Was glau­ben Sie, wer Sie sind? Zur auto­ri­tä­ren Rah­mung der Durch­set­zung des KHVVG

Nad­ja Rako­witz für den vdää*

Nad­ja Rako­witz dis­ku­tiert weni­ger den Inhalt des Kran­ken­haus­ver­sor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­set­zes (KHVVG) als die Art und Wei­se, wie es poli­tisch durch­ge­setzt wur­de. Sie sieht Momen­te einer Ver­selb­stän­di­gung der Exe­ku­ti­ve und befürch­tet, dass sich dies unter Kanz­ler Merz ver­stär­ken wird.

pätes­tens mit der Ein­füh­rung des Preis­sys­tems der DRG 2004 wur­den die deut­schen Kran­ken­häu­ser kapi­ta­lis­tisch umge­baut. Dies und ins­be­son­de­re der dazu­ge­hö­ren­de Kon­kur­renz­kampf unter den Kli­ni­ken haben zu dra­ma­ti­schen Ver­schlech­te­run­gen der Ver­sor­gungs- und der Arbeits­be­din­gun­gen geführt. Seit 2015 rührt sich mas­si­ver Pro­test der Beschäf­tig­ten dage­gen. Der zwei­wö­chi­ge Streik an der Cha­ri­té im Som­mer 2015 für eine ver­bind­li­che gute Per­so­nal­quo­te (Tarif­ver­trag Ent­las­tung) mach­te den Anfang und ver­brei­te­te sich über vie­le Kran­ken­häu­ser in ganz Deutsch­land. Ein Höhe­punkt war der 11-wöchi­ge Streik von 6 Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken in NRW im Jahr 2022; aber auch der Streik an der Uni­kli­nik Jena (als ers­ter die­ser Art in den neu­en Bun­des­län­dern) und der an der pri­va­ti­sier­ten Uni­kli­nik Gießen/Marburg waren etwas Beson­de­res. Da die Streiks sich nicht mit einer Lohn­er­hö­hung beschäf­tig­ten, son­dern mit der Ver­bes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen und damit auch der Ver­sor­gungs­be­din­gun­gen für die Patient*innen, bar­gen sie von Anfang an poli­ti­sches Dis­kus­si­ons­po­ten­ti­al, das über die unmit­tel­ba­ren Fra­gen schnell hin­aus­ging. Alle die­se Streiks waren auch Demons­tra­tio­nen gegen die Öko­no­mi­sie­rung des Gesund­heits­we­sens. Dies schlug sich auch in den Arbeits- und Orga­ni­sa­ti­ons­for­men wäh­rend des Streiks nie­der. Die Kolleg*innen der Cha­ri­té hat­ten das Kon­zept der so genann­ten Tarifberater*innen erfun­den: Vertreter*innen aller Sta­ti­ons-Teams soll­ten an jedem ent­schei­den­den Punkt gemein­sam mit der Tarif­kom­mis­si­on dis­ku­tie­ren, damit es kei­ne Abkop­pe­lung der Gre­mi­en von der Basis gab, son­dern gemein­sa­me Dis­kus­si­on und enge Ein­be­zie­hung. Die Teams waren in den Ver­lauf des Arbeits­kamp­fes ein­ge­bun­den und konn­ten ihn aktiv mit­ge­stal­ten, anstatt sich ledig­lich über das Ergeb­nis zu freu­en oder zu kla­gen. Die Idee dahin­ter war, dass die Beschäf­tig­ten die Expert*innen sind, die wis­sen, wie viel Per­so­nal gebraucht wird. Das Kon­zept wur­de bei allen fol­gen­den Streiks für Ent­las­tung über­nom­men – zum Teil mit einem ande­ren Wort für die Tarifberater*innen: Streik­de­le­gier­te oder ähn­li­ches. Die­ser Pro­zess ist durch­aus als einer der Worter­grei­fung der Beschäf­ti­gen anzu­se­hen und als einer der Demo­kra­ti­sie­rung von Tarif­aus­ein­an­der­set­zun­gen.

