»Wor­auf du dich freu­en kannst …« – Arbeits­tei­lung und beruf­li­cher Ent­wick­lung

Ausgabe 1/2024 - Neue Arbeitsteilung und Kooperation

von Gerd Diel­mann

Der seit Jah­ren bestehen­de Kos­ten­druck in den Ein­rich­tun­gen des Gesund­heits­we­sens sowie der regio­na­le und fach­be­zo­ge­ne Per­so­nal­man­gel nicht nur im ärzt­li­chen Dienst und in den Funk­ti­ons­diens­ten hat­ten erheb­li­che Umstruk­tu­rie­run­gen in der Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on und den Arbeits­ab­läu­fen in den Kran­ken­häu­sern zur Fol­ge[1]. Out­sour­cing und Pri­va­ti­sie­rung von Teil­be­rei­chen betra­fen vor allem die Wirt­schafts­diens­te. Ins­be­son­de­re der Pfle­ge­dienst war von einem dra­ma­ti­schen Stel­len­ab­bau betrof­fen. Leih­ar­beit wur­de zum Lücken­stop­fer.

Erst in jün­ge­rer Zeit konn­te durch Aus­glie­de­rung der Pfle­ge am Bett aus den Dia­gno­sis Rela­ted Groups (DRG) und deren Finan­zie­rung über Selbst­kos­ten­de­ckung das Stel­len­ni­veau von 1995 wie­der erreicht wer­den, auch indem zum Pfle­ge­dienst zäh­len­des Per­so­nal ande­re Berufs­grup­pen umfas­sen kann (sie­he neben­ste­hen­de Gra­fik).

Wäh­rend der Pfle­ge­dienst um 50.000 Stel­len und die medi­zi­nisch-tech­ni­schen Diens­te deut­li­chen Stel­len­ab­bau ver­zeich­ne­ten, erfreu­ten sich der ärzt­li­che Dienst und die Funk­ti­ons­diens­te kon­ti­nu­ier­li­cher Wachs­tums­ra­ten.

Der anhal­ten­de Kos­ten­druck lässt das Kran­ken­haus­ma­nage­ment nach wei­te­ren Ratio­na­li­sie­rungs­mög­lich­kei­ten Aus­schau hal­ten. Dabei gerät zuneh­mend die Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on in den Fokus. Hier las­sen sich drei Akti­ons­fel­der unter­schei­den:

  1. die Über­tra­gung ärzt­li­cher Tätig­kei­ten auf Pfle­ge­per­so­nal (auch auf MTA und MFA)
  2. die Schaf­fung neu­er Assis­tenz­be­ru­fe (ATA, CTA, OTA, Phy­si­ci­an Assis­tants) oder Zusatz­aus­bil­dun­gen, wie Stro­ke Nur­se, Pain Nur­se, Breast Nur­se u.a.m.
  3. die Über­tra­gung pfle­ge­ri­scher und pfle­ge­naher Tätig­kei­ten auf Pfle­ge­as­sis­tenz- und Ser­vice­per­so­nal und aktu­el­le Ent­wick­lun­gen

1. Die Über­tra­gung ärzt­li­cher Tätig­kei­ten

Eine der Maß­nah­men war die ver­stärk­te Dele­ga­ti­on ärzt­li­cher Tätig­kei­ten an pfle­ge­ri­sches und ande­res Per­so­nal. Dabei ging es u.a. um venö­se Blut­ent­nah­men, Injek­tio­nen, intra­ve­nö­se Appli­ka­ti­on von Zyto­sta­ti­ka, Assis­tenz bei ope­ra­ti­ven Ein­grif­fen, Wund- und Schmerz­ma­nage­ment u.a.m.[2] Auf Grund des Heil­kun­de­vor­be­halts und der ver­gleichs­wei­se restrik­ti­ven Recht­spre­chung, etwa zum Fach­arzt­stan­dard, ist die Dele­ga­ti­on von ärzt­li­chen Auf­ga­ben an Bedin­gun­gen geknüpft, die die­ser Mög­lich­keit, Per­so­nal­kos­ten ein­zu­spa­ren, Gren­zen setzt. Das Heil­prak­ti­ker­ge­setz von 1939 (!), zum Schut­ze der Volks­ge­sund­heit vor Badern und Schar­la­ta­nen geschaf­fen, gilt in sei­nen Kern­in­hal­ten immer noch in einer »berei­nig­ten Fas­sung«.[3] Dar­in heißt es in § 1 Abs. 1: »Wer die Heil­kun­de, ohne als Arzt bestallt zu sein, aus­üben will, bedarf dazu der Erlaub­nis. Abs. (2) Aus­übung der Heil­kun­de im Sin­ne die­ses Geset­zes ist jede berufs- oder gewerbs­mä­ßig vor­ge­nom­me­ne Tätig­keit zur Fest­stel­lung, Hei­lung oder Lin­de­rung von Krank­hei­ten, Lei­den oder Kör­per­schä­den bei Men­schen, auch wenn sie im Diens­te von ande­ren aus­ge­übt wird.« (§ 1 Heil­PraktG). Die­se sehr wei­te Defi­ni­ti­on von Heil­kun­de macht es ande­ren als »bestall­ten Ärz­ten« nahe­zu unmög­lich, heil­kund­lich tätig zu wer­den.

Die Ent­wick­lung wei­te­rer Heil­be­ru­fe und die Not­wen­dig­keit in der Gesund­heits­ver­sor­gung zuneh­mend enger, aber auch arbeits­tei­lig zusam­men zu arbei­ten, führ­te bei fort­be­stehen­dem Arzt­vor­be­halt dazu, dass heil­kund­li­che Tätig­kei­ten unter bestimm­ten Bedin­gun­gen als dele­gier­bar erach­tet wur­den. Da es dazu nach wie vor kei­ne gesetz­li­che Rege­lung gibt, blieb es der Recht­spre­chung vor­be­hal­ten eine Ein­gren­zung vor­zu­neh­men[4] und Grund­sät­ze für das Dele­ga­ti­ons­ver­fah­ren auf­zu­stel­len.

