GbP 124 Edi­to­ri­al

Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

Lie­be Leser*innen,

in die­ser Aus­ga­be beschäf­ti­gen wir uns im Schwer­punkt mit (neu­er) Arbeits­tei­lung und Koope­ra­ti­on der ver­schie­de­nen Berufs­grup­pen im Gesund­heits­we­sen. Im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Län­dern ist die Arbeits­tei­lung in Deutsch­land hier­ar­chisch sehr domi­niert von den Ärzt*innen. Auch durch den Heil­kun­de­vor­be­halt, den sie sich Jahr­zehn­te lang nur mit den Heilpraktiker*innen geteilt haben, hat sich ein Gesund­heits­we­sen her­aus­ge­bil­det, das sehr stark auf Ärzt*innen bzw. die ärzt­li­che Ver­sor­gung fokus­siert ist. Hin­zu kommt, dass ins­be­son­de­re durch das Kas­sen­arzt­recht von 1955 wesent­li­che Tei­le des Gesund­heits­we­sens um die wirt­schaft­li­chen Inter­es­se der Ärzt*innen her­um orga­ni­siert wur­den und immer noch wer­den. Die­se Mono­pol­stel­lung hat tie­fe Spu­ren in der Ärzt*innenschaft, aber auch im Gesund­heits­we­sen und bei den Beschäf­tig­ten in den ande­ren Berufs­grup­pen hin­ter­las­sen.

Das Anlie­gen des vdää* und über­haupt der kri­ti­schen Medi­zin war von jeher, die­ses Mono­pol zuguns­ten von gleich­be­rech­tig­ter Koope­ra­ti­on der Gesund­heits­pro­fes­sio­nel­len auf­zu­bre­chen und die Arbeits­tei­lung ent­lang der Bedar­fe der Ver­sor­gung und der Bedürf­nis­se der Patient*innen neu zu orga­ni­sie­ren. Ein dickes Brett, das wir da boh­ren wol­len! Aller­dings waren die Zei­ten dafür nie so güns­tig wie jetzt, denn die ver­krus­te­ten Struk­tu­ren, die mit die­sem Mono­pol ein­her­ge­hen, sind inzwi­schen so ein Hemm­schuh für die Ver­sor­gungs­struk­tur, dass auch von Sei­ten der Poli­tik viel Offen­heit für inno­va­ti­ve und fort­schritt­li­che Pro­jek­te und Modell­vor­ha­ben besteht. In die­sem Zuge wur­de auch der Heil­kun­de­vor­be­halt bereits an man­chen Stel­len auf­ge­weicht.

Gleich­zei­tig erle­ben wir auch einen Angriff auf die Struk­tu­ren von ande­rer Sei­te: Unter dem Druck von Priva­tisierung und Kos­ten­ein­spa­rung wird auf allen Ebe­nen ver­sucht, Lohn­kos­ten zu drü­cken. Vor die­sem Hin­ter­grund wer­den Tätig­kei­ten von bes­ser bezahl­ten (und bes­ser qua­li­fi­zier­ten) Beschäf­tig­ten auf schlech­ter bezahl­te abge­wälzt und Pro­zes­se im Ver­sor­gungs­ge­sche­hen tay­lo­ris­tisch wie in der Auto­fa­brik auf­ge­spal­tet, in klei­ne­re und damit effek­ti­ver abzu­ar­bei­ten­de Ein­hei­ten gefasst und mit neu­en Namen und Nim­bus ver­se­hen. Nicht immer kommt dabei nur Schlech­tes her­aus. Dies, obwohl die Ziel­vor­ga­ben öko­no­misch defi­niert sind und sich nicht an einer bedarfs­ge­rech­ten Ver­sor­gung orien­tieren.

Will man die­se Ent­wick­lung – gra­de aus ärzt­li­cher und damit struk­tu­rell mono­po­lis­ti­scher – Posi­ti­on her­aus – kri­ti­sie­ren, ist der Grat schmal, auf den man sich begibt. Die meis­ten Posi­tio­nie­run­gen der orga­ni­sier­ten Ärz­te­schaft rutsch­ten dabei ab und fal­len in alten Stan­des­dün­kel und Ver­tei­di­gung von eige­nen Pfrün­den zurück. Das ist nicht unser Anlie­gen. Auch wir haben Kri­tik an die­ser Ent­wick­lung, aber mit der Per­spek­ti­ve auf eine gleich­be­rech­tig­te Koope­ra­ti­on mit unse­ren Kolleg*innen aus ande­ren Beru­fen im Gesund­heits­we­sen. Ob uns die­se Grat­wan­de­rung mit die­sem Heft gelun­gen ist, müsst Ihr, lie­be Leser*innen ent­schei­den. Wir wol­len uns Eurer Kri­tik (und natür­lich auch Eurem Lob) in einem neu­en For­mat stel­len, das wir hier bereits ankün­di­gen: Wir wer­den eine Online-Ver­an­stal­tung zum Heft-Release anbie­ten, bei der wir das Heft mit Autor*innen vor­stel­len und mit Euch dis­ku­tie­ren wol­len. Der Ter­min wird in Kür­ze auf der – schö­nen neu­en – Home­page ste­hen.

Koope­ra­ti­on mit dem Ver­ein Soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen

Wir haben mit der Koope­ra­ti­ons­idee schon mal prak­tisch ange­fan­gen und geben ab die­ser Aus­ga­be die Zeit­schrift zusam­men mit unse­rem Schwes­ter­ver­ein Soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen (https://www.solidarisches-gesundheitswesen.de/) her­aus. Unse­re Ziel­set­zun­gen sind iden­tisch, nur die Form, in der wir arbei­ten und das Ter­rain, auf dem wir uns bewe­gen, unter­schei­den sich bis­wei­len, aber ergän­zen sich opti­mal. Das Soli­da­ri­sche Gesund­heits­we­sen ist ein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein, der poli­ti­sche Bil­dungs­ar­beit in Form von Publi­ka­tio­nen und Ver­an­stal­tun­gen leis­tet. Vie­le inter­es­san­te Bro­schü­ren, etwa die Kit­tel­ta­schen­bro­schü­re fürs Kran­ken­haus, die in Koope­ra­ti­on mit den Kri­tis in Ber­lin ent­stan­den ist, eine Bro­schü­re zur medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung in Haft und vie­le Publi­ka­tio­nen zur Öko­no­mi­sie­rung im Kran­ken­haus könnt ihr auf der Web­sei­te fin­den.

Die­se Arbeit kos­tet Geld, genau­so wie die Redak­ti­on, das Lay­out und der Druck die­ser Zeit­schrift. Wer kann, ist des­halb auf­ge­ru­fen, an das Soli­da­ri­sche Gesundheits­wesen zu spen­den. Um bes­ser pla­nen zu kön­nen und lang­fris­ti­ge und kon­ti­nu­ier­li­che Arbeit zu leis­ten, freu­en wir uns beson­ders über regel­mä­ßi­ge Spen­den.



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