Auf den kon­ser­va­ti­ven Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) mach­te das alles offen­sicht­lich sol­chen Ein­druck, dass er ein uner­war­te­tes Gesetz ein­brach­te: In die­sem wur­de beschlos­sen, dass die Pfle­ge (am Bett) aus den DRG her­aus­ge­nom­men wird und im Modus der Selbst­kos­ten­de­ckung bezahlt wird. Eine Sen­sa­ti­on, denn das war das ers­te Mal seit Jahr­zehn­ten, dass ein Gesetz in die kom­plett ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung wie die immer wei­te­ren markt­för­mi­gen Refor­men ging. Lei­der blieb dies bis­lang die ein­zi­ge posi­ti­ve poli­tisch gezo­ge­ne Kon­se­quenz aus dem gan­zen DRG-Schla­mas­sel.

Sozi­al­de­mo­kra­tie und Revo­lu­ti­on

Und dann wur­de Karl Lau­ter­bach (SPD) Gesund­heits­mi­nis­ter. Am 23. Okto­ber 2022 kün­dig­te er an pro­mi­nen­ter Stel­le im heu­te Jour­nal an, dass die von ihm ein­ge­setz­te »Regie­rungs­kom­mis­si­on für eine moder­ne und bedarfs­ge­rech­te Kran­ken­haus­ver­sor­gung« an einem Kon­zept für eine »Über­win­dung der Fall­pau­scha­len« arbei­te. Das Fall­pau­scha­len­sys­tem habe sich seit sei­ner Ein­füh­rung, an der Lau­ter­bach als dama­li­ges für Gesund­heits­po­li­tik zustän­di­ges Mit­glied der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on selbst betei­ligt gewe­sen war, »so stark ver­selb­stän­digt, dass der öko­no­mi­sche Druck zu stark« sei.1

Am 6. Dezem­ber stell­te die 17-köp­fi­ge Exper­ten­kom­mis­si­on die »Revo­lu­ti­on« in einer Pres­se­kon­fe­renz2 vor. Neben eini­gen Mediziner*innen und Jurist*innen sit­zen in die­ser Kom­mis­si­on eine Exper­tin für Pfle­ge, ein Phar­ma­zeut, außer­dem Volks­wir­te und Gesund­heits­öko­no­men3. Von letz­te­ren nicht irgend­wel­che, son­dern mit Boris Augurz­ky und Rein­hard Bus­se genau Jene, die bis­lang immer nur dadurch auf­fie­len, dass sie noch mehr Markt und Kon­kur­renz ein­füh­ren und gleich­zei­tig Kran­ken­häu­ser schlie­ßen und zen­tra­li­sie­ren wol­len. Weder waren Vertreter*innen der GKV und PKV dabei, noch wel­che der Gewerk­schaf­ten oder der orga­ni­sier­ten Ärz­te­schaft (wor­über die­se sehr empört war und ist, weil sich Ärzt*innen ja all­zu oft für Expert*innen hal­ten und nicht für Lobbyist*innen im Eigen­in­ter­es­se…), es waren aber auch kei­ne Vertreter*innen der Phar­ma- oder Medi­zin­ge­rä­te­indus­trie dabei. So weit so gut.

Zunächst fiel bei der Pres­se­kon­fe­renz auf, dass Augurz­ky und Bus­se nicht auf dem Podi­um saßen, son­dern neben dem Minis­ter nur Praktiker*innen aus der Kom­mis­si­on: Tom Bschor, lang­jäh­ri­ger Chef­arzt der Abtei­lung für Psych­ia­trie der Schloss­park-Kli­nik Ber­lin, Chris­ti­an Kara­gi­ann­idis, Fach­arzt für Inne­re Medi­zin, Pneu­mo­lo­gie und Inten­siv­me­di­zin und Prä­si­dent der Deut­schen Gesell­schaft für Inter­nis­ti­sche Inten­siv­me­di­zin und Not­fall­me­di­zin und Irm­traut Gür­kan, die unter ande­rem stell­ver­tre­ten­de Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­de der Ber­li­ner Cha­ri­té ist. Sowohl Lau­ter­bach als auch Kara­gi­ann­idis beton­ten, dass das vor­ge­stell­te Kon­zept ein »rein wis­sen­schaft­li­ches« sei, bei dem man Lob­by­is­mus wie auch die Poli­tik fern­ge­hal­ten habe. Der Sinn die­ses Framings wur­de dann in der Aktu­el­len Stun­de des Bun­des­tags am 15.12.2022 deut­lich. Hier sag­te Lau­ter­bach in Reak­ti­on auf die Kri­tik an der Reform durch Ates Gür­pi­nar von der LINKEN: »Das sind klu­ge Vor­schlä­ge … Sie glau­ben, dass Ihre Vor­schlä­ge bes­ser sind als die Vor­schlä­ge der Wis­sen­schaft? Das ist eine Miss­ach­tung der Wis­sen­schaft. Was glau­ben Sie denn, wer Sie sind?«4