»Die Dele­ga­ti­on ärzt­li­cher Tätig­kei­ten auf nicht ärzt­li­ches Per­so­nal ist recht­lich nur zuläs­sig, wenn der Pati­ent in die­se Maß­nah­me ein­wil­ligt, die Art des Ein­griffs das per­sön­li­che Han­deln des Arz­tes nicht erfor­dert, der Arzt die Maß­nah­me anord­net, der aus­füh­ren­de nicht ärzt­li­che Mit­ar­bei­ter zur Durch­füh­rung der Anord­nung befä­higt ist und er zur Aus­füh­rung der ärzt­li­chen Tätig­keit bereit ist.«[5]

In dem geur­teil­ten Fall hat­te sich ein OP-Pfle­ger gewei­gert, im Rah­men einer Ope­ra­ti­on Tätig­kei­ten eines Assis­tenz­arz­tes zu über­neh­men, wie Sekret absau­gen, Gefä­ße zu koagu­lie­ren, Haken zu hal­ten und Fäden abzu­schnei­den. Er erach­te­te die­se Auf­ga­ben als berufs­fremd. Das Gericht gestand ihm ein Ver­wei­ge­rungs­recht zu.

Ange­sichts der nach­fol­gend (unter 2.) beschrie­be­nen Ent­wick­lun­gen dürf­te das Pro­blem der­zeit eher dar­in bestehen, aus Grün­den der Behand­lungs­qua­li­tät über­eif­ri­ges Chir­ur­gie­as­sis­tenz­per­so­nal an der eil­fer­ti­gen Über­nah­me von Tätig­kei­ten, für die es nicht hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist, zu hin­dern. Dele­gie­ren ist unter den genann­ten Bedin­gun­gen mög­lich, wobei der Arzt/die Ärz­tin sich von der Befä­hi­gung der Per­son, an die dele­giert wird, per­sön­lich zu über­zeu­gen hat. Die selb­stän­di­ge Heil­kun­de­aus­übung bleibt jedoch den ande­ren als ärzt­li­chen Heil­be­ru­fen mit Aus­nah­me der psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Beru­fe im Hin­blick auf die Aus­übung der Psy­cho­the­ra­pie (§ 1 Abs. 1 PsychThG) unter­sagt.

Ers­te Ansät­ze, die selb­stän­di­ge Aus­übung der Heil­kun­de auch den Pfle­ge­be­ru­fen zu ermög­li­chen, fan­den sich durch Ergän­zung der Berufs­ge­set­ze der Pfle­ge­be­ru­fe um Modell­ver­suchs­klau­seln zum Erwerb erwei­ter­ter Kom­pe­ten­zen (vgl. Diel­mann 2008, G‑BA 2011). Um wel­che Kom­pe­ten­zen es sich han­deln darf, wur­de – heiß umkämpft – vom Gemein­sa­men Bun­des­aus­schuss (G‑BA) fest­ge­legt.[6] Dazu wur­den die Berufs­ge­set­ze der Pfle­ge­be­ru­fe dahin­ge­hend geän­dert, dass die Aus­übung der Heil­kun­de im Rah­men die­ser – eng defi­nier­ten – »erwei­ter­ten Kom­pe­ten­zen« erlaubt wur­de (§ 1 Abs 1 S. 2 KrPflG). Die­se Öff­nung ist mit dem Pfle­ge­be­ru­fe­ge­setz auf wun­der­sa­me Wei­se und ohne Begrün­dung wie­der ver­lo­ren­ge­gan­gen, Die Modell­klau­seln wur­den aber bei­be­hal­ten (§ 14 PflBG).

Zunächst waren die Modell­ver­su­che zur Qua­li­fi­zie­rung für die selb­stän­di­ge Heil­kun­de­aus­übung an das Vor­lie­gen von Modell­vor­ha­ben zu neu­en Ver­sor­gungs­for­men nach § 63 Abs. 3c SGB V gekop­pelt. Da sich die Kran­ken­kas­sen und ihre Ver­bän­de aber nicht auf sol­che Modell­ver­su­che eini­gen konn­ten, unter­blieb auch die Erpro­bung der Heil­kun­de­aus­übung durch die Pfle­ge­be­ru­fe. Mit dem Pfle­ge­be­ru­fe­re­form­ge­setz (2017) wur­den die Kran­ken­kas­sen ange­hal­ten, sol­che Modell­vor­ha­ben bis 31.12.2020 zu ver­ein­ba­ren oder durch­zu­füh­ren. Mit Gesetz vom 12.11.2022 wur­den sie schließ­lich ver­pflich­tet, in jedem Bun­des­land ein Modell­vor­ha­ben zur Heil­kun­de­über­tra­gung auf den Weg zu brin­gen.[7] Nach­dem der GB‑A sich gewei­gert hat­te, die für die Kom­pe­tenz­ent­wick­lung not­wen­di­gen Qua­li­fi­zie­rungs­mo­du­le man­gels eige­ner berufs­päd­ago­gi­scher Kom­pe­tenz zu ent­wi­ckeln, wur­de die­se Auf­ga­be der im Pfle­ge­be­ru­fe­ge­setz vor­ge­se­he­nen Fach­kom­mis­si­on über­tra­gen. Die Kom­pe­ten­zen waren zunächst eng begrenzt auf fünf Dia­gno­sen (Dia­be­tes, Demenz, chro­ni­sche Wun­den, Hyper­to­nie, Schmer­zen), inzwi­schen wur­den sie auf Pfle­ge und The­ra­pie von Patienten/Patientinnen mit Tra­cheo­sto­ma und Atem­be­ein­träch­ti­gun­gen erwei­tert.[8]

Ähn­lich umkämpft war die selb­stän­di­ge Aus­übung der Heil­kun­de durch Not­fall­sa­ni­tä­ter/-innen. Ledig­lich als Aus­bil­dungs­ziel for­mu­liert, soll­te das »Anwen­den von in der Aus­bil­dung erlern­ten und beherrsch­ten auch inva­si­ven Maß­nah­men …« mit dem Ein­tref­fen der Not­ärz­tin oder des Not­arz­tes enden.[9] Als kön­ne man eine zu ver­mit­teln­de Qua­li­fi­ka­ti­on davon abhän­gig machen ob jemand kommt oder nicht. Erst mit dem MTA-Reform­ge­setz vom 24.02.2021 wur­de in das Not­SanG die »Eigen­ver­ant­wort­li­che Durch­füh­rung heil­kund­li­cher Maß­nah­men« auf­ge­nom­men (§ 2a Not­SanG). Um wel­che Maß­nah­men es sich han­deln kann und wie sie ange­wen­det wer­den, ist aber wei­ter­hin streng regle­men­tiert und wird durch die Ärzt­li­chen Lei­ter Ret­tungs­dienst nach lan­des­recht­li­chen Vor­ga­ben über­wacht.

