Wir kön­nen etwas ver­än­dern, wenn wir wol­len!

Ausgabe 3/2024 - Ambulante Versorgung

von Robert Bit­ter­lich

Aus­gangs­la­ge

Wir gehen von einer sin­ken­den Anzahl von Allgemeinmediziner*innen aus, v. a. zulas­ten länd­li­cher Regionen.[1] Bis 2049 wird erwar­tet, dass 280.000–690.000 Pfle­ge­fach­per­so­nen fehlen.[2] Pro­gno­sen zufol­ge wer­den bis 2030 rund 5,4 Mil­lio­nen Pfle­ge­be­dürf­ti­ge erwartet.[3] Jeder zwei­te Mensch über 65 Jah­re ist chro­nisch krank und auch zwi­schen 18 und 29 Jah­ren trifft dies rund jeden Fünften.[4] Über eine pro­ble­ma­ti­sche und inad­äqua­te Gesund­heits­kom­pe­tenz ver­fü­gen 58,8 % der Bevöl­ke­rung in Deutschland.[5] Alle­samt sind das Nach­rich­ten, die bekannt sind und die bei den Nutzer*innen des Gesund­heits­sys­tems, bei Beschäf­tig­ten und bei Politiker*innen Sor­gen ver­ur­sa­chen. Die­ser Arti­kel schlägt vor, wie Pro­zes­se und Auf­ga­ben in der ambu­lan­ten Ver­sor­gung im Sin­ne der Patient*innen ver­bes­sert wer­den kön­nen.

Das kann nicht funk­tio­nie­ren! – Ambu­lan­te Ver­sor­gungs­struk­tur am Bei­spiel der arte­ri­el­len Hyper­to­nie

In Deutsch­land ist bei aku­ter Krank­heit zumeist die Haus­arzt­pra­xis der ers­te Anlauf­punkt für die Patient*innen, aber auch in der Betreu­ung von chro­ni­schen Erkrankungen.[6] Zu die­sen Erkran­kun­gen gehört die arte­ri­el­le Hyper­to­nie (aHT), von der hier­zu­lan­de 30 % der Bevöl­ke­rung betrof­fen sind (Stand 2022).[6,7] Vor einer Arz­nei­mit­tel­be­hand­lung wer­den von der Natio­na­len Ver­sor­gungs­leit­li­nie (NVL) nicht­me­di­ka­men­tö­se The­ra­pien emp­foh­len, wie eine Gewichts­op­ti­mie­rung, kör­per­li­che Akti­vi­tät oder die Tabak­ent­wöh­nung. Die meis­ten Risi­ko­fak­to­ren für eine aHT sind in Tabel­le 1 dar­ge­stellt und fin­den sich als Behand­lungs­an­satz in den The­ra­pien wie­der. Wei­te­re Ursa­chen sind Bewe­gungs­man­gel und Stress.[8]

Nach der Dia­gno­se besteht die wei­ter­füh­ren­de Betreu­ung zumeist aus quar­tals­wei­sen Ver­laufs­kon­trol­len mit der Wei­ter­ver­ord­nung oder Anpas­sung der The­ra­pie in der Haus­arzt­pra­xis.

Betrach­tet man die Prä­va­lenz der Risi­ko­fak­to­ren und deren Kor­re­la­tio­nen, die die Wahr­schein­lich­keit des Auf­tre­tens einer aHT noch ver­stär­ken, bedeu­tet es für die Pra­xen eine gro­ße Arbeits­last bei der Prä­ven­ti­on sowie in der Lang­zeit­be­treu­ung. Im Gegen­satz dazu ste­hen die Ergeb­nis­se der Stu­die ²Be­hand­lungs­ge­sprä­che in der Arzt­pra­xis – Ein Euro­päi­scher Ver­gleich“ von 2023. Sie zeigt auf, dass eine durch­schnitt­li­che Kon­takt­zeit bei einem Rou­ti­ne­be­such bei einer Haus­ärz­tin bzw. einem Haus­arzt in Deutsch­land bei 80 % im Mit­tel­wert 7,6 min. beträgt (2019). Aus­glei­chend hin­ge­gen ist, dass durch­schnitt­lich 8–10 Besu­che pro Jahr erfol­gen (2020).[10] Hier stellt sich die Fra­ge: Wie sol­len all die­se Leis­tun­gen wie Ana­mne­se, Dia­gnos­tik, Prä­ven­ti­on, Bera­tung, Aus­stel­len von Rezep­ten und Ver­ord­nun­gen oder Gesprä­che über sozia­le Pro­ble­me und Stress in der ver­füg­ba­ren Zeit umge­setzt wer­den?

