Posi­tio­nie­rung wesent­li­cher Inter­es­sen­ver­tre­ter zum KHVVG

Von Tho­mas Böhm für den vdää.

Die Posi­tio­nen der Par­tei­en im Bun­des­tag

waren wenig über­ra­schend: Die Koali­ti­ons­frak­tio­nen (SPD, Grü­ne, FDP) stimm­ten für das Gesetz, alle ande­ren Par­tei­en dage­gen. (Es gab nur zwei »Abweich­ler«: Ein SPD- und ein FDP-Abge­ord­ne­ter haben mit nein gestimmt)

Die Bun­des­län­der

haben zunächst in einer ein­stim­mi­gen Ent­schlie­ßung fol­gen­de zen­tra­le Kri­tik­punk­te vor­ge­tra­gen: Sie kri­ti­sie­ren die feh­len­de Aus­wir­kungs­ana­ly­se und die feh­len­de Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung. Die Ver­gü­tungs­sys­te­ma­tik füh­re nur begrenzt zu einer Ent­öko­no­mi­sie­rung, der Zeit­plan der Ein­füh­rung sei zu knapp bemes­sen, die Rege­lun­gen zur sek­toren­über­grei­fen­de Ver­sor­gung sei­en unzu­rei­chend und schöpf­ten das Ambu­lan­ti­sie­rungs­po­ten­ti­al nicht aus. Sie for­dern, dass das Gesetz im Bun­des­rat zustim­mungs­pflich­tig ist. Sie akzep­tie­ren die Ein­füh­rung von leicht ent­schärf­ten Min­dest­vor­hal­te­zah­len, obwohl sie sie (rich­ti­ger­wei­se) als Ein­griff in die Pla­nungs­ho­heit der Län­der bewer­ten. Sie plä­die­ren für deut­lich erwei­ter­te Ent­schei­dungs­spiel­räu­me für Aus­nah­me­re­ge­lun­gen durch die Län­der. Beim Trans­for­ma­ti­ons­fonds wol­len sie, dass der Bund sich mit 20 Mil­li­ar­den betei­ligt. Der Anteil der Kran­ken­kas­sen (Gesund­heits­fonds) soll 15 Mil­li­ar­den betra­gen. Der Anteil der Län­der soll min­des­tens 30% (incl. Trä­ger­an­teil!!) des jewei­li­gen För­der­pro­jekts sein.

In der ent­schei­den­den Bun­des­rats­sit­zung am 22.11.2024 haben sechs Län­der (Baden-Wüt­tem­berg, Bay­ern, Bran­den­burg, NRW, Sach­sen, Sach­sen-Anhalt) für die Anru­fung des Ver­mitt­lungs­aus­schus­ses gestimmt. Die Län­der Bre­men, Ham­burg, Meck-Pom, Nie­der­sach­sen, Rhein­land-Pfalz und Saar­land stimm­ten mit Nein. Ber­lin, Hes­sen und Schles­wig-Hol­stein haben sich ent­hal­ten. Die Stim­me von Thü­rin­gen wur­de für ungül­tig erklärt. Damit war der Antrag abge­lehnt.

Der Spit­zen­ver­band der Gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV)

hält eine grund­le­gen­de Reform der Kran­ken­haus­ver­sor­gung für not­wen­dig und beklagt die Nicht­be­tei­li­gung der Selbst­ver­wal­tung (und damit der GKV) am Reform­pro­zess. Er geht von erheb­li­chen Mer­kos­ten für die Kas­sen aus. Leis­tungs­grup­pen (LG) wer­den begrüßt, aller­dings sei­en sie und die Qua­li­täts­kri­te­ri­en zu wenig aus­dif­fe­ren­ziert. Auch die Min­dest­vor­hal­te­zah­len wer­den begrüßt, aller­dings soll­te nicht nur die Vor­hal­te­ver­gü­tung gestri­chen wer­den, son­dern ein Leis­tungs­aus­schluss erfol­gen. Qua­li­täts­an­for­de­run­gen sol­len nicht in Koope­ra­ti­on erbracht wer­den dür­fen. Statt der Vor­hal­te­ver­gü­tung will die GKV eine »popu­la­ti­ons­be­zo­ge­ne« Ver­gü­tung (also eine Form der Capi­ta­ti­on). Die Finan­zie­rung des Trans­for­ma­ti­ons­fonds aus dem Gesund­heits­fonds der Kas­sen wird abge­lehnt. Die SüV (ehe­mals Level Ii) wer­den als »Trans­for­ma­ti­ons­chan­ce« gese­hen.