Anstatt das Heil­prak­ti­ker­ge­setz zu ändern, soll offen­bar der müh­sa­me Weg beschrit­ten wer­den, in jedem Berufs­zu­las­sungs­ge­setz der »ande­ren Heil­be­ru­fe«, soweit erfor­der­lich, die Heil­kun­de­aus­übung aus­drück­lich zu erlau­ben. Als nächs­tes steht eine Novel­lie­rung des Phy­sio­the­ra­peu­ten­ge­set­zes auf der Tages­ord­nung, in dem es dann neben Heil­kun­de­aus­übung auch um Hoch­schul­aus­bil­dung und Direkt­zu­gang in der Ver­sor­gung, also ohne ärzt­li­che Ver­ord­nung, gehen wird (Refe­ren­ten­ent­wurf Phy­sio­the­ra­pie­be­ru­fe­re­form­ge­setz).

Wäh­rend der COVID-19-Pan­de­mie wur­de für die Zeit des Vor­lie­gens »einer epi­de­mi­schen Lage von Natio­na­ler Trag­wei­te« der strik­te Arzt­vor­be­halt gelo­ckert, indem Notfallsanitätern/Notfallsanitäterinnen und Pfle­ge­fach­per­so­nen die Aus­übung heil­kund­li­cher Tätig­kei­ten wäh­rend einer epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Trag­wei­te gestat­tet wird, wenn

»1.        die Per­son auf der Grund­la­ge der in der jewei­li­gen Aus­bil­dung erwor­be­nen Kom­pe­ten­zen und ihrer per­sön­li­chen Fähig­kei­ten in der Lage ist, die jeweils erfor­der­li­che Maß­nah­me eigen­ver­ant­wort­lich durch­zu­füh­ren und

  1. der Gesund­heits­zu­stand der Pati­en­tin oder des Pati­en­ten nach sei­ner Art und Schwe­re eine ärzt­li­che Behand­lung im Aus­nah­me­fall einer epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Trag­wei­te nicht zwin­gend erfor­dert, die jeweils erfor­der­li­che Maß­nah­me aber eine ärzt­li­che Betei­li­gung vor­aus­set­zen wür­de, weil sie der Heil­kun­de zuzu­rech­nen ist.« (§ 5a Abs. 1 Infek­ti­ons­schutz­ge­setz).

Aktu­ell gibt es Über­le­gun­gen im Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um, in Modell­ver­su­chen qua­li­fi­zier­ten Pfle­ge­fach­per­so­nen »erwei­ter­te Ver­sor­gungs­auf­ga­ben in der Regel­ver­sor­gung« zu über­tra­gen. Gedacht ist dabei an die vom G‑BA defi­nier­ten Dia­gno­sen zu Demenz, Dia­be­tes und Wund­ver­sor­gung (Vor­läu­fi­ge Eck­punk­te Pfle­ge­kom­pe­tenz­ge­setz, 18.12.2023). In dem geplan­ten »Pfle­ge­kom­pe­tenz­ge­setz« soll auch das Berufs­bild »Advan­ced Prac­ti­ce Nur­se (APN)« eta­bliert und zur »eigen­ver­ant­wort­li­chen und selb­stän­di­gen Aus­übung von Heil­kun­de befä­higt« wer­den (eben­da).

  1. Neue Berufs­bil­der und Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen

Das Berufs­prin­zip ist eine der tra­gen­den Säu­len des deut­schen Wirt­schafts­sys­tems. Die Tat­sa­che, dass sich Berufs­qua­li­fi­ka­tio­nen über­wie­gend in Beru­fen mani­fes­tie­ren, die durch staat­lich gere­gel­te Aus­bil­dungs­ord­nun­gen oder durch Wei­ter­bil­dungs­ab­schlüs­se und nicht durch »trai­ning on the job« ver­mit­telt wer­den, gilt als eine der Stär­ken hie­si­ger Öko­no­mie. Das gilt ins­be­son­de­re für die Heil­be­ru­fe, die dar­über hin­aus einer spe­zi­fi­schen Zulas­sung bedür­fen.

Das deut­sche Berufs­bil­dungs­sys­tem basiert auf drei Säu­len, den ca. 320 staat­lich aner­kann­ten Aus­bil­dungs­be­ru­fen auf Grund­la­ge des Berufs­bil­dungs­ge­set­zes (BBiG), schu­li­schen Berufs­aus­bil­dun­gen nach Lan­des­recht und den »ande­ren als ärzt­li­chen Heil­be­ru­fen«, die nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 (Grund­ge­setz) auf Grund­la­ge von Berufs­zu­las­sungs­ge­set­zen gere­gelt sind.[10]

Die Beru­fe der medi­zi­ni­schen und zahn­me­di­zi­ni­schen Fach­an­ge­stell­ten zäh­len zu den von Frau­en am häu­figs­ten gewähl­ten Aus­bil­dungs­be­ru­fen nach BBiG. Nach Lan­des­recht gere­gelt sind die Aus­bil­dun­gen der Erzieher/Erzieherinnen und in der Heil­päd­ago­gik sowie die zahl­lo­sen vari­an­ten­rei­chen Pfle­ge­hel­fer/-innen- und Pfle­ge­as­sis­tenz­aus­bil­dun­gen. Es gibt zur Zeit 18 auf Grund­la­ge von Berufs­zu­las­sungs­ge­set­zen gere­gel­te Heil­be­ru­fe, die nicht regel­haft an Hoch­schu­len, son­dern an so genann­ten »Schu­len des Gesund­heits­we­sens« aus­ge­bil­det wer­den. Dar­un­ter zäh­len u.a. die Pfle­ge­be­ru­fe, die medi­zi­nisch-tech­ni­schen und die The­ra­pie­be­ru­fe.[11]

Beson­ders in chir­ur­gi­schen Fach­ge­bie­ten, aber nicht nur dort, wer­den neue Beru­fe gebas­telt. Bekann­tes­te Bei­spie­le sind die Anäs­the­sie­tech­ni­schen und Ope­ra­ti­ons­tech­ni­schen Assis­ten­ten/-innen, die sich bereits eta­bliert haben und seit 2019 mit Aus­bil­dungs­be­ginn 01.01.2022 gesetz­lich gere­gelt sind. Die auf Grund­la­ge von DKG-Richt­li­ni­en begon­ne­nen Aus­bil­dun­gen, wer­den auf die­ser Grund­la­ge zu Ende geführt und nach­träg­lich aner­kannt.

