Edi­to­ri­al

Kurz vor Redak­ti­ons­schluss erreich­te uns noch eine neue beun­ru­hi­gen­de Nach­richt aus dem rech­ten Uni­ver­sum, mit dem wir uns das gan­ze Jahr über inten­siv beschäf­tigt haben: Der Deutsch­land­funk berich­te­te am 27.12., dass sich – lt. einer Cor­rec­tiv-Recher­che – der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te von der AfD Beck­amp und die bran­den­bur­gi­sche eben­falls der AfD ange­hö­ren­de Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Kotré gemein­sam mit Vertreter*innen der in Deutsch­land ver­bo­te­nen rechts­extre­men Bewe­gung »Blood & Honour« und einer Schwei­zer Neo­na­zi-Grup­pe in der Schweiz an einer Ver­an­stal­tung teil­ge­nom­men haben. Die AfD-Poli­tiker*innen hät­ten sich bei der Ver­an­stal­tung für den Ent­zug der Staats­bür­ger­schaft von ein­ge­bür­ger­ten Deut­schen bei Rechts­ver­stö­ßen aus­ge­spro­chen und es sei wei­ter­hin vor­ge­schla­gen wor­den, Abschie­bun­gen zu pri­va­ti­sie­ren.

Hier hat man in einer klei­nen Mel­dung nahe­zu den gan­zen rech­ten Kos­mos von Mandatsträger*innen in demo­kra­ti­schen Par­la­men­ten bis zu rechts­ra­di­ka­len und gewalt­be­rei­ten Hard­core-Grup­pen, von libe­ra­len Pri­va­ti­sie­rungs­phan­ta­sien bis hin zu ras­sis­ti­schen Vor­stel­lun­gen vom Ent­zug der Staats­bür­ger­schaft. Die Radi­ka­li­sie­rung der deut­schen Rech­ten und ihre inter­na­tio­na­le Ver­net­zung schei­nen unge­bro­chen vor­an­zu­schrei­ten. Wie die­se zu begrei­fen und wie das Ver­hält­nis zur »bür­ger­li­chen Mit­te« ist, die­se und ande­re Fra­gen waren The­ma unse­rer Online-Ver­an­stal­tungs­rei­he »Soli­da­ri­tät ver­tei­di­gen!«, die das Gesund­heits­po­li­ti­sche Forum inhalt­lich vor­be­rei­te­te. Die Fra­gen wur­den von den Referent*innen mit unter­schied­li­chen The­sen beant­wor­tet. Die Berich­te davon und ein Ori­gi­nal­bei­trag des Refe­ren­ten Ste­phan Kauf­mann fin­den sich in die­sem Heft doku­men­tiert. 

Es bleibt abzu­war­ten, wie sich Par­tei­en, die sich selbst in der poli­ti­schen Mit­te ver­or­ten, zu die­ser erneu­ten Ent­hül­lung posi­tio­nie­ren. Zu befürch­ten ist aller­dings, dass sie trotz aller gegen die AfD gerich­te­ten Rhe­to­rik kei­ne an Men­schen- und Gleich­heits­rech­ten ori­en­tier­te Poli­tik umset­zen, son­dern letzt­lich erneut die AfD-Ideo­lo­gie und wohl­mög­lich auch zukünf­ti­ge Regie­rungs­be­tei­li­gung legi­ti­mie­ren, indem sie Tei­le von deren Poli­tik­an­sät­zen umset­zen.

Beim dies­jäh­ri­gen Gesund­heits­po­li­ti­schen Forum in Dres­den dis­ku­tier­ten wir dann zum einen, was rech­te Poli­tik ins­be­son­de­re auch im Gesund­heits­we­sen prak­tisch in Deutsch­land und in Ita­li­en bedeu­tet. Aus Ita­li­en, wo die Rech­te sich schon viel sta­bi­ler poli­tisch eta­bliert hat, hat­ten wir dazu Gäs­te ein­ge­la­den und konn­ten bspw. ler­nen, wie das Abtrei­bungs­recht zum zen­tra­len Kampf­feld der neu­en Rech­ten wird. Dies unter­strei­chen auch Erfah­run­gen mit der AfD aus dem Osten Deutsch­lands. Zur Poli­tik der Rech­ten gab es ein Panel am Vor­mit­tag und ver­schie­de­ne Work­shops nach­mit­tags, die unter ande­rem den Ras­sis­mus im Gesund­heits­we­sen als ein wesent­li­ches Moment der sich aus­brei­ten­den rech­ten Stim­mung in der Gesell­schaft bear­bei­te­ten und dafür Hand­lungs­stra­te­gien zumin­dest auf indi­vi­du­el­ler betrieb­li­cher Ebe­ne ent­wi­ckel­ten. Über die­ses Panel wie über die Work­shops berich­ten wir hier eben­falls.