Die Autor*innen der bereits zitier­ten Stu­die führ­ten qua­li­ta­ti­ve Inter­views durch, um die Kon­se­quen­zen zu kur­zer Kon­sul­ta­ti­ons­zeit aus Behand­ler­sicht zu ermit­teln.[1] Ergeb­nis­se: Wenn indi­vi­du­ell zeit­li­che Eng­päs­se bestehen, geht dies zulas­ten zeit­in­ten­si­ver Tätig­kei­ten in der Kon­sul­ta­ti­on. Die Mediziner*innen reflek­tie­ren jedoch, dass dies zu einer Unzu­frie­den­heit der Patient*innen, zu nega­ti­ven Kon­se­quen­zen im Arzt-Pati­en­ten-Ver­hält­nis füh­ren kann sowie zu einem Feh­ler­ri­si­ko bei Ana­mne­se und Diagnostik.[10]

Gera­de in Anbe­tracht der Daten zur Gesund­heits­kom­pe­tenz der Bürger*innen in Deutsch­land bedarf es mehr an Res­sour­cen für Prä­ven­ti­on, denn es ist nicht davon aus­zu­ge­hen, dass alle Men­schen selbst dazu in der Lage sind, sich aus­rei­chen­de und evi­den­te Gesund­heits­in­for­ma­tio­nen zu besor­gen und die­se eigen­stän­dig anzuwenden.[11] Mehr Zeit für Patient*innen zu haben wird bei der wei­ter abneh­men­den Zahl an Hausärzt*innen jedoch auch zukünf­tig nicht mög­lich sein, zumin­dest dann nicht, wenn die Auf­ga­ben­ver­tei­lung im deut­schen Gesund­heits­sys­tem in den gegen­wär­ti­gen Rege­lun­gen verharrt.[12] Der Sach­ver­stän­di­gen­rat Gesund­heit und Pfle­ge (SVR) stellt in sei­nem Gut­ach­ten 2024 fest, dass in Deutsch­land eine rela­tiv hohe Fach­kräf­t­e­dich­te im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern vor­herrscht und struk­tu­rel­le und orga­ni­sa­to­ri­sche Män­gel im Gesund­heits­sys­tem pro­mi­nen­ter sind, was die Inter­pre­ta­ti­on des Per­so­nal­man­gels rela­ti­viert. [12]

Ret­tung in Sicht? – Neue Auf­ga­ben­ver­tei­lung im Gesund­heits­we­sen und die Com­mu­ni­ty Health Nur­se

Der SVR emp­fiehlt, die Attrak­ti­vi­tät und Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on der Pfle­ge­fach­be­ru­fe zu ver­bes­sern z. B. durch die Bil­dung von Pfle­ge­kam­mern, die Aka­de­mi­sie­rung oder durch eine Neu­or­ga­ni­sa­ti­on von Auf­ga­ben und Ver­ant­wor­tung. Kon­kret bedeu­tet Letz­te­res die Schaf­fung eines all­ge­mei­nen Heil­be­ru­fe­ge­set­zes mit selbst­stän­di­ger Aus­übung von Heil­kun­de durch die Pfle­ge [12]. Die­se Emp­feh­lun­gen sind kei­nes­wegs neu. Wenn man sich einen Arti­kel des Deut­schen Ärz­te­blatts von 2006 ansieht, sprach sich der Deut­sche Pfle­ge­rat damals schon für die Aka­de­mi­sie­rung der Pfle­ge aus. Das stieß nicht auf Wohl­wol­len. Eine selbst­stän­di­ge Aus­übung von Heil­kun­de durch die Pfle­ge wur­de von Ärz­te­ver­bän­den strikt abge­lehnt. Es wäre die Schaf­fung von Dop­pel­struk­tu­ren, aber man wol­le die Gesund­heits­be­ru­fe ein­be­zie­hen, denn sie kön­nen „eine wesent­li­che Arbeits­er­leich­te­rung sein und die Attrak­ti­vi­tät des Arzt­be­ru­fes för­dern“. Am Arzt­vor­be­halt dür­fe aber nichts ver­än­dert werden.[13] Ähn­li­che Aus­sa­gen fin­den sich auch heu­te – 18 Jah­re spä­ter – wei­ter­hin wie: „Und es ist ein Para­dig­men­wech­sel, wenn wir den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern jetzt sagen, der Ein­stieg in das Gesund­heits­we­sen ist nicht mehr die Ärz­tin oder der Arzt, son­dern eine ande­re Insti­tu­ti­on, die wir vor­ge­schal­tet haben. Das macht man im aus­tra­li­schen Busch.“[14] In den Posi­tio­nen der Bun­des­ärz­te­kam­mer zu einer inter­dis­zi­pli­nä­ren und team­ori­en­tier­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung (2021) wird die Not­wen­dig­keit der Auf­ga­ben­neu­ver­tei­lung zwi­schen den Berufs­grup­pen im Gesund­heits­we­sen durch­aus als Auf­trag ver­stan­den. Jedoch wer­den wei­ter­hin über­wie­gend Dele­ga­ti­ons­mo­del­le prä­fe­riert oder von einer Arbeit „unter ärzt­li­cher Super­vi­si­on“ gespro­chen. Die Neu­ver­tei­lung bzw. Sub­sti­tu­ti­on von Auf­ga­ben mit selbst­stän­di­ger und eigen­ver­ant­wort­li­cher Leis­tungs­er­brin­gung durch die Gesund­heits­fach­be­ru­fe wird – zumin­dest an weni­gen Stel­len – unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen als Mög­lich­keit erwähnt. [15]