Die Pro­ble­ma­tik unge­re­gel­ter Berufs­aus­bil­dun­gen wird nach­fol­gend an eini­gen Bei­spie­len erläu­tert.

Die OTA-Aus­bil­dung war Anfang der 1990er Jah­re an ein­zel­nen Kran­ken­häu­sern nach haus­ei­ge­nem Kon­zept vor dem Hin­ter­grund offen­sicht­li­chen Man­gels an Pfle­ge­per­so­nal ins­be­son­de­re im OP ein­ge­führt wor­den. Ihr folg­te die ATA-Aus­bil­dung, für die bei­de dann in soge­nann­ten Emp­feh­lun­gen der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft (DKG)[12] immer­hin bun­des­ein­heit­li­che Vor­ga­ben ent­wi­ckelt wur­den. Die DKG regel­te die »Aner­ken­nung« von Schu­len und über­wach­te die Prü­fungs­ver­fah­ren.

Die­se von Arbeit­ge­ber­sei­te selbst erfun­de­nen Beru­fe haben den Vor­zug, dass sie schnel­ler aus­ge­bil­det und auf ein spe­zi­el­les, oft sehr enges Tätig­keits­feld zuge­schnit­ten und schlech­ter bezahlt wer­den kön­nen, bis eine tarif­ver­trag­li­che Rege­lung erfolgt. Wäh­rend die wei­ter­ge­bil­de­te OP-Pfle­ge­fach­kraft einer min­des­tens fünf­jäh­ri­gen Aus- und Wei­ter­bil­dung bedurf­te, genüg­te hier eine drei­jäh­ri­ge Aus­bil­dung an haus­ei­ge­nen Schu­len mit selbst fest­ge­leg­ten Aus­stat­tungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­merk­ma­len der Lehr­kräf­te. Das Tätig­keits­feld ist weit­ge­hend auf den OP und die Not­fall­am­bu­lanz beschränkt. Im Unter­schied zu OP-Pfle­ge­per­so­nal schei­den ande­re pfle­ge­be­zo­ge­ne Ein­satz­be­rei­che aus.

Da nicht staat­lich aner­kannt, erfolg­te auch kei­ne Refi­nan­zie­rung der Aus­bil­dungs­kos­ten nach dem Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rungs­ge­setz (KHG), wie bei den meis­ten ande­ren Heil­be­ru­fen. Die Aus­bil­dun­gen muss­ten aus dem Per­so­nal­bud­get der Kran­ken­häu­ser bezahlt wer­den, was offen­bar kein Hin­de­rungs­grund war. Die Aus­bil­dungs­sta­tis­tik des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes wies zuletzt für das Schul­jahr 202021 genau 2.139 Aus­bil­dungs­plät­ze für OTA nach.[13] Neben den DKG-Emp­feh­lun­gen exis­tier­ten drei lan­des­recht­lich gere­gel­te Aus­bil­dun­gen mit unter­schied­li­chen Bezeich­nun­gen und Aus­bil­dungs­for­ma­ten.

Durch Recht­spre­chung wur­de bereits 2007 ent­schie­den, dass auf die OTA-Aus­bil­dung die Vor­schrif­ten des Berufs­bil­dungs­ge­set­zes anzu­wen­den sind.[14] Das sichert zumin­dest für die prak­ti­schen Aus­bil­dungs­tei­le ein Mini­mum an Rechts­si­cher­heit und Aus­bil­dungs­qua­li­tät.[15]

Chir­ur­gisch-tech­ni­scher Assistent/ Chir­ur­gisch-tech­ni­sche Assis­ten­tin

Das gilt auch für die wei­ter­hin unge­re­gel­te Aus­bil­dung in Chir­ur­gisch-tech­ni­scher Assis­tenz (CTA), deren »Erfin­dung« stolz von der Kai­sers­wert­her Dia­ko­nie ver­mel­det wird.[16] Pate stand hier nicht die DKG son­dern die Deut­sche Gesell­schaft für Chir­ur­gie mit ihrer aus­ge­wie­se­nen berufs­päd­ago­gi­schen Kom­pe­tenz. Die Aus­bil­dung wird an pri­va­ten Schu­len oder »Aka­de­mien« ange­bo­ten und gemein­sam mit Kran­ken­häu­sern orga­ni­siert. Die Mut­ter aller CTA-Schu­len in Kai­sers­werth weist mehr als 60 zumeist kirch­li­che Kran­ken­häu­ser als Koope­ra­ti­ons­part­ner aus. Schul­geld wird nicht ver­langt, was auf Grund der Recht­spre­chung zur BBiG-Anwen­dung auch nicht zuläs­sig wäre, und die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Aus­bil­dungs­ver­gü­tung wird von den Kran­ken­häu­sern aus ihren Per­so­nal­bud­gets gezahlt, da auch die­se Aus­bil­dung man­gels staat­li­cher Aner­ken­nung nicht aus Mit­teln des KHG über Aus­bil­dungs­fonds refi­nan­ziert wird.

Gelockt wer­den die jun­gen Leu­te mit einer flot­ten Inter­net­sei­te und fol­gen­dem Ver­spre­chen: »Wor­auf du dich freu­en kannst. Die Aus­bil­dung ist die per­fek­te Kom­bi­na­ti­on aus Auf­ga­ben im OP, auf der Sta­ti­on und im ambu­lan­ten Bereich eines Kran­ken­hau­ses. Du pro­fi­tierst dabei durch die vie­len ver­schie­de­nen Fach­ge­bie­te, die du wäh­rend dei­ner Aus­bil­dung ken­nen­lernst. Die Chir­ur­g­in­nen und Chir­ur­gen, die Chir­ur­gisch-Tech­ni­schen Assis­ten­tin­nen und Chir­ur­gisch-Tech­ni­schen Assis­ten­ten sowie die Pfle­ge-Teams unter­stüt­zen dich in dei­ner Ent­wick­lung, sodass du schnell an Erfah­rung gewinnst. …«[17]