Was zuvor schon bis­wei­len in der Debat­te über Coro­na ein­ge­übt wur­de (unab­hän­gig davon, ob inhalt­lich rich­tig oder nicht), war plötz­lich »nor­mal« gewor­den: Kri­tik im Par­la­ment wur­de ein­fach mit dem Hin­weis auf die Wis­sen­schaft­lich­keit eines poli­ti­schen Vor­schlags abge­würgt. Das will uns weis­ma­chen, Wis­sen­schaft – zumal Gesund­heits­öko­no­mie – agie­re im poli­tisch-öko­no­misch luft­lee­ren Raum und ihre Resul­ta­te bedürf­ten kei­ner poli­ti­schen Dis­kus­si­on mehr. Wie sehr sich neo­li­be­ra­le Vor­stel­lun­gen in das Kon­zept drän­gen, kann man aber an den Vor­schlä­gen der Kom­mis­si­on zei­gen (sie­he dazu den Arti­kel von Tho­mas Böhm in die­sem Heft, S. 5 ff.).

Ein klei­ner Sieg im Dis­kurs

Auf­fal­lend war den­noch, dass sich inzwi­schen gro­ße Ris­se im argu­men­ta­ti­ven Gebäu­de der DRG-Ver­tei­di­gung zeig­ten. In der oben erwähn­ten Pres­se­kon­fe­renz hat­te man den Ein­druck, dass die­ses Gebäu­de – zumin­dest was die Pro­blem­ana­ly­se angeht – in sich zusam­men­fällt. Auch das Kom­mis­si­ons­pa­pier liest sich wie eine Bank­rott­erklä­rung des DRG-Sys­tems; vie­le lan­ge bekann­te Argu­men­te der Fallpauschalenkritiker*innen wer­den plötz­lich vom Gesund­heits­mi­nis­ter genannt. Von »Daseins­vor­sor­ge« ist plötz­lich wie­der die Rede und der von Kritiker*innen des Sys­tems gebrauch­te Ver­gleich mit der Feu­er­wehr, die schließ­lich auch bezahlt wer­de, wenn es nicht brennt, wird plötz­lich nicht mehr igno­riert oder belä­chelt, son­dern zustim­mend auf­ge­grif­fen. Es ist eine Freu­de zu sehen, wie die Expert*innen bei die­ser Pres­se­kon­fe­renz unter Recht­fer­ti­gungs­druck gera­ten und erläu­tern müs­sen, war­um man nicht die Selbst­kos­ten­de­ckung für die gesam­te Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung ein­füh­ren wol­le. Es kamen zwar nicht mehr als die übli­chen ideo­lo­gi­schen Paro­len, die einer kri­ti­schen Prü­fung5 nicht stand­hal­ten, aber dis­kur­siv kön­nen wir das den­noch als einen Erfolg für die Beschäf­tig­ten in der Bewe­gung anse­hen. Unser Vor­schlag der Selbst­kos­ten­de­ckung muss von ihnen zumin­dest auf­ge­nom­men und abge­wehrt wer­den.