Der Ver­band der Pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung (PKV)

begrüßt die Reform, weil Struk­tur­än­de­run­gen wegen der hohen Kran­ken­haus- und Bet­ten­dich­te not­wen­dig sei­en. Die Vor­hal­te­ver­gü­tung und der voll­stän­di­ge Aus­gleich von Tarif­stei­ge­run­gen wer­den als Rück­kehr zur Selbst­kos­ten­de­ckung gese­hen und abge­lehnt. Statt­des­sen wird für die Wei­ter­ent­wick­lung des DRG-Sys­tems plä­diert. Die Finan­zie­rung des Trans­for­ma­ti­ons­fonds wird als ver­fas­sungs­wid­rig bezeich­net. Der Büro­kra­tie­auf­bau wird kri­ti­siert. Die PKV will bes­ser in die Selbst­ver­wal­tung ein­be­zo­gen wer­den.

Die Deut­sche Krankenhaus­gesellschaft (DKG)

kri­ti­siert die feh­len­de Über­gangs­fi­nan­zie­rung bis zum Wirk­sam­wer­den der Reform. Eine Pla­nung nach LG wird begrüßt, aller­dings wird die Beschrän­kung auf die NRW-LG gefor­dert und Min­dest­vor­hal­te­zah­len wer­den abge­lehnt. Die Vor­hal­te­ver­gü­tung sei nicht fall­zahl­un­ab­hän­gig, erzeu­ge mas­si­ven Büro­kra­tie­auf­wand sei kei­ne Ent­öko­no­mi­sie­rung und kei­ne Exis­tenz­si­che­rung. Sie ver­tei­le die zu gerin­gen Mit­tel nur um. Statt­des­sen soll­ten vor­han­de­ne Finan­zie­rungs­in­stru­men­te (Sicherstellungs‑, Notfallstufen‑, Zen­trums­zu­schlag) aus­ge­wei­tet und eine »ziel­ge­naue Metho­de der Struk­tur­kos­ten­fi­nan­zie­rung« ent­wi­ckelt wer­den. Das Poten­ti­al der SüV wer­de nicht aus­ge­schöpft und die Finan­zie­rungs­re­ge­lun­gen sei­en nicht aus­rei­chend, um sie betriebs­wirt­schaft­lich zu sichern. Die zeit­li­che Befris­tung wesent­li­cher Ver­sor­gungs­auf­ga­ben gebe kei­ne Pla­nungs­si­cher­heit. Bei den MD-Prü­fun­gen feh­le die »umfas­sen­de Ent­schla­ckung«. Der Trans­for­ma­ti­ons­fonds müs­se aus Mit­teln des Bun­des und der Län­der und nicht aus dem Gemein­sa­men Fonds der Kas­sen und durch Trä­ger­an­tei­le gespeist wer­den. Das Gesetz stel­le einen erheb­li­chen Ein­griff in die Lan­des­pla­nun­gen dar und sei des­halb zustim­mungs­pflich­tig. Der Geset­zes­ent­wurf blen­de die Fach­kräf­te­si­tua­ti­on völ­lig aus und ver­nach­läs­si­ge die Aus- und Wei­ter­bil­dungs­si­tua­ti­on.