Dabei ist die Pfle­ge, wie im letz­ten Zitat aus­ge­führt wird, kei­nes­wegs eine Insti­tu­ti­on, die (durch die Ärz­te­schaft) vor­ge­schal­tet wird. Es ist ein Heil­kun­de­be­ruf mit fun­dier­ten pfle­ge­risch-medi­zi­ni­schen Kennt­nis­sen, der sich wei­ter­ent­wi­ckelt und neue Berufs­bil­der schafft, die zukünf­tig die gesund­heit­li­che Ver­sor­gung in Deutsch­land inter­pro­fes­sio­nell sicher­stel­len sol­len.

Ein sol­ches Berufs­bild ist die Com­mu­ni­ty Health Nur­se (CHN), für des­sen Eta­blie­rung sich der Deut­sche Berufs­ver­band für Pfle­ge­be­ru­fe seit 2017 enga­giert. Die Absicht zur Ein­füh­rung des Berufs­bilds wur­de im Koali­ti­ons­ver­trag der Legis­la­tur 2021–2025 ver­an­kert. Die CHN stellt kei­nen neu­en Beruf dar, son­dern sie fußt auf einem pfle­ge­ri­schen Bache­lor­ab­schluss und setzt ein Mas­ter­stu­di­um in Com­mu­ni­ty Health Nur­sing vor­aus. Dabei wird die CHN auf den Gebie­ten der Pfle­ge­wis­sen­schaft, den Gesund­heits­wis­sen­schaf­ten sowie der Pri­mär­ver­sor­gung aus­ge­bil­det. Ein beson­de­rer Fokus in der Aus­bil­dung wird auf die evi­denz­ba­sier­te, eigen­stän­di­ge Bedarfs­er­he­bung und Umset­zung von Maß­nah­men der pri­mä­ren, sekun­dä­ren und ter­tiä­ren Prä­ven­ti­on gelegt. Die CHN ist damit für Ein­zel­per­so­nen und Grup­pen in den Schwer­punk­ten tätig; Abbil­dung 1 zeigt eine Dar­stel­lung der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO).[16]

Abbil­dung 1: Schwer­punk­te der Tätig­keits­fel­der von Com­mu­ni­ty Health Nur­ses laut WHO, Quel­le: [17], Sei­te 10; [16], Sei­te 9

Ein­satz­or­te für das CHN-Hand­lungs­feld kön­nen u. a. Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­tren, Gesund­heits­ki­os­ke, ambu­lan­te Pfle­ge­diens­te, der Öffent­li­che Gesund­heits­dienst oder das kom­mu­na­le Quar­tiers­ma­nage­ment sein.[16]

Das kann funk­tio­nie­ren! – Ambu­lan­te Ver­sor­gungs­struk­tur am Bei­spiel der arte­ri­el­len Hyper­to­nie mit der CHN

Bei der hohen Prä­va­lenz chro­ni­scher Erkran­kun­gen und hier im Beson­de­ren der aHT kann die CHN vor allem im länd­li­chen Raum Ver­sor­gungs­lü­cken schlie­ßen und einen essen­zi­el­len Bei­trag in der Betreu­ung leis­ten. Wir möch­ten daher am Bei­spiel der aHT in Abbil­dung 2 auf­zei­gen, wie das v. a. in der Zusam­men­ar­beit mit Hausärzt*innen zukünf­tig gelin­gen kann.