Klaus Dör­re hat­te uns schon am Frei­tag­abend Erklä­rungs­an­sät­ze, war­um Arbeiter*innen rechts wäh­len, vor­ge­stellt und eine Per­spek­ti­ve ent­wi­ckelt, wie man das poli­tisch bekämp­fen könn­te: Er plä­diert für eine Demo­kra­ti­sie­rung im Sin­ne der Aneig­nung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel durch die Arbei­ten­den und eine gesell­schaft­lich geplan­te öko-sozia­lis­ti­sche Trans­for­ma­ti­on, die die Ent­frem­dung der Arbei­ten­den von ihren Pro­duk­ten, d.h. auch von der Gesell­schaft und von sich selbst in Rich­tung gesell­schaft­li­cher Selbst­be­stim­mung auf­he­ben soll. Die­se Ent­frem­dung der kapi­ta­lis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on der Gesell­schaft hält Dör­re für ein zen­tra­les Moment des Auf­stiegs der Rech­ten. Lest selbst, er hat den Vor­trag für uns in einem Bei­trag in die­sem Heft aus­for­mu­liert.

Der zwei­te The­men­strang die­ses Jah­res und auch des Gesund­heits­po­li­ti­schen Forums war die Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft. Dazu gibt es hier den Bericht über die Ver­an­stal­tung mit Jan van Aken, den Vor­trag von Ulri­ke Eif­ler vom zwei­ten Panel am Sams­tag­vor­mit­tag und einen Bericht über den Work­shop am Nach­mit­tag. Beson­ders in letz­te­rem wur­de deut­lich, dass die Funk­ti­on des vdää* aktu­ell zum einen ist, zunächst ein­mal trotz unter­schied­li­cher Ein­schät­zun­gen des Ukrai­ne- oder Gaza­krie­ges einen Raum zu öff­nen für die Dis­kus­si­on und Refle­xi­on auch der eige­nen Unsi­cher­heit ange­sichts des Pro­blems der Mili­ta­ri­sie­rung und eska­lie­ren­der Krie­ge. Und zum ande­ren ist die Funk­ti­on des vdää*, die Gene­ra­tio­nen zusam­men­zu­brin­gen und ihre Erfah­run­gen gemein­sam zu bespre­chen. 

Im Kampf gegen die Mili­ta­ri­sie­rung sind wir also gera­de erst (wie­der) am Anfang und wer­den im nächs­ten Jahr einen kon­ti­nu­ier­li­chen Arbeits­zu­sam­men­hang AK Gegen Mili­ta­ri­sie­rung ins Leben rufen, zu dem alle vdää*-Mitglieder aber auch Men­schen aus befreun­de­ten Orga­ni­sa­tio­nen wie z.B. der IPPNW ein­ge­la­den wer­den. Es gibt auch schon eine Idee für eine Ver­an­stal­tung im Früh­jahr, über die wir recht­zei­tig infor­mie­ren wer­den. Die GbP wird die­ses The­ma kon­ti­nu­ier­lich beglei­ten.

Gesund­heits­po­li­tisch her­aus­ra­gend war die im Novem­ber 2024 erfolg­te Ver­ab­schie­dung der Lau­ter­bach­schen Kran­ken­haus­re­form. Vom Bünd­nis Kran­ken­haus statt Fabrik (KsF) wur­de dies als Nie­der­la­ge der Kran­ken­haus­be­we­gung gewer­tet: Bes­ser kei­ne Reform als die­se. Zum Jah­res­en­de berich­ten immer mehr Kran­ken­häu­ser und Kran­ken­haus­ver­bän­de über eine äußerst ange­spann­te Finanz­la­ge im sta­tio­nä­ren Bereich. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass der von KsF u.a. befürch­te­te und poli­tisch gewoll­te Anstieg der Kran­ken­haus­in­sol­ven­zen, mit der Kon­se­quenz einer ver­schlech­ter­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung, 2025 mas­siv erfol­gen wird. Auch dies ein The­ma, das wir ver­stärkt in den nächs­ten Aus­ga­ben der GbP behan­deln wer­den.

