Pres­se­mit­tei­lung vom 22.02.2023 Kri­tik an Raf­fel­hü­schen

Soli­da­ri­tät aus­wei­ten statt ein­schrän­ken!

Ant­wort des vdää* auf die unso­zia­len Vor­schlä­ge von Raf­fel­hü­schen

 Heu­te mel­de­te sich laut SPIEGEL der Lob­by­ist Bernd Raf­fel­hü­schen mit dem Vor­schlag zu Wort, dass Kassenpatient*innen bis zu 2000 Euro Selbst­be­tei­li­gung im Jahr bezah­len sol­len und dass bei „Eigen­ver­schul­den“ von Ver­let­zun­gen durch Risi­ko­s­port oder von Krank­hei­ten durch unge­sun­de Ange­wohn­hei­ten wie z.B. Rau­chen die Kos­ten für die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung selbst getra­gen wer­den sol­len. Ansons­ten wür­de der Bei­trags­satz, so rech­net es der Öko­nom vor, bis 2035 auf bis zu 22 Pro­zent vom Brut­to­lohn stei­gen. (1)

Wer schon etwas älter ist und die Debat­te ver­folgt, kennt die­se For­men des Klas­sen­kampfs von oben. Schon 1976 Hat­te Hei­ner Geiss­ler mit­tels einer Stu­die pro­phe­zeit, dass die Bei­trags­sät­ze 1980 bei 14,5 Pro­zent und im Jahr 2000 bei phan­tas­ti­schen 79 Pro­zent lie­gen wür­den (2) – wenn man nicht Refor­men der GKV durch­set­zen wür­de, die eine ähn­li­che Rich­tung wie Raf­fel­hü­schens haben. Im Jahr 2000 hat die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de in einem „Memo­ran­dum – Gesund­heits­we­sen moder­ni­sie­ren und bezahl­bar machen“ für die Jah­re 2030 bzw. 2040 Bei­trags­sät­ze von bis zu 30 Pro­zent vor­aus­ge­sagt (3) im wohl­ver­stan­de­nen Eigen­in­ter­es­se, die so genann­ten Lohn­ne­ben­kos­ten zu sen­ken. In der Fol­ge sorg­te die Poli­tik dafür, dass das Soli­da­ri­täts­prin­zip der Gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen immer wei­ter aus­ge­höhlt wur­de.

Ange­sichts der Finanz­ent­wick­lung mit einem Defi­zit in der GKV von meh­re­ren Mil­li­ar­den Euro fällt dem Öko­no­men nun nichts ande­res ein, als eine „Kos­ten­ex­plo­si­on“ mit­tels des BILD-Zei­tung an die Wand zu malen und die Indi­vi­du­en zur Kas­se zu bit­ten, indem er an die „Eigen­ver­ant­wor­tung“ appel­liert. Wie aber will er die­se nach­wei­sen? Krank­hei­ten sind nicht so indi­vi­dua­li­sier­bar, wie sich das der Öko­nom vor­stellt. Gif­ti­ge Gase in der Fabrik­hal­le, Fein­staub im Stra­ßen­ver­kehr, Ziga­ret­ten­rauch – wie will man nach­wei­sen, was den Lun­gen­krebs aus­ge­löst hat? Ski­lang­lauf oder Abfahrt­ski auf der schwar­zen Pis­te – was ist gesund für das Herz­kreis­lauf­sys­tem, was ist ris­kan­ter Risi­ko­s­port?

Wir demo­kra­ti­sche Ärzt*innen hal­ten das aus medi­zi­ni­scher Sicht für unred­lich, aus sozia­ler und poli­ti­scher Sicht für rück­schritt­lich. Wir hal­ten dage­gen und ver­tei­di­gen das Prin­zip der Soli­da­ri­tät der Gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung, das auch dar­in besteht, dass eben nicht gefragt wird nach der indi­vi­du­el­len ver­meint­li­chen Schuld an Krank­heit oder Ver­let­zung. Dies ist eine zivi­li­sa­to­ri­sche Errun­gen­schaft, die wir unbe­dingt ver­tei­di­gen müs­sen. Und am bes­ten ver­tei­di­gen wir die Soli­da­ri­tät, indem wir sie aus­wei­ten – statt sie ein­zu­schrän­ken! Eine kon­se­quen­te soli­da­ri­sche Bürger*innenversicherung, die alle Ein­kom­men und Ein­kom­mens­ar­ten in vol­ler Höhe für den Bei­trag her­an­zieht und alle hier leben­den Men­schen ein­be­zieht (also die pri­va­te Voll­ver­si­che­rung und die Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze abschafft), wür­de den in die­ser Gesell­schaft exis­tie­ren­den Reich­tum soli­da­risch für die Auf­brin­gung der Kos­ten im Gesund­heits­