Eine gute Gesund­heits­ver­sor­gung nur noch für Men­schen, die es sich leis­ten kön­nen?


Und täg­lich grüßt das Mur­mel­tier

Die Fra­ge stellt sich fast täg­lich, wenn wir poli­ti­schen Akteur*innen ein Gehör schen­ken. Anfang Sep­tem­ber for­dert der Haupt­ge­schäfts­füh­rer der Nie­der­sach­sen­me­tall, Vol­ker Schmidt, dass Patient*innen ihre Behand­lungs­kos­ten vor­schie­ßen sol­len, weil sie so bes­ser Kos­ten­be­wusst­sein ent­wi­ckel­ten. Die von ihm wie selbst­ver­ständ­lich ange­nom­me­ne – äußerts frag­wür­di­ge – Vor­aus­set­zung ist, dass Patient*innen das Sys­tem oft nur des­halb in Anspruch näh­men, weil es nichts kos­te.

Wohin wird das füh­ren, wenn es umge­setzt wird? Behand­lun­gen wer­den nicht wahr­ge­nom­men und Behand­lun­gen wer­den auf­ge­scho­ben – dies vor allem bei den­je­ni­gen, die es sich nicht leis­ten kön­nen. Dar­über hin­aus wird es zu einem wei­te­ren rie­si­gen Büro­kra­tie­auf­bau inner­halb der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen kom­men, wenn Rech­nun­gen über­prüft wer­den müs­sen, um die Kos­ten an die Patient*innen zurück­zu­er­stat­ten. Und man kann auch fra­gen, ob die Kas­sen dann tat­säch­lich alles bezah­len wer­den oder ob dann auch hier ein Kos­ten­spar-Mecha­nis­mus ein­rei­ßen wird.

Zuvor war es der BDA-Geschäfts­füh­rer Stef­fen Kam­pe­ter, der eine Kon­takt­ge­bühr für Patient*innen for­dert. Die­se soll bei jedem Kon­takt mit Ärzt*innen bezahlt wer­den. (Ver­ges­sen hat er dabei wohl die Situa­ti­on, dass auch Patient*innen von Ärzt*innen ein­be­stellt wer­den.) Für den Gesund­heits­öko­nom Boris Augurz­ky muss die Dämp­fung der Kos­ten­an­stie­ge „obers­te Prio­ri­tät“ haben. Er hält eine Dis­kus­si­on über „sozi­al gestaf­fel­te Eigen­be­tei­li­gung“ für gebo­ten. Bun­des­kanz­ler Fried­rich März ver­all­ge­mei­nert die­se Argu­men­ta­ti­ons­rich­tung gleich auf den gan­zen Sozi­al­staat: „Der Sozi­al­staat, wie wir ihn heu­te haben, ist mit dem, was wir volks­wirt­schaft­lich leis­ten, nicht mehr finan­zier­bar.“

Es gibt Stim­men, die dem wider­spre­chen, und der vdää* ist eine davon – auch in Zukunft. Unse­re Ant­wort: Den Sozi­al­staat muss man sich leis­ten wol­len. Und das wol­len wir!

Wir for­dern die Ein­füh­rung der soli­da­ri­schen Bürger*innenversicherung mit der Ver­bei­tra­gung aller Ein­kom­men und Ein­kom­mens­ar­ten und die Auf­he­bung der Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze. Das glei­che Prin­zip soll für die Pfle­ge­ver­si­che­rung ein­ge­führt wer­den. So wür­de der Reich­tum in die­ser Gesell­schaft gleich­mä­ßi­ger auf alle Schul­tern ver­teilt und die Bei­trags­sät­ze könn­ten sin­ken – übri­gens auch für die Arbeit­ge­ber!

Auf der Ver­sor­gungs­sei­te for­dern wir eine Ent­öko­no­mi­sie­rung des Gesund­heits­we­sens, damit Patient*innen ohne wirt­schaft­li­chen Druck ver­sorgt wer­den und nicht die Leis­tung erbracht wird, die am meis­ten Geld ein­bringt. Wir brau­chen den Aus­bau eines (non­pro­fit) Pri­mär­ver­sor­gungs­sys­tems und des öffent­li­chen Gesund­heits­diens­tes. Anstatt an klei­nen Stell­schrau­ben zu dre­hen, die die Ver­si­cher­ten und – noch schlim­mer – die Patient*innen tref­fen und ihre gute Ver­sor­gung gefähr­den, braucht es tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen: Es soll­te kei­ne Gewin­ne mit Gesund­heit gene­riert wer­den.

Main­tal 04.09.2025

Dr. Nad­ja Rako­witz, Pres­se­spre­che­rin

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