Die Redak­ti­on der GbP wünscht allen Leser*innen einen gelun­ge­nen Jah­res­be­ginn 2025. Wir ver­bin­den dies mit der Hoff­nung auf eine fried­vol­le­re Welt­ord­nung und dass uns Schrit­te in Rich­tung auf ein soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen gelin­gen.

Eure GbP-Redak­ti­on

Inhalt

  1. Karen Span­nen­krebs: Soli­da­ri­tät ver­tei­di­gen! Zusam­men­fas­sung der Ver­an­stal­tungs­rei­he
  2. Hele­na Miel­ke: Mili­ta­ri­sie­rung und Mög­lich­kei­ten der Frie­dens­po­li­tik. Refle­xio­nen aus der Ver­an­stal­tung mit Jan van Aken
  3. Ste­phan Kauf­mann: Auf­stieg der Rech­ten. Frag­men­tie­rung statt Glo­ba­li­sie­rung
  4. Bern­hard Win­ter: Die Saat der rohen Bür­ger­lich­keit. Wil­helm Heit­mey­er zur Ein­ord­nung der Rechts­ent­wick­lung
  5. Karen Span­nen­krebs: Ver­an­stal­tung mit Nata­scha Strobl. Über die »Radi­ka­li­sie­rung des Kon­ser­va­ti­vis­mus«
  6. Juli­us Pop­pel: Gesund­heits­po­li­tik im Natio­nal­so­zia­lis­mus
  7. Klaus Dörre:»Arbeiterin und stolz dar­auf!« Wel­che Hoff­nun­gen setz­ten Arbeiter*innen in rech­te Poli­tik? Haben wir lin­ke Ant­wor­ten?
  8. Isa­bel­le Hors­ter Rafae­la Voss: und Was ist rech­te Gesund­heits­po­li­tik? Erfah­run­gen mit AfD und Fratel­li d’Italia
  9. Nad­ja Rakowitz:Solidarität – aber nur inner­halb des Volks. Zu gesund­heits­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen der AfD
  10. Bern­hard Win­ter: Mili­ta­ri­sie­rung des Gesund­heits­we­sens
  11. Ulri­ke Eif­ler: Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft
  12. Jonas Röh­richt: Trumps »Kon­zep­te eines Plans«
  13. Fried­rich Schorb: Healt­his­mus. Gesund­heit als gesell­schaft­li­che Obses­si­on
  14. Micha­el Janßen:Das Gesund­heits­ver­sor­gungs­stär­kungs­ge­setz. Ein Lau­ter­bach-Ampel-Dra­ma in zahl­rei­chen Akten und mit unwür­di­gem Ende
  15. Colet­te Gras: Geschich­te des (Anti-)Militarismus im Gesund­heits­we­sen
  16. Stammtischkämper*innen
  17. Isa­bel­le Hors­ter: Umgang und Handlungsmöglichkeiten mit Men­schen­fein­dich­keit und rech­ten Posi­tio­nen
  18. Felix Ahls: Ras­sis­mus und Gesund­heit. Zur Pro­duk­ti­on von Ungleich­hei­ten in der deut­schen Gesund­heits­ver­sor­gung
  19. Thu­li Wolf und Wes­ley Fried­rich: Gemein­sam wütend. Aus­tausch und Stra­te­gie­ent­wick­lung für anti­ras­sis­ti­sche Ärzt*innen
  20. Rafae­la Voss: Erfah­run­gen mit rech­ter Gesund­heits­po­li­tik in ande­ren Län­dern. Von Alan Ros­si Sil­va aus Bra­si­li­en und Gui­sep­pe Bar­to­lo­mei und Tea Bos­so aus Ita­li­en

Bei­trä­ge aus dem Heft

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