Aber hat sich auch die gesund­heits­po­li­ti­sche Wirk­lich­keit geän­dert? Mit­nich­ten folgt aus der Reform die »Über­win­dung der DRG«. Bereits die Prä­am­bel erläu­tert: »Die Kom­mis­si­on geht … davon aus, dass Leis­tungs­an­rei­ze erhal­ten blei­ben müs­sen, weil auch eine aus­schließ­lich leis­tungs­un­ab­hän­gi­ge Ver­gü­tung – etwa in Form eines zu 100 Pro­zent garan­tier­ten Bud­gets oder einer Selbst­kos­ten­de­ckung – Fehl­an­rei­ze setzt und erheb­li­che Risi­ken für eine pati­en­ten- und bedarfs­ge­rech­te Ver­sor­gung sowie finan­zi­el­le Risi­ken für die Kos­ten­trä­ger aus­lö­sen wür­de.«

Neben dem Ein­ge­ständ­nis, dass es nicht um die Über­win­dung der DRG geht, ist inter­es­sant, dass die Kom­mis­si­on es offen­sicht­lich für not­wen­dig hält, sich von der Selbst­kos­ten­de­ckung – über Jahr­zehn­te ein Unwort – begriff­lich abzu­gren­zen. Wie unscharf ihre Begriff­lich­kei­ten sind, zeigt sich dar­an, dass sie ein »garan­tier­tes Bud­get« und Selbst­kos­ten­de­ckung in einem Atem­zug nen­nen. Im Rah­men von Bud­gets blei­ben aber wei­ter­hin Gewin­ne und finan­zi­el­le Fehl­an­rei­ze bestehen (Kos­ten­dum­ping, Verschiebung/Beendigung der Leis­tungs­er­brin­gung bei Auf­brau­chen des Bud­gets); wäh­rend bei der Selbst­kos­ten­de­ckung eine Zweck­be­stim­mung für die Aus­ga­ben genau­so gesetzt ist und Gewin­ne nicht mehr mög­lich sind. Der gro­ße Vor­teil der Selbst­kos­ten­de­ckung liegt gera­de dar­in, dass die bedarfs­ge­rech­te Ver­sor­gung im Mit­tel­punkt steht, unbe­las­tet von finan­zi­el­len Zwän­gen oder Erwä­gun­gen.

Umgang mit den Län­dern

In dem im Dezem­ber 2022 vor­ge­stell­ten Kom­mis­si­on­pa­pier gab es drei wesent­li­che Erneue­run­gen für die Orga­ni­sa­ti­on und die Finan­zie­rung der Kran­ken­häu­ser: Die Kran­ken­häu­ser soll­ten in drei Ver­sor­gungs­stu­fen ein­ge­teilt wer­den: »Level I«, »Level II« und »Level III«, was nichts wirk­lich Neu­es ist und nur den alt­be­kann­ten, in vie­len Bun­des­län­dern mitt­ler­wei­le wie­der auf­ge­ge­be­nen Ver­sor­gungs­stu­fen bei Kran­ken­haus­pla­nun­gen: Grund­ver­sor­gung, Zen­tral­ver­sor­gung und Maxi­mal­ver­sor­gung ent­sprach. Jedem Level soll­ten bun­des­ein­heit­li­che Struk­tur­qua­li­täts­an­for­de­run­gen und ins­ge­samt 128 Leis­tungs­grup­pen zuge­ord­net wer­den. Und die Finan­zie­rung soll­te zum Teil umge­stellt wer­den auf so genann­te Vor­hal­te­pau­scha­len. Letz­te­re war in die­sem Papier noch etwas anders gestrickt als im jet­zi­gen Gesetz. Aber weder die­se noch die heu­ti­gen Vor­hal­te­pau­scha­len hal­ten, was sie ver­spre­chen.

Was beson­ders die Bun­des­län­der ver­är­gert hat, war das Kon­zept der Level und der Leis­tungs­grup­pen: Ers­tens hät­te dies bedeu­tet, dass der größ­te Teil der bestehen­den Kran­ken­häu­ser in Deutsch­land die Anfor­de­run­gen von Level II nicht erreicht hät­te und zum Teil zu Schlie­ßung gezwun­gen gewe­sen wären. Zwei­tens hät­te dies schlicht die Ent­mach­tung der Län­der in der Kran­ken­haus­pla­nung bedeu­tet, denn die bun­des­weit vor­ge­schrie­be­nen Kri­te­ri­en hät­ten einen gro­ßen Teil der Pla­nungs­kom­pe­tenz, die ver­fas­sungs­mä­ßig den Län­dern zusteht, unter­mi­niert bzw. auf­ge­ho­ben. Unab­hän­gig davon, ob man die­ses föde­ra­le Moment gesund­heits­po­li­tisch für sinn­voll hält oder nicht, setz­te sich hier der Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter ein­fach über die Län­der hin­weg. Das lie­ßen die­se aber nicht mit sich machen und in dem Kom­pro­miss­pa­pier vom 10.07.2023 »Fina­les Eck­punk­te­pa­pier von Bund und Län­dern« sind die Level ent­spre­chend nicht mehr zu fin­den, son­dern nur noch Leis­tungs­grup­pen, die in abge­schwäch­ter Form aber immer noch eine ähn­li­che Funk­ti­on haben, aller­dings mit Aus­nah­men, die die Län­der bestim­men kön­nen.

