vor. Sie befürchten ihn nicht, sie wollen ihn.
Das Fazit der Veranstaltung (welche nun dreimal im Jahr abgehalten werden soll – nächster Termin im November) lässt sich in ein paar Worten zusammenfassen: Sie bereiten tatsächlich den großen Krieg vor. Sie befürchten ihn nicht, sie wollen ihn. Auch wenn der Großteil der Zuhörerschaft eher paralysiert bis entsetzt war, es gab auch Widerstand. Eine Gruppe junger Mediziner und Medizinerinnen kaperten kurzzeitig die Veranstaltung und verlasen eine folgende Protestnote. (siehe Kasten). Ihnen gilt nicht nur mein persönlicher Dank, sondern auch das Versprechen noch lauter und vereinter gegen die Kriegsgeilheit vorzugehen.
Dokumentiert: Wir verlassen den Raum, unser Protest bleibt.
Redebeitrag vom 21.07.2025
Wir unterbrechen die Veranstaltung an dieser Stelle, um kritisch auf das zu blicken, was hier heute passiert. Denn die fortschreitende Verzahnung zwischen Gesundheitswesen und Bundeswehr, ist gefährlich, ist Teil der Kriegslogik.
Ihr glaubt vielleicht, eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr kann im schlimmsten Fall – dem Kriegsfall – helfen, mehr Menschen zu retten. Ihr denkt vielleicht, was Ihr heute hier macht, ist reine Notfallprävention. Ihr irrt Euch. Jede Vorbereitung, die von der Möglichkeit des kommenden Krieges ausgeht, bereitet ihn bereits logistisch vor, normalisiert ihn und erhöht unsere Bereitschaft, ihn auch zu führen. Wenn wir beginnen, den Krieg einzuplanen, uns für ihn zu wappnen – dann haben wir ihn schon akzeptiert.
Veranstaltungen wie diese heute dienen also nicht einer »krisenfesteren Gesundheitsinfrastruktur«, nein, sie arbeiten genau auf diese Krisen, diesen Krieg zu, sie macht diesen Krieg denkbarer, sagbarer, führbarer. Einen Krieg, der mit modernen Massenvernichtungs- und Atomwaffen geführt werden würde. Ein Krieg, solchen Ausmaßen, dass Ihr, das wir seinen Opfern nicht helfen können.
Wir, als Mitarbeitende des Gesundheitssystems, als Patient*innen, als Angehörige verweigern uns einer Zusammenarbeit mit Kriegsakteur*innen.
Hört auf, unter dem Deckmantel der Prävention den nächsten Krieg vorzubereiten! Lasst uns mit politischem und sozialem Widerstand gegen eine Ausbreitung des globalen Kriegsgeschehens arbeiten! Wir fordern, mit bestehenden Ressourcen eine solidarische und gesamtgesellschaftliche Gesundheitsversorgung zu gewährleisten!
Wir haben gesagt, was gesagt werden musste. Wir verlassen den Raum, unser Protest bleibt.
(Quelle: Vorabdruck aus Soziale Politik & Demokratie, Nr. 533, https://sopode.info/2025/08/18/kriegsvorbereitung-im-gesundheitswesen-ruft-bei-beschaftigten-entsetzen-und-protest-hervor/)