Abbil­dung 2: Behand­lungs­ver­lauf und Zusam­men­ar­beit CHN und Haus­arzt am Bei­spiel der arte­ri­el­len Hyper­to­nie; eige­ne Dar­stel­lung; adap­tiert nach [18]

Der skiz­zier­te Behand­lungs­ver­lauf zeigt eine mög­li­che Form der Zusam­men­ar­beit. Wie hier dar­ge­stellt, gehört auch eine Behand­lungs­ko­or­di­na­ti­on zum Auf­ga­ben­port­fo­lio einer CHN. Die­se wird gera­de für chro­nisch kran­ke Men­schen emp­foh­len, um Unter­ver­sor­gung und Krank­heits­ver­schlech­te­rung prä­ven­tiv zu begegnen.[12,16] Patient*innen erhal­ten damit eine not­wen­di­ge Ori­en­tie­rung in unse­rem kom­ple­xen Gesundheitssystem.[19]

Dar­über hin­aus wird eine Betreu­ung aus einer Hand rea­li­siert und erspart der Pati­en­tin Wege zu meh­re­ren Behand­lungs­ein­rich­tun­gen, um bspw. in der Haus­arzt­pra­xis ein Fol­ge­re­zept abzu­ho­len. Des Wei­te­ren kön­nen durch die Ver­rin­ge­rung der Akteu­re auch finan­zi­el­le Mit­tel ein­ge­spart und Haus­arzt­pra­xen von Rou­ti­ne­auf­ga­ben ent­las­tet wer­den, was Behand­lungs­ka­pa­zi­tä­ten für Neupatient*innen bzw. für sol­che schafft, die die ärzt­li­che Exper­ti­se benö­ti­gen. Sol­che koope­ra­ti­ven Model­le kön­nen eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Ver­sor­gung in länd­li­chen Regio­nen sichern. Mög­lich wäre, dass Ärzt*innen meh­re­re Stun­den pro Woche Sprech­stun­den anbie­ten, die täg­li­che Rou­tin­ever­sor­gung aber durch CHNs umge­setzt wird, mit einer tele­me­di­zi­ni­schen Arztkonsultationsmöglichkeit.[16,18,20]

Vor allem wird im skiz­zier­ten Bei­spiel der Fokus der CHN auf Maß­nah­men der Prä­ven­ti­on und der Stär­kung des Selbst­ma­nage­ments deutlich.[16] Das deut­sche Gesund­heits­sys­tem reagiert auf Krank­heit, legt jedoch noch zu wenig Wert auf Ver­hin­de­rung von Krankheit.[21] Ver­än­dern wir die­sen Fokus, kann der selbst­stän­di­ge Umgang mit chro­ni­scher Erkran­kung durch die Patient*innen ver­bes­sert, die Prä­va­lenz ver­rin­gert oder hin­aus­ge­zö­gert sowie die Gesund­heits­kom­pe­tenz gestei­gert und die Rate von Krank­heits­ver­schlech­te­rung und Kom­pli­ka­tio­nen redu­ziert wer­den. Als Resul­ta­te sind die Ent­las­tung des Gesund­heits­sys­tems v. a. von Haus­arzt­pra­xen, die Reduk­ti­on von Kos­ten durch chro­ni­sche Erkran­kun­gen sowie von Pfle­ge­be­dürf­tig­keit, die dar­aus ent­ste­hen kann, zu erwar­ten. Dar­über hin­aus wer­den die Lebens­qua­li­tät und ggf. Arbeits­fä­hig­keit der Bürger*innen erhalten.[12,16,19,21] Die CHN leis­tet damit das, was bei einer durch­schnitt­li­chen Kon­sul­ta­ti­ons­zeit von 7,6 Minu­ten kaum mög­lich erscheint und schließt eine wesent­li­che Versorgungslücke.[10]

Der in Abbil­dung 2 skiz­zier­te Behand­lungs­ver­lauf erwähnt die ePA, die zwar in Deutsch­land noch nicht die erfor­der­li­che Funk­tio­na­li­tät erfüllt, aber per­spek­ti­visch wich­tig für die Unter­stüt­zung einer inter­pro­fes­sio­nel­len Zusam­men­ar­beit ist. Sie kann zukünf­tig Doku­men­ta­ti­ons­pro­zes­se stan­dar­di­sie­ren und eine gemein­sa­me Platt­form für den Aus­tausch medi­zi­ni­scher Infor­ma­tio­nen sein. Bis zum voll­stän­di­gen Ein­satz der ePA müs­sen ande­re Lösun­gen gefun­den wer­den.