Zur Vor­der­tür also raus­ge­wor­fen, führt Lau­ter­bach die Level bei nächs­ter Gele­gen­heit – ohne sich um Ver­fas­sungs­fra­gen zu küm­mern – wie­der ein: Am 19.10.2023 wur­de das »Gesetz zur För­de­rung der Qua­li­tät der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung durch Trans­pa­renz (Kran­ken­haus­trans­pa­renz­ge­setz)« in drit­ter Lesung im Bun­des­tag mit den Stim­men der Koali­ti­on und gegen die Stim­men der Oppo­si­ti­on ver­ab­schie­det. Das Gesetz ist nach Anga­ben des BMG nicht zustim­mungs­pflich­tig durch den Bun­des­rat. Die Stand­or­te der Kran­ken­häu­ser wer­den auf die­ser Trans­pa­renz­lis­te, dem Bun­des-Kli­ni­kat­las6 nach den vor­ge­hal­te­nen Leis­tungs­grup­pen in fol­gen­de Level unter­teilt: Level 3U sind Hoch­schul­kli­ni­ken und die müs­sen anbie­ten: 5 inter­nis­ti­sche LG, 5 chir­ur­gi­sche LG, LG Inten­siv­me­di­zin, LG Not­fall­me­di­zin, zusätz­lich 8 wei­te­re LG; Level 3‑Krankenhäuser müs­sen die­sel­ben LG wie Level 3U anbie­ten, sind aber kei­ne Hoch­schul­kli­ni­ken; Level 2 muss anbie­ten: 2 inter­nis­ti­sche LG, 2 chir­ur­gi­sche LG, LG Inten­siv­me­di­zin, LG Not­fall­me­di­zin, zusätz­lich drei wei­te­re LG; Level 1n-Kran­ken­häu­ser müs­sen anbie­ten die LG All­ge­mei­ne Inne­re Medi­zin, LG All­ge­mei­ne Chir­ur­gie, LG Inten­siv­me­di­zin, LG Not­fall­me­di­zin; Level F bedeu­tet Spe­zia­li­sie­rung auf eine »bestimm­ten Erkran­kung, Krank­heits­grup­pe oder Per­so­nen­grup­pe«, Zuord­nung durch Kran­ken­haus­pla­nung der Län­der, wenn sie einen »rele­van­ten Ver­sor­gungs­an­teil« leis­ten und Level 1i-Kran­ken­häu­ser bie­ten sek­toren­über­grei­fen­de Ver­sor­gung an und in der Regel kei­ne Not­fall­me­di­zin, Zuord­nung wird durch die Kran­ken­haus­pla­nung der Län­der vor­ge­nom­men. Die­se soll den Patient*innen hel­fen, das rich­ti­ge Kran­ken­haus für ihr Anlie­gen zu fin­den und damit die Qua­li­tät der Ver­sor­gung zu stei­gern.