In einer ande­ren Beschrei­bung des Berufs­bilds heißt es: »Der haupt­säch­li­che Ein­satz­ort für einen CTA ist der OP-Saal. Hier über­neh­men chir­ur­gisch-tech­ni­sche Assis­ten­ten, unter fach­kun­di­ger Auf­sicht und Anlei­tung eines Arz­tes, diver­se medi­zi­ni­sche und ope­ra­ti­ons­tech­ni­sche Auf­ga­ben. Zu denen gehö­ren unter ande­rem :

  • fach­ge­rech­te Pati­en­ten­la­ge­rung und wei­te­re Vor­be­rei­tungs­ar­bei­ten unmit­tel­bar vor einer OP
  • und 2. Assis­tenz­funk­ti­on eines Chir­ur­gen wäh­rend einer OP
  • pro­fes­sio­nel­le und effi­zi­en­te Ent­las­tung des lei­ten­den Ope­ra­teurs wäh­rend der OP
  • fach­ge­rech­te Ver- und Anwen­dung chir­ur­gi­scher Instru­men­te
  • Durch­füh­rung ein- bzw. mehr­schich­ti­ger Wund­ver­schlüs­se
  • fach­ge­rech­te Anwen­dung ope­ra­ti­ver Ver­kno­tung
  • Legen von Magen­son­den

Die medi­zi­ni­schen Tätig­kei­ten wäh­rend einer OP unter­schei­den das Berufs­bild CTA maß­geb­lich von dem eines ope­ra­ti­ons­tech­ni­schen Assis­ten­ten (OTA), der über­wie­gend mit nicht-medi­zi­ni­schen bzw. nicht-chir­ur­gi­schen Auf­ga­ben wäh­rend einer OP betraut ist.«[18]

Es ist offen­sicht­lich, dass die­ses Berufs­bild nur unzu­rei­chend von dem der OTA abge­grenzt ist, wes­halb der Gesetz­ge­ber wohl auch dar­auf ver­zich­tet hat, es geson­dert zu regeln. Tätig­kei­ten wie die oben beschrie­be­nen stel­len zwei­fels­frei eine Aus­übung der Heil­kun­de dar. Auch wenn heil­kund­li­che Tätig­kei­ten dele­giert wer­den dür­fen, soweit sie unter unmit­tel­ba­rer Auf­sicht des dele­gie­ren­den ärzt­li­chen Per­so­nals erfol­gen, erscheint es doch fahr­läs­sig, sie außer­halb einer staat­lich gere­gel­ten Aus­bil­dung ohne rechts­ver­bind­li­che Qua­li­täts­vor­ga­ben ver­mit­teln zu wol­len.

Gefäß­as­sis­ten­t/-in

Die Qua­li­fi­zie­rung zum/zur Gefäss­as­sis­ten­t/-in[19] ist im Unter­schied zur CTA als Wei­ter­bil­dung kon­zi­piert, deren theo­re­ti­scher Teil eine Woche Block­un­ter­richt und gan­ze sie­ben wei­te­re Tage zzgl. einer zwei­wö­chi­gen Hos­pi­ta­ti­on in angren­zen­den Berei­chen umfasst. Die prak­ti­sche Wei­ter­bil­dung soll 1–2 Jah­re dau­ern. Die Teil­nah­me setzt sehr unter­schied­li­che Aus­bil­dungs­be­ru­fe vor­aus[20]. Die Wei­ter­bil­dung erscheint als eine Unter­spe­zia­li­sie­rung der CTA, wobei CTA auch als einer der Zugangs­be­ru­fe genannt wird.

Betriebs- oder kon­zern­be­zo­ge­nes Beru­fe­bas­teln ist in einem auf staat­lich aner­kann­ten Beru­fen basie­ren­den Wirt­schafts- und Ver­sor­gungs­sys­tem auf Dau­er nicht tole­rier­bar. Das gilt erst recht für Gesund­heits­fach­be­ru­fe, denen eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung zukommt. Berufs­bil­der, die spe­zi­ell für die Über­nah­me ärzt­li­cher Tätig­kei­ten ent­wi­ckelt wer­den, ohne über eine Appro­ba­ti­on als Arzt/Ärztin zu ver­fü­gen, bedür­fen der staat­li­chen Rege­lung ins­be­son­de­re auch im Hin­blick auf die Aus­übung der Heil­kun­de. Weder DKG-Richt­li­ni­en noch Emp­feh­lun­gen medi­zi­ni­scher Fach­ge­sell­schaf­ten kön­nen rechts­ver­bind­li­che staat­li­che Rege­lun­gen auf Dau­er erset­zen.

  1. Die Über­tra­gung pfle­ge­ri­scher und pfle­ge­naher Tätig­kei­ten auf Pfle­ge­as­sis­tenz- und Ser­vice­per­so­nal und aktu­el­le Ent­wick­lun­gen

Par­al­lel zur Dis­kus­si­on um Ent­las­tung des ärzt­li­chen Per­so­nals von »arzt­frem­den« Tätig­kei­ten oder der Über­tra­gung ärzt­li­cher Tätig­kei­ten auf ande­res Per­so­nal wird die Ent­las­tung des Pfle­ge­per­so­nals von so genann­ten »pfle­ge­frem­den« Tätig­kei­ten bzw. die Abga­be pfle­ge­ri­scher Auf­ga­ben an Pfle­ge­as­sis­tenz oder Ser­vice­per­so­nal dis­ku­tiert. Dabei geht es um Auf­ga­ben der soge­nann­ten »Grund­pfle­ge«, Unter­stüt­zung bei Akti­vi­tä­ten des täg­li­chen Lebens, wie Kör­per­pfle­ge, Nah­rungs­auf­nah­me, Aus­schei­dun­gen, Essens­aus­ga­be im Kran­ken­haus, haus­wirt­schaft­li­che und Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten (z.B. Demen­ten­be­treu­er/-in), um Ent­las­tung von orga­ni­sa­to­ri­schen (z.B. Hol- und Brin­ge­diens­te) und admi­nis­tra­ti­ven Auf­ga­ben (Sta­ti­ons­as­sis­ten­tin). Ziel­set­zung ist auch hier, die jewei­li­ge Tätig­keit von bil­li­ge­ren Arbeits­kräf­ten erle­di­gen zu las­sen, was im Ergeb­nis auch die ärzt­li­che oder pfle­ge­ri­sche Tätig­keit selbst ent­wer­tet.