Auch die Gewerk­schaft ver.di

kri­ti­siert die feh­len­de kurz­fris­ti­ge Exis­tenz­si­che­rung der Kran­ken­häu­ser und das »unge­steu­er­te Kli­nik­ster­ben«. Das Ziel der »Sicher­stel­lung einer qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen, flä­chen­de­cken­den Ver­sor­gung« wird begrüßt. Die »gewähl­ten Ansät­ze schei­nen jedoch nicht kon­se­quent und weit­rei­chend genug«. Not­wen­dig sei eine bedarfs­ge­rech­te Per­so­nal­aus­stat­tung und die Sicher­stel­lung der wohn­ort­na­hen Ver­sor­gung. Es feh­le eine umfas­sen­de Bedarfs- und Fol­gen­ab­schät­zung. Die Reform müs­se unter Betei­li­gung der betrof­fe­nen Beschäf­tig­ten umge­setzt wer­den. Für eine tat­säch­li­che Ent­öko­no­mi­sie­rung gin­gen die Reform­an­sät­ze nicht weit genug. Ver.di for­dert die gewerk­schaft­li­che Betei­li­gung bei der Wei­ter­ent­wick­lung der LG und Qua­li­täts­kri­te­ri­en. Für den Trans­for­ma­ti­ons­fonds dür­fen kei­ne Mit­tel aus dem Gemein­sa­men Fonds ver­wen­det wer­den bzw. die Pri­vat­ver­si­cher­ten müs­sen betei­ligt wer­den. Die Vor­hal­te­ver­gü­tung sei wei­ter­hin fall­zahl­ab­hän­gig und set­ze wei­ter­hin nega­ti­ve Anrei­ze. Es wird die Aus­glie­de­rung sämt­li­cher Per­so­nal­kos­ten aus den Fall­pau­scha­len und ihre kos­ten­de­cken­de Refi­nan­zie­rung gefor­dert. »ver.di setzt sich für die voll­stän­di­ge Abschaf­fung und Über­win­dung der Fall­pau­scha­len ein.« Eine Gewinn­ver­bot wird aller­dings nicht gefor­dert. Die Refi­nan­zie­rung von Tarif­stei­ge­run­gen wird aus­drück­lich begrüßt. LG wer­den grund­sätz­lich begrüßt, in den Qua­li­täts­kri­te­ri­en müss­ten Per­so­nal­be­mes­sungs­sys­te­me wie die PPR 2.0 inte­griert wer­den. Die Kran­ken­haus­be­darfs­pla­nung müs­se in Ver­sor­gungs­re­gio­nen erfol­gen. Ver.di spricht sich nicht gegen Min­dest­vor­hal­te­zah­len aus, sie müss­ten nur so gewählt sein, das regio­na­le Ver­sor­gungs­be­dar­fe nicht gefähr­det wer­den. Aus­nah­me­tat­be­stän­de für die Län­der sei­en »grund­sätz­lich sinn­voll«, es müss­te jedoch »ein­heit­li­che Kri­te­ri­en« und tat­säch­li­che Nach­wei­se für das Vor­lie­gen sol­cher Aus­nah­me­tat­be­stän­de geben. Bei den SüV wird kri­ti­siert, dass sie nicht auch auf die »flä­chen­de­cken­de Not­fall­ver­sor­gung« aus­ge­rich­tet sind. Es wird ihre Anglie­de­rung an Level II-Kran­ken­häu­ser gefor­dert. Die Finan­zie­rung der SüV über Tages­pau­scha­len wird abge­lehnt, weil sie ein »Ein­falls­tor für ren­di­te­ori­en­tier­te Inves­to­ren« sein könn­ten. Auch bei den SüV wird die voll­stän­di­ge Aus­glie­de­rung und Refi­nan­zie­rung aller Per­so­nal­kos­ten gefor­dert.

Die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA)

über­schreibt ihre Stel­lung­nah­me mit »Not­wen­di­ge Struk­tur­re­form bleibt weit­ge­hend aus – statt­des­sen mas­si­ve Belas­tung der Bei­trags­zah­len­den«. Sie plä­diert für die Bei­be­hal­tung des DRG-Sys­tems. Die ange­streb­te Ent­öko­no­mi­sie­rung füh­re in die Irre. Wenn eine Vor­hal­te­ver­gü­tung ein­ge­führt wird, soll­te sie popu­la­ti­ons­be­zo­gen sein. Qua­li­täts­kri­te­ri­en dürf­ten kei­ne Aus­nah­me­re­ge­lun­gen ent­hal­ten. Min­dest­vor­hal­te­zah­len wer­den aus­drück­lich begrüßt. Die Wei­ter­ent­wick­lung der LG und Qua­li­täts­kri­te­ri­en muss durch die Selbst­ver­wal­tung (Kas­sen und DKG) erfol­gen. Der Trans­for­ma­ti­ons­fonds sei eine staat­li­che Auf­ga­be und dür­fen nicht auf die Bei­trags­zah­ler abge­wälzt wer­den, dies sei ver­fas­sungs­recht­lich frag­wür­dig. Die vol­le Refi­nan­zie­rung der Tarif­stei­ge­run­gen wird abge­lehnt. Wei­ter meint die BDA: »Nicht alle Kran­ken­häu­ser müs­sen geret­tet wer­den« und »Kran­ken­haus­ab­rech­nun­gen müs­sen voll­stän­dig geprüft wer­den.«