Infor­ma­tio­nen über die Qua­li­tät der jewei­li­gen Kran­ken­haus­be­hand­lung sind selbst­ver­ständ­lich sinn­voll. Da es sol­che Infor­ma­tio­nen schon gibt (z.B. Weis­se Lis­te, AOK-Gesund­heits­na­vi­ga­tor, Qua­li­täts­be­rich­te der Kran­ken­häu­ser), erschließt sich die Not­wen­dig­keit die­ser wei­te­ren Zusam­men­stel­lung nicht wirk­lich. Es sei denn, es gibt ande­re Absich­ten – und die gibt es: Die Trans­pa­renz­lis­te soll als wei­te­res Instru­ment zur Schlie­ßung von klei­nen Kran­ken­häu­sern die­nen und sie soll die von den Bun­des­län­dern abge­lehn­ten Level durch die Hin­ter­tür wie­der ein­füh­ren. In Wirk­lich­keit geht es weni­ger um Qua­li­tät als um die­se Zie­le. Die Qua­li­täts­er­zäh­lung dient hier wie bei der Schlie­ßungs­wel­le und Zen­tra­li­sie­rung nur der Legi­ti­ma­ti­on einer sonst schwer ver­mit­tel­ba­ren Reform und der Ablen­kung. Wenn es wirk­lich um eine Ver­bes­se­rung der Qua­li­tät gin­ge, müss­te man ganz ande­re Maß­nah­men ergrei­fen: Eine Ver­bes­se­rung der Per­so­nal­aus­stat­tung, die Abschaf­fung der DRGs, eine kos­ten­de­cken­de Finan­zie­rung, also auch sicher­ge­stell­te Über­nah­me der Inves­ti­ti­ons­kos­ten durch die Län­der. Kran­ken­häu­ser mit einem sol­chen Regis­ter öffent­lich zu beur­tei­len, führt eher zur Ver­tu­schung oder/und zur Patient*innenselektion, um Kom­pli­ka­tio­nen zu ver­mei­den. Ins­ge­samt ist es offen­sicht­lich, dass das Trans­pa­renz­ge­setz der Ver­such ist, den Kon­sens zwi­schen Bund und Län­dern im Eck­punk­te­pa­pier durch die Hin­ter­tür wie­der rück­gän­gig zu machen. Es han­delt sich ein­deu­tig um einen Ein­griff in die Pla­nungs­ho­heit der Län­der.7

Aus­wir­kungs­ana­ly­se? Nur für Koali­ti­ons­part­ner

Der Gesund­heits­mi­nis­ter hat­te lan­ge vor Ver­ab­schie­dung des Geset­zes ange­kün­digt, dass er eine Aus­wir­kungs­ana­ly­se bzw. ein Tool zur Ver­fü­gung stel­len wer­de, so dass man in den Bun­des­län­dern und vor Ort schon mal kon­kre­ter aus­lo­ten kön­ne, was die Reform bedeu­ten wird. Bis Anfang Okto­ber 2024 gab es dies aber immer noch nicht, obwohl die 2./3. Lesung im Bun­des­tag am 17.10.2024 war und der Bun­des­rat schließ­lich am 22.11.2024 abge­stimmt hat. Schon die Tat­sa­che, dass die bei­den Lesun­gen an einem Tag waren, dass die Anhö­rung zu die­sem kom­pli­zier­ten und wirk­mäch­ti­gen Gesetz nur zwei Stun­den gedau­ert hat, zeigt, dass die Regie­rung genau­so wei­ter­ge­macht hat wie bei der Vor­stel­lung des Kon­zepts. Auf Exper­ti­se von ande­ren Parlamentarier*innen wie von Expert*innen außer­halb der Kom­mis­si­on wird kei­nen Wert gelegt.

Der Umgang mit der lang gefor­der­ten Aus­wir­kungs­ana­ly­se zeugt erneut von einer Miss­ach­tung par­la­men­ta­risch demo­kra­ti­scher Gepflo­gen­hei­ten auf Sei­ten von Minis­ter Lau­ter­bach: Einen Tag vor der Ver­ab­schie­dung in 2. und 3. Lesung hat­te der Gesund­heits­aus­schuss dem KHVVG mit den Stim­men der Ampel und gegen die Stim­men aller Oppo­si­ti­ons­frak­tio­nen zuge­stimmt. Laut dem Inter­net­por­tal Biblio­med­Ma­na­ger hat­te Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach in der Aus­schuss­sit­zung ein­ge­räumt, dass die seit Mona­ten mit Span­nung erwar­te­te Aus­wir­kungs­ana­ly­se zur geplan­ten Kran­ken­haus­re­form bereits vor­lie­ge und von den Ampel­frak­tio­nen genutzt wer­de. »Auf Nach­fra­ge des gesund­heits­po­li­ti­schen Spre­chers der CDU/C­SU-Bun­des­tags­frak­ti­on, Tino Sor­ge, erklär­te Lau­ter­bach, die Aus­wir­kungs­ana­ly­se sei ›bereits in der Nut­zung der regie­rungs­tra­gen­den Frak­tio­nen‹. Die Par­la­men­ta­ri­er von SPD, Grü­nen und FDP hät­ten dem­nach ›Simu­la­tio­nen gezeigt bekom­men‹, die die Aus­wir­kun­gen der Kli­nik­re­form vor Ort dar­stel­len.«8 Zurecht kri­ti­sier­te die­ses Vor­ge­hen Sor­ge als »Tief­punkt des Par­la­men­ta­ris­mus und des Föde­ra­lis­mus …Offen­sicht­lich unter­schei­det Karl Lau­ter­bach nun zwi­schen Abge­ord­ne­ten ers­ter und zwei­ter Klas­se«. (Ebd.)