Die Dis­kus­si­on um eine sinn­vol­le Arbeits­tei­lung in der Pfle­ge wird bereits seit den 1980er Jah­ren geführt und fei­ert seit etwa zehn Jah­ren unter dem Stich­wort »Qua­li­fi­ka­ti­ons­mix« ihre Auf­er­ste­hung. Dazwi­schen waren Ver­su­che, etwa das ang­lo-ame­ri­ka­ni­sche »Pri­ma­ry Nur­sing« in Deutsch­land ein­zu­füh­ren mehr oder weni­ger geschei­tert. In etli­chen Kran­ken­häu­sern war die Funk­ti­ons­pfle­ge durch Sys­te­me der Zimmer‑, Bezugs- oder Grup­pen­pfle­ge abge­löst wur­den, die dann aber zu einem guten Teil dem Per­so­nal­ab­bau nach Aus­set­zen der Pfle­ge­per­so­nal­re­ge­lung (PPR) wie­der zum Opfer fie­len.

Pfle­ge­as­sis­tenz­kräf­te wur­den und wer­den je nach Orga­ni­sa­ti­on der Pfle­ge­ar­beit und Berufs­er­fah­rung wie Fach­kräf­te ein­ge­setzt, ins­be­son­de­re bei unzu­rei­chen­der Per­so­nal­be­set­zung. Eine recht­lich ver­bind­li­che Abgren­zung der Auf­ga­ben­be­rei­che gab es bis­her nicht. Ver­ein­zelt sind Urtei­le bekannt, die den Pfle­ge­hilfs­kräf­ten Injek­tio­nen oder ander­wei­ti­ge Medi­ka­men­ten­ga­be unter­sa­gen und sich mit Fra­gen von Grund- und Behand­lungs­pfle­ge befas­sen. Die mit dem Pfle­ge­be­ru­fe­ge­setz ab 2020 ein­ge­führ­ten Vor­be­halts­auf­ga­ben für Pfle­ge­fach­kräf­te wer­den das nicht grund­sätz­lich ändern, weil die Pfle­ge­pla­nung, Durch­füh­rung und Eva­lu­ie­rung der Pfle­ge nicht unter den Vor­be­halt fal­len und wei­ter­hin von jeder­mann aus­ge­übt wer­den kön­nen, soweit dem nicht ande­re Vor­ga­ben etwa in den Sozi­al­ge­setz­bü­chern ent­ge­gen­ste­hen.

In der aktu­el­len Gesetz­ge­bung sind meh­re­re Ten­den­zen erkenn­bar. In der Per­so­nal­be­mes­sung soll ein an tay­lo­ris­ti­schen Prin­zi­pi­en[21] aus­ge­rich­te­ter Qua­li­fi­ka­ti­ons­mix ent­wi­ckelt wer­den, der die »star­re Fach­kraft­quo­te« in der Lang­zeit­pfle­ge erset­zen soll. Dabei wird für jede Ver­rich­tung das Min­dest­maß an dafür not­wen­di­ger Qua­li­fi­ka­ti­on zu Grun­de gelegt.[22]

Die ca. 30 lan­des­recht­li­chen Aus­bil­dungs­re­ge­lun­gen für Pfle­ge­as­sis­tenz­be­ru­fe sol­len mit einem zu schaf­fen­den Pfle­ge­as­sis­tenz­ge­setz eine ein­heit­li­che bun­des­recht­li­che Grund­la­ge bekom­men. Am ande­ren Ende der Pfle­ge­hier­ar­chie soll par­al­lel mit den Plä­nen für ein Pfle­ge­kom­pe­tenz­ge­setz das Berufs­bild der Advan­ced Nur­sing Prac­ti­ce (ANP) gere­gelt und für deren Tätig­keit eine Grund­la­ge in der Ver­sor­gung geschaf­fen wer­den. Gedacht ist an einen Berufs­ab­schluss auf Mas­ter­ni­veau, der zur eigen­ver­ant­wort­li­chen und selb­stän­di­gen Aus­übung von Heil­kun­de befä­higt.

Advan­ced Prac­ti­ce Nur­sing (Nur­se Prac­ti­tio­ner)

An weni­gen deut­schen Hoch­schu­len wer­den bis­her Stu­di­en­gän­ge in Advan­ced Prac­ti­ce Nur­sing ange­bo­ten, deren Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten auch als »Nur­se Prac­ti­tio­ner« bezeich­net wer­den. Den ver­schie­de­nen Abschluss­be­zeich­nun­gen ent­spre­chen unter­schied­li­che Stu­di­en­gangs­kon­zep­te. Offen­sicht­lich gibt es zudem auch ver­schie­de­ne Vor­stel­lun­gen dar­über, für wel­che spe­zi­fi­schen Auf­ga­ben im Stu­di­um qua­li­fi­ziert wer­den soll.

Zunächst hat­ten sich drei deutsch­spra­chi­ge Berufs­ver­bän­de auf die ein­heit­li­che Bezeich­nung »Pflegeexperte/in APN« geei­nigt[23]. APN steht dabei für Advan­ced Prac­ti­ce Nur­se. Der Ter­mi­nus kön­ne auch als Ober­be­griff für wei­te­re Unter­spe­zia­li­sie­run­gen gel­ten, wie Cli­ni­cal Nur­se Spe­cia­lists (CNS), Hig­her Level Prac­ti­tio­ners (HLP), Nur­se Con­sul­tants (NC), Public Health Nur­ses (PHN).[24] Im Unter­schied zu vie­len pfle­ge­be­zo­ge­nen Stu­di­en­gän­gen, die eher auf lei­ten­de und leh­ren­de Auf­ga­ben vor­be­rei­ten, soll bei APN die direk­te unmit­tel­ba­re Pfle­ge im Mit­tel­punkt ste­hen. Das wirft natür­lich Fra­gen der Abgren­zung zu her­kömm­lich aus- und wei­ter­ge­bil­de­ten Pfle­ge­fach­kräf­ten auf. Sei­tens der Berufs­ver­bän­de wird die Lösung des Pro­blems in einem stär­ker aus­ge­präg­ten Skill-Mix und Skill-Gra­de­mix gese­hen.[25]

Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich ist eher an Stu­di­en­gän­ge auf Mas­ter­ni­veau gedacht. In Deutsch­land wer­den aber vor­wie­gend Bache­lor­stu­di­en­gän­ge als Wei­ter­bil­dung für Pfle­ge­be­ru­fe ange­bo­ten, die oben­drein mit den Stu­di­en­gän­gen im Modell­ver­such und der Hoch­schul­aus­bil­dung nach Pfle­ge­be­ru­fe­ge­setz (PflBG) kon­kur­rie­ren, wel­che eine Berufs­aus­bil­dung mit einem ers­ten Hoch­schul­ab­schluss kom­bi­nie­ren. Letz­te­re dürf­ten, da hier die Erst­aus­bil­dung im Vor­der­grund steht, im Hin­blick auf die pfle­ge­prak­ti­sche Kom­pe­tenz eher mit der her­kömm­li­chen betrieb­lich-schu­li­schen Aus­bil­dung ver­gleich­bar sein.