 

Selbst­stän­di­ge Aus­übung erwei­ter­ter Heil­kun­de durch die CHN – da lei­det die Ver­sor­gungs­qua­li­tät

Genau dem ist nicht so, wie inter­na­tio­na­le Stu­di­en bele­gen! In einem Sys­te­ma­tic Review von Lau­rant et al. (2018) wur­de fest­ge­stellt, dass eine eigen­ver­ant­wort­li­che Ver­sor­gung durch Pfle­ge­fach­per­so­nen wahr­schein­lich zu ähn­li­chen und bes­se­ren Ergeb­nis­sen im Ver­gleich zu Hausärzt*innen führt, wie z. B. die Ver­bes­se­run­gen von Blut­druck­wer­ten oder eine höhe­re Zufrie­den­heit der Patient*innen mit der Betreu­ung. [22] Inter­na­tio­nal sind auch Unter­su­chun­gen zum Manage­ment von kar­dio­vas­ku­lä­ren Risi­ko­fak­to­ren durch­ge­führt wor­den, die eine signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung von Blut­druck­wer­ten durch allei­ni­ge Inter­ven­ti­on durch Nur­se Prac­ti­tio­ner (mit CHN ver­gleich­bar) zeig­ten. [23] Eine Viel­zahl wei­te­rer Stu­di­en bele­gen die Wirk­sam­keit bezüg­lich ver­schie­de­ner Pati­en­ten­out­co­mes im Rah­men der selbst­stän­di­gen Aus­übung von Heil­kun­de durch CHN bzw. Advan­ced Prac­ti­ce Nur­ses oder Nur­se Prac­ti­tio­ner.

Fazit

Die­ser Arti­kel macht einen Vor­schlag für eine inter­pro­fes­sio­nel­le Zusam­men­ar­beit zwi­schen haus­ärzt­lich täti­gen Mediziner*innen und der CHN im Rah­men der Behand­lung des arte­ri­el­len Hyper­to­nus, vor allem mit Fokus auf Prä­ven­ti­on, För­de­rung der Gesund­heits­kom­pe­tenz und der Unter­stüt­zung des Selbst­ma­nage­ments.

In Anbe­tracht sin­ken­der Beschäf­tig­ter in der Pfle­ge könn­te man behaup­ten: Wer soll bei schon aktu­ell bestehen­der Per­so­nal­not die­se neu­en Auf­ga­ben über­neh­men? Durch die Reduk­ti­on von Büro­kra­tie und einer Neu­ver­tei­lung von Auf­ga­ben, die in Eigen­ver­ant­wor­tung von Pfle­ge­fach­per­so­nen bzw. CHN aus­ge­führt wer­den, wer­den Res­sour­cen ver­füg­bar. Dar­über hin­aus steigt die Attrak­ti­vi­tät des Pfle­ge­be­rufs für Berufseinsteiger*innen, bie­tet neue Kar­rie­re­chan­cen und kann moti­vie­ren, dass Men­schen im Beruf blei­ben und wie­der in den Beruf zurück­keh­ren. Dafür wird der Mut des Gesetz­ge­bers benö­tigt, um ent­spre­chen­de Rege­lun­gen zu verankern.[12,16,20,24] Aus­rei­chend Reform­vor­schlä­ge sind vor­han­den, wie z. B. in den Gut­ach­ten des SVR oder in der Initia­ti­ve „Neu­start! Für die Zukunft unse­res Gesund­heits­we­sens“ der Robert Bosch Stif­tung. Vor allem die Arbeit des SVR, die regie­rungs­sei­tig beauf­tragt ist, wird red­un­dant, wenn des­sen Emp­feh­lun­gen nicht als poli­ti­sche Agen­da ver­folgt wer­den.