Der Mar­bur­ger Bund (MB)

bewer­tet den Geset­zes­ent­wurf kri­tisch, auch wenn er eine Kran­ken­haus­re­form für erfor­der­lich hält. Er kri­ti­siert das Feh­len einer »Bedarfs- und Aus­wir­kungs­ana­ly­se« und der Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung. Auch die Aus­wir­kun­gen auf die ärzt­li­che Tätig­keit und Wei­ter­bil­dung nicht mit­be­dacht. Die ärzt­li­chen Per­so­nal­vor­ga­ben in den neu­en LG sei­en unrea­lis­tisch. Mit der Vor­hal­te­ver­gü­tung erfol­ge kei­ne grund­sätz­li­che Abkehr vom DRG-Sys­tem und kei­ne Ent­öko­no­mi­sie­rung. Sie sei nicht fall­zahl­un­ab­hän­gig. Es wird gefor­dert, dass die Vor­hal­te­ver­gü­tung die »pati­en­ten­na­hen Per­so­nal­kos­ten abdeckt«. Es erfol­ge kein Büro­kra­tie­ab­bau. Der Trans­for­ma­ti­ons­fonds müs­se aus Steu­er­mit­teln finan­ziert wer­den. Die Pla­nung nach den NRW-LG wird befür­wor­tet. Die fünf neu­en LG wer­den abge­lehnt, genau wie die Min­dest­vor­hal­te­zah­len. Sek­toren­über­grei­fen­de Ver­sor­gung wird grund­sätz­lich begrüßt, es sei aber unklar, ob die SüV über­haupt ver­sor­gungs­re­le­vant betreib­bar sei­en. Die Refi­nan­zie­rung der Tarif­stei­ge­run­gen wird begrüßt. Der Trans­for­ma­ti­ons­fonds müs­se mit staat­li­chen Mit­teln finan­ziert wer­den. Das Gesetz wird als im Bun­des­rat zustim­mungs­pflich­tig ange­se­hen.

Die Bun­des­ärz­te­kam­mer (BÄK)

begrüßt eine »grund­le­gen­de Kran­ken­haus­re­form«. Kri­ti­siert wird die feh­len­de Ein­bin­dung des »Sach­ver­stands der Ärz­te­schaft« und die Nicht­be­rück­sich­ti­gung der ärzt­li­chen Wei­ter­bil­dung und Per­so­nal­aus­stat­tung sowie die feh­len­de Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung. Auf den letz­ten Drü­cker ist es der BÄK gelun­gen, die Ein­füh­rung des ärzt­li­chen Per­so­nal­be­mes­sungs­sys­tems im KHVVG unter­zu­brin­gen. Die Qua­li­täts­kri­te­ri­en zur Anrech­nung von Arzt­zah­len und ‑qua­li­fi­ka­tio­nen wer­den als zu streng kri­ti­siert. Die Min­dest­vor­hal­te­zah­len und die Min­dest­fall­zah­len für onko­ch­ir­ur­gi­sche Leis­tun­gen wer­den abge­lehnt. Es wer­den erwei­ter­te Rech­te der Län­der bei der Gewäh­rung von Aus­nah­me­re­ge­lun­gen und die Strei­chung der Minu­ten-Erreich­bar­keits­kri­te­ri­en gefor­dert. Für SüV wird die Gel­tung der Qua­li­täts­kri­te­ri­en und Per­so­nal­be­set­zung wie bei der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung gefor­dert. Auch hier soll­ten die ärzt­li­chen und pfle­ge­ri­schen Per­so­nal­kos­ten »kos­ten­de­ckend refi­nan­ziert« wer­den. Die Ermäch­ti­gung der SüV zur haus­ärzt­li­chen Ver­sor­gung wird abge­lehnt. Der Trans­for­ma­ti­ons­fonds müs­se aus Lan­des- und Bun­des­mit­teln und nicht aus dem gemein­sa­men Fonds finan­ziert wer­den.



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