Das drei­jäh­ri­ge berufs­be­glei­ten­de Stu­di­um setzt neben der Hoch­schul­zu­gangs­be­rech­ti­gung eine abge­schlos­se­ne Berufs­aus­bil­dung in einem Pfle­ge­be­ruf vor­aus. Bei den vor­lie­gen­den Kon­zep­ten fällt die inhalt­li­che Ähn­lich­keit mit staat­lich gere­gel­ten Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bo­ten für Pfle­ge­fach­kräf­te auf. Die dort genann­ten Schwer­punk­te sind jeweils auch durch ent­spre­chen­de Wei­ter­bil­dungs­ab­schlüs­se abge­deckt. Im Fal­le der Hoch­schul­aus­bil­dung sind sie ergänzt um einen ers­ten Hoch­schul­ab­schluss.

Ein Blick ins euro­päi­sche Aus­land zeigt ein eher unein­heit­li­ches Bild. Nur 14 der 20 Län­der, die über einen APN-Rah­men­plan ver­fü­gen, hal­ten sich an die Defi­ni­ti­on des Inter­na­tio­nal Coun­cil of Nur­ses (ICN) und nur 11 Län­der haben eine gesetz­li­che Grund­la­ge für die ange­streb­te Qua­li­fi­ka­ti­on. Gro­ße Varia­tio­nen gibt es auch hin­sicht­lich der Zugangs­qua­li­fi­ka­tio­nen, die vom Berufs­ab­schluss bis zur Mas­ter­qua­li­fi­ka­ti­on rei­chen.[26]

Zwar sind die Kon­tu­ren auch des deut­schen APN-Pro­jekts noch nicht deut­lich erkenn­bar. Zumin­dest scheint im BMG klar zu sein, dass man die Ent­wick­lung von Berufs­qua­li­fi­ka­tio­nen nicht los­ge­löst von den Beschäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten auf dem Arbeits­markt betrach­ten soll­te.

Desas­ter Nur­sing

Zu guter Letzt for­dert auch die Zei­ten­wen­de ihren Tri­but. Das Bun­des­in­sti­tut für Berufs­bil­dung (BiBB) hat ein zwei­jäh­ri­ges Pro­jekt zur Ent­wick­lung eines Qua­li­fi­zie­rungs­mo­duls »Pfle­ge­han­deln in Kri­sen und Kata­stro­phen« mit dem schö­nen eng­li­schen Titel »Desas­ter Nur­sing« ausgeschrieben.16 Dem ist nichts hin­zu­zu­fü­gen.

 

Eini­ge Bei­spie­le für staat­lich nicht gere­gel­te Aus- oder Wei­ter­bil­dun­gen:

Anäs­the­sie­techn. Assistent/in (ATA)
Ope­ra­ti­ons­techn. Assis­ten­t/-in (OTA)
Chir­ur­gisch-techn. Assis­ten­t/-in (CTA)
Chir­ur­gie­as­sis­ten­t/-in, Chirurgische/r Operationsassistent/in (COA)
Gefäß­as­sis­ten­t/-in,
Endo­vas­ku­lä­re Assis­ten­t/-in
Phle­bo­to­mis­t/-in
Pain Nur­se, Rese­arch Nur­se,
Stro­ke Nur­se Case-Mana­ger/-in,
Case-Mix Per­for­mer
Demen­ten­be­treu­er/-in
Dia­be­tes­be­ra­te­rin

An Hoch­schu­len aus­ge­bil­det:

Phy­si­ci­an Assistants (PA) /
Car­dio­lo­gy Assis­tance (CA)/
Inten­si­ve Care Prac­ti­tio­ner (ICP),
Fami­ly Health Nur­se (FHN),
Advan­ced Nur­sing Prac­ti­ce (ANP)

 

Gerd Diel­mann ist Kran­ken­pfle­ger, Berufs­päd­ago­ge und Gewerk­schafts­se­kre­tär i.R. Er war zuvor in der ver.di-Bundesverwaltung u.a. zustän­dig für die Gesund­heits­be­ru­fe.

Quel­len:

[1]      Diel­mann, Gerd: Fabrik Kran­ken­haus – Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Arbeits­tei­lung in Kli­ni­ken. In: Gesund­heit braucht Poli­tik. Nr. 3/2014, 29. Jahr­gang, S. 4 – 6, Frankfurt/Main, Okto­ber 2014
[2]      Deut­sches Kran­ken­haus­in­sti­tut – DKI [Hrsg.] (2008). Offer­manns, M. u.a.: Neu­ord­nung von Auf­ga­ben des Ärzt­li­chen Diens­tes, Düs­sel­dorf 2008
[3]      »Heil­prak­ti­ker­ge­setz in der im Bun­des­ge­setz­blatt Teil III, Glie­de­rungs­num­mer 2122–2, ver­öf­fent­lich­ten berei­nig­ten Fas­sung, das zuletzt durch Arti­kel 17e des Geset­zes vom 23. Dezem­ber 2016 (BGBl. I S. 3191) geän­dert wor­den ist«, https://www.
gesetze-im-internet.de/heilprg/HeilprG.pdf (15.03.2024)
[4]      u.a. VG Trier 18.08.2010, 5 K 22110.TR (https://openjur.de/u/
2220304.html), 15.03.2024
[5]      ArbG Koblenz, Urt. v. 24.8.1993 – 3 Ca 71393, Rn. 8 (WKRS 1993, 10737)
[6]      »Richt­li­nie des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses über die Fest­le­gung ärzt­li­cher Tätig­kei­ten zur Über­tra­gung auf Berufs­an­ge­hö­ri­ge der Alten- und Kran­ken­pfle­ge zur selb­stän­di­gen Aus­übung von Heil­kun­de im Rah­men von Modell­vor­ha­ben nach § 63 Abs. 3c SGBV« vom 22.3.2012 (https://www.g‑ba.de/richt
linien/77/) 15.03.2024
[7]      Diel­mann, Gerd: Pfle­ge­be­ru­fe­ge­setz. Kom­men­tar 2. Aufl., § 14 PflBG, Rn. 1–7a, Mabu­se Ver­lag 2022
[8]      Fach­kom­mis­si­on nach § 53 Pfle­ge­be­ru­fe­ge­setz: Stan­dar­di­sier­te Modu­le zum Erwerb erwei­ter­ter Kom­pe­ten­zen zur Aus­übung heil­kund­li­cher Auf­ga­ben. o.O. 2022 (https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/17717), 15.03.2024
[9]      Diel­mann, Gerd/Malottke, Annet­te: Not­fall­sa­ni­tä­ter­ge­setz – Kom­men­tar, § 4 Not­SanG Rn. 11–13, Mabu­se Ver­lag 2017
[10]     Vgl. hier­zu: Diel­mann, Gerd: Die Gesund­heits­be­ru­fe im Berufs­bil­dungs­sys­tem – ein Über­blick. In: Denk-doch-Mal.de. Das online-Maga­zin, Aus­ga­be 01–21 (April 2021). (http://denk-doch-mal.de/wp/gerd-dielmann-die-gesundheitsberufe-im-
berufs­bil­dungs­sys­tem-ein-ueber­blick/), 15.03.2024
[11] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/gesundheitsberufe/gesundheitsberufe-allgemein.html
[12]     DKG-Emp­feh­lung zur Aus­bil­dung und Prü­fung von Ope­ra­ti­ons­tech­ni­schen und Anäs­the­sie­tech­ni­schen Assistentinnen/Assistenten,  Emp­feh­lung der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft vom 17. Sep­tem­ber 2013, o.A.
[13]     Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt (Desta­tis), Fach­se­rie 11 Rei­he 2, 2021
[14]     Diel­mann, Gerd: Berufs­bil­dungs­ge­setz gilt auch für OTA-Aus­bil­dung. In: Info­dienst Kran­ken­häu­ser Heft Nr. 37, Juni 2007, S. 30 f., Han­no­ver
[15]     Diel­mann, Gerd: Neue Beru­fe zwi­schen Medi­zin und Pfle­ge – Bedar­fe und Rege­lungs­not­wen­dig­kei­ten. In: Pundt, Johanne/Kälble, Karl (Hrsg.), Gesund­heits­be­ru­fe und gesund­heits­be­ruf­li­che Bil­dungs­kon­zep­te, Apol­lon Uni­ver­si­ty Press, Bre­men 2015, S. 246–247
[16]     »Rich­tig gut abschnei­den: Chir­ur­gisch-Tech­ni­scher Assis­tent, Chir­ur­gisch-Tech­ni­sche Assis­ten­tin« – »Bit­te sau­gen, ich
sehe nichts!«, (https://www.kaiserswerther-diakonie.de/aus-
und-wei­ter­bil­dung-stu­di­um/aus­bil­dungs­staet­ten-fuer-gesund
heits­fach­be­ru­fe/aus­bil­dun­g/­chir­ur­gisch-tech­ni­scher-assis­ten
tin/). 15.03.2024
[17]     Eben­da
[18]     https://www.doctari.de/pflegekraefte/berufe/cta-chirurgisch-
technischer-assistent#arbeitsgebiete-cta
[19]     »Gesundheitspfleger/in, Medizinische/r Fachangestellte/r (MFA), Operationstechnische/r Assistent/in (OTA), Medi­zi­nisch-tech­ni­sche/r Assistent/in (MTA), Radio­lo­gisch-tech­ni­sche/r Assistent/in (RTA) und u.U. ande­rer medi­zi­ni­scher Beru­fe.« Wei­ter­bil­dungs­kon­zept Gefäß­as­sis­tent (https://www.dgg-akademie.de/fileadmin/website/weiterbildungskonzept_gefaessassistent_in_neu.pdf), 15.03.2024
[20]     Vgl. Roth­gang, Heinz: Ein Maß für den Pfle­ge­be­darf. In: G&G-
Digi­tal 0321 (https://archiv.gg-digital.de/2021/03/ein-mass-fuer-den-personalbedarf/), 15.03.2024
[21]     »Unter Tay­lo­ri­sie­rung im wei­te­ren Sin­ne wird die Gesamt­heit der Bemü­hun­gen ver­stan­den, die dar­auf zie­len, durch (arbeits­ana­ly­tisch begrün­de­te) Zer­le­gung und Nor­mie­rung von Tätig­kei­ten sowie durch eine ent­spre­chen­de Per­son­aus­le­se betrieb­li­che Leis­tun­gen zu stei­gern« Lem­pert, W. (1983). Tay­lo­ri­sie­rung der Ver­ant­wor­tung: der Bei­trag groß­be­trieb­li­cher Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on zur Aus­bil­dung destruk­ti­ver Poten­tia­le, Frank­fur­ter Hef­te, 38(8), 13–24, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168- ssoar-13039
[22]     DBfK 2013, S. 4 (https://www.dbfk.de/media/docs/newsroom/dbfk-positionen/ANP-DBfK-OeGKV-SBK_2013.pdf), 15.03.2024
[23]     DBfK (Hrsg.) Advan­ced Prac­ti­ce Nur­sing, 4. Aufl. 2019, S. 13
[24]     Eben­da, S. 30. (https://www.dbfk.de/media/docs/newsroom/publikationen/Advanced-Practice-Nursing-Broschuere-2019.pdf), 15.03.2024
[25]     ADVANCED PRACTICE NURSING (APN), Stu­die der Euro­pean Fede­ra­ti­on of Nur­ses Asso­cia­ti­ons (EFN) von 2021 (https://efn.eu/?page_id=15936), 15.03.2024
[26]     Bun­des­in­sti­tut für Berufs­bil­dung »Aktu­el­le Auf­trags­ver­ga­ben« (https://www.bibb.de/de/483.php), 17.03.2024


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