Auch wenn Gesund­heits­aus­schuss­mit­glie­der von der Ampel­ko­ali­ti­on sag­ten, dass die Prä­sen­ta­ti­on am 16.10.2024 ihnen auch nicht wirk­lich gehol­fen habe, muss­ten die Vertreter*innen der Oppo­si­ti­ons­par­tei­en gänz­lich ohne die­se Infor­ma­tio­nen des BMG ent­schei­den. Als das Tool dann ange­wen­det wer­den konn­te, beschrieb das Deut­sche Ärz­te­blatt das Ergeb­nis: »Dem­nach haben 60 Pro­zent der Regel- und Schwer­punkt­kran­ken­häu­ser ange­ge­ben, dass sie die Vor­ga­ben über­wie­gend (70 bis 90 Pro­zent der Vor­ga­ben) oder nur teil­wei­se (50 bis 70 Pro­zent) erfül­len kön­nen. Bei den grund­ver­sor­gen­den Häu­sern haben 82 Pro­zent erklärt, dass sie die Vor­ga­ben nicht gänz­lich erfül­len kön­nen.«9 Das ist kein Zufall, son­dern Metho­de, denn mit der Ver­ab­schie­dung des Geset­zes wur­de von Karl Lau­ter­bach klar und offen aus­ge­spro­chen, was z.B. das Bünd­nis »Kran­ken­haus statt Fabrik« schon die gan­ze Zeit gesagt hat: dass durch die­se Reform in den nächs­ten Jah­ren hun­der­te Kran­ken­häu­ser (von aktu­ell ca. 1.700) geschlos­sen wer­den sol­len. Kein Wun­der, dass die­ses Vor­ha­ben weni­ger demo­kra­tisch, son­dern auto­ri­tär durch­ge­drückt wird.

Scha­de, dass die wich­tigs­te gesell­schaft­li­che Oppo­si­ti­ons­in­stanz in die­sem Fall, näm­lich die Gewerk­schaft ver.di, ein Total­aus­fall war. Es gab wäh­rend der zwei Jah­re seit Ankün­di­gung der Reform kei­nen nen­nens­wer­ten Wider­stand dage­gen von Sei­ten ver.dis. Das heißt mit­nich­ten, dass die ver.di-Mitglieder oder Beschäf­tig­ten des Fach­be­reichs C die­se Poli­tik für rich­tig hal­ten. Im Gegen­teil. Man hör­te an der Basis bei betrieb­li­chen wie gewerk­schaft­li­chen Interessensvertreter*innen gro­ßen Unmut über die­se Reform und über den aus­blei­ben­den mas­si­ven Pro­test von Sei­ten der Gewerk­schaft.