Eine wei­te­re Hür­de, die in Inno­va­ti­ons­fonds geför­der­ten Pro­jek­ten wie Hand­in­Hand oder FAMOUS zur Über­nah­me von bis­her ärzt­li­chen Auf­ga­ben durch die Pro­fes­si­on Pfle­ge als Hemm­fak­tor beschrie­ben ist, fin­det sich in der teil­wei­sen Ableh­nung oder Blo­cka­de durch Tei­le der Ärz­te­schaft sowie deren Stan­des­ver­tre­tun­gen. Dies stellt eine Gefähr­dung für sol­che Vor­ha­ben dar und erschwert Wirk­sam­keits­nach­wei­se für Deutschland.[25]

Statt Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen vehe­ment zu ver­tre­ten, soll­te es das Ziel sein, eine best­mög­li­che Gesund­heits­ver­sor­gung zu bezahl­ba­ren Prei­sen für die Bevöl­ke­rung bereit­zu­stel­len, die auch dem Bedarf und den Bedürf­nis­sen der Bürger*innen ent­spricht und die inter­pro­fes­sio­nell gestal­tet und umge­setzt wird. Dies kön­nen nur alle Gesund­heits­be­ru­fe gemein­sam, nicht nur eine allein![26]

Robert Bit­ter­lich M. Sc. (CHN, ANP) ist Pro­jekt­ma­na­ger Com­mu­ni­ty Health Nur­sing (CHN) beim Deut­schen Berufs­ver­band für Pfle­ge­be­ru­fe (DBfK)

Lite­ra­tur­ver­wei­se:

1            Robert Bosch Stif­tung GmbH: Gesund­heits­zen­tren für Deutsch­land, 2021

2            Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt: Bis 2049 wer­den vor­aus­sicht­lich min­des­tens 280 000 zusätz­li­che Pfle­ge­kräf­te benö­tigt, Stat. Bun­des­amt 2024;  https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_033_23_12.html (acces­sed 16 August 2024)

3            Demo­gra­fie­por­tal: Demo­gra­fie­por­tal – Fak­ten – Pfle­ge­be­dürf­ti­ge, 2024. https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/pflegebeduerftige.html (acces­sed 5 August 2024)

4            C. Güth­lin / S. Köh­ler / M. Dieckel­mann: Chro­nisch krank sein in Deutsch­land. Zah­len, Fak­ten und Ver­sor­gungs­er­fah­run­gen, 2020

5            Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit (BMG): Gesund­heits­kom­pe­tenz in der Bevöl­ke­rung, BMG 2023; https://www.bundesgesundheitsministerium.de/gesundheitskompetenz/bevoelkerung.html (acces­sed 21 Sep­tem­ber 2023)

6            Stif­tung Gesund­heits­wis­sen: Was macht wel­cher Arzt?, Stif­tung Gesund­heits­wis­sen 2024;  https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/was-macht-welcher-arzt (acces­sed 24 August 2024)

7            Wis­sen­schaft­li­ches Insti­tut der AOK (WIdO): Gesund­heits­at­las Deutsch­land – Krank­hei­ten des Herz-Kreis­lauf-Sys­tems: Blut­hoch­druck, 2022

8            Arz­nei­mit­tel­kom­mis­si­on Der Deut­schen Apo­the­ker (AMK), Arz­nei­mit­tel­kom­mis­si­on Der Deut­schen Ärz­te­schaft (AkdÄ), Deut­sche Arbeits­ge­mein­schaft Selbst­hil­fe­grup­pen E. V. (DAG SHG), et al.: NVL Hyper­to­nie – Lang­fas­sung, Bun­des­ärz­te­kam­mer (BÄK); Kas­sen­ärzt­li­che Bun­des­ver­ei­ni­gung (KBV); Arbeits­ge­mein­schaft der Wis­sen­schaft­li­chen Medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten (AWMF) 2023

9            Robert Koch Insti­tut (RKI): Gesund­heit in Deutsch­land aktu­ell – GEDA 2019/2020, 2021

10          S. Reif / S. Schu­bert / J. Köh­ler: Behand­lungs­ge­sprä­che in der Arzt­pra­xis – Ein Euro­päi­scher Ver­gleich,  2023

11          D. Schaef­fer / E‑M. Ber­ens / S. Gil­le et al.: Gesund­heits­kom­pe­tenz der Bevöl­ke­rung in Deutsch­land vor und wäh­rend der Coro­na Pan­de­mie: Ergeb­nis­se des HLS-GER 2. [object Object], 2021