Weh­ret den Anfän­gen

Das KHVVG wur­de vom BMG an bestimm­ten Punk­ten auto­ri­tär durch­ge­setzt. Wir erle­ben Ansät­ze einer Ver­selb­stän­di­gung der Exe­ku­ti­ve, die in ande­ren libe­ra­len Demo­kra­tien schon viel beängs­ti­gen­de­re For­men ange­nom­men hat. Ein Auf­schrei der demo­kra­ti­schen Öffent­lich­keit blieb aus. Es ist aber abzu­se­hen, dass sich die­se Art, Poli­tik zu machen, auch in Deutsch­land ver­schär­fen wird. Der zukünf­ti­ge Kanz­ler Fried­rich Merz hat schon Andeu­tun­gen gemacht, dass er sich poli­tisch an Trump ori­en­tie­ren will, etwa wenn er ohne Rück­sicht auf Gewal­ten­tei­lung oder gel­ten­des Recht Grenz­schlie­ßun­gen per Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz des Bun­des­kanz­lers anord­nen will10 oder im so genann­ten »Kanz­ler­du­ell« die Pflicht­ver­tei­di­gung von Men­schen in Abschie­be­haft in Fra­ge stellt11.

Oppo­si­ti­on und Wider­stand nicht nur gegen die zukünf­ti­ge Kran­ken­haus­po­li­tik einer schwarz-roten Koali­ti­on wer­den sicher nicht leich­ter wer­den. Zumal ver.di mut­maß­lich wei­ter­hin als rele­van­ter Akteur aus­fal­len wird, solan­ge die SPD regiert.

  1. Sie­he z.B. hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhaus/krankenhausreform/faq-krankenhausreform.html ↩︎
  2. Sie­he das Video der Pres­se­kon­fe­renz vom 06.12.2022 zur Reform der Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung: https://www.youtube.com/watch?v=mIjLlmAshu0 ↩︎
  3. Hier fin­det man die Lis­te der Mit­glie­der https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Krankenhausreform/Liste_Mitglieder_der_Regierungskommission.pdf ↩︎
  4. Deut­scher Bun­des­tag, Ste­no­gra­fi­scher Bericht, 76. Sit­zung, Ple­nar­pro­to­koll 2076, 15. Dezem­ber 2022, S. 9076; in: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20076.pdf ↩︎
  5. Sie­he Bünd­nis Kran­ken­haus statt Fabrik: Facts­heet: Kos­ten­de­ckung 2.0. Unse­re Vor­stel­lun­gen einer alter­na­ti­ven Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung, in: https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/53215 ↩︎
  6. Sie­he https://bundes-klinik-atlas.de/ ↩︎
  7. Vgl. KH statt Fabrik: Bewer­tung Kran­ken­haus­trans­pa­renz­ge­setz, Novem­ber 2023; in: https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/2024/03/04/bewertung-krankenhaustransparenzgesetz/ ↩︎
  8. Aus­wir­kungs­ana­ly­se-Tool ist schon in Gebrauch, in Biblio­med Mana­ger vom 16.10.2024; in: https://www.bibliomedmanager.de/news/auswirkungsanalyse-tool-ist-schon-in-gebrauch ↩︎
  9. Mehr­heit der Kli­ni­ken kann Leis­tungs­grup­pen nicht erfül­len, Deut­sches Ärz­te­blatt, 18. Novem­ber 2024, https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=1041&typ=1&nid=155806&s=Kliniken&s=Leistungsgruppen&s=Mehrheit&s=der&s=erf%FCllen&s=kann&s=nicht ↩︎
  10. Zurück­wei­sun­gen ohne Aus­nah­me. Merz will am ers­ten Kanz­ler-Tag alle Gren­zen dicht­ma­chen, in: NTV vom 23.01.2025; https://www.n‑tv.de/politik/Merz-will-am-ersten-Kanzler-Tag-alle-Grenzen-dichtmachen-article25509641.html; Sieg bei der Bun­des­tags­wahl: Das will Merz als Kanz­ler an Tag eins ange­hen, Mer­kur 27.02.2025; https://www.merkur.de/politik/tag-eins-angehen-wahlergebnisse-bundestagswahl-2025-das-will-merz-als-kanzler-an-zr-93590088.html ↩︎
  11. Das kann man in vol­ler Län­ge hier anschau­en: https://www.youtube.com/watch?v=B3z2T7ed6Os; Kri­tik an Merz übt dies­be­züg­lich Pro Asyl: Die CDU unter Merz gefähr­det Demo­kra­tie und Rechts­staat­lich­keit in Deutsch­land, Pro Asyl 29.01.2025; https://www.proasyl.de/news/die-cdu-unter-merz-gefaehrdet-demokratie-und-rechtsstaatlichkeit-in-deutschland/ ↩︎



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