12          Sach­ver­stän­di­gen­rat Gesund­heit und Pfle­ge: Nach­hal­ti­ger Ein­satz einer knap­pen Res­sour­ce – Gut­ach­ten 2024 – Fach­kräf­te im Gesund­heits­we­sen, Published Online First: 2024. doi: 10.4126/FRL01-006400072

13          H. Kor­zi­li­us / S. Rab­ba­ta: Gemein­de­schwes­tern: Geheim­waf­fe gegen Über­las­tung und Unter­ver­sor­gung,  Dtsch Ärz­tebl, Published Online First: 3 Novem­ber 2006

14          Hof­meis­ter zur Sub­sti­tu­ti­on: „Das macht man im aus­tra­li­schen Busch“, Ärz­te­zei­tung 2024

15          Bun­des­ärz­te­kam­mer: Posi­tio­nen der Bun­des­ärz­te­kam­mer zu einer inter­dis­zi­pli­nä­ren und team­ori­en­tier­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung, 2021

16          Deut­scher Berufs­ver­band für Pfle­ge­fach­be­ru­fe (DBfK): Com­mu­ni­ty Health Nur­sing Auf­ga­ben und Pra­xis­pro­fi­le, 2022

17          World Health Orga­niza­ti­on: Enhan­cing the role of com­mu­ni­ty health nur­sing for uni­ver­sal health covera­ge,  Gen­e­va: World Health Orga­niza­ti­on 2017

18          B. Klap­per: Ein­füh­rung von Com­mu­ni­ty Health Nur­ses: Hür­den über­win­den, Gesundh- Sozi­al­po­li­tik. 2023; 77:26–31. doi: 10.5771/1611–5821-2023–2‑26

19          for­sa Gesell­schaft für Sozi­al­for­schung und sta­tis­ti­sche Ana­ly­sen mbH: Umfra­ge zum Abschluss der „Initia­ti­ve Neu­start!“, 2023

20          BKK Dach­ver­band: Man­gel an Pfle­ge­kräf­ten – und ewig grüßt das Mur­mel­tier, 2024

21          B. Klap­per / I. Cichon (edi­tors): Die Neu­start! Zukunfts­agen­da für Gesund­heit, Par­ti­zi­pa­ti­on und Gemein­wohl. Neu­start!, Medi­zi­nisch Wis­sen­schaft­li­che Ver­lags­ge­sell­schaft 2021, 1–19

22          M. Lau­rant / M. Van Der Bie­zen / N. Wijers et al.: Nur­ses as sub­sti­tu­tes for doc­tors in pri­ma­ry care, Coch­ra­ne Data­ba­se Syst Rev. 2018; 2019. doi: 10.1002/14651858.CD001271.pub3

23          JK. Allen JK / CR. Den­ni­son-Him­mel­farb / SL Szan­ton et al.: Com­mu­ni­ty Out­reach and Car­dio­vas­cu­lar Health (COACH) Tri­al: A Ran­do­mi­zed, Con­trol­led Tri­al of Nur­se Practitioner/Community Health Worker Car­dio­vas­cu­lar Dise­a­se Risk Reduc­tion in Urban Com­mu­ni­ty Health Cen­ters. Circ Car­dio­vasc Qual Out­co­mes, 2011;4: 595–602. doi: 10.1161/CIRCOUTCOMES.111.961573

24          T. Lem­ke: End­lich den Wahn­sinn Büro­kra­tie stop­pen, Biblio­med­Ma­na­ger – Fach­wis­sen Für Ent­schei­der Im Kran­kenh, 2024; https://www.bibliomedmanager.de/fw/artikel/51348-endlich-den-wahnsinn-buerokratie-stoppen (acces­sed 8 Sep­tem­ber 2024)

25          R. Strem­mer / S. Köp­ke / C. Peter­sen-Ewert et al.: Ambu­lan­te Ver­sor­gung neu den­ken, 2023; 171–80

26          K. Piwer­netz / E. Neu­ge­bau­er: Kön­nen oder wol­len sie nicht?, Monit Ver­sorg. 2024;2024:36–41. doi: 10.24945/MVF.04.24.1866–0533.2640

 

[1] Die Unter­su­chung ist in Euro­pa durch­ge­führt wor­den und ent­hält somit nicht nur Aus­sa­gen deut­scher Hausärzt*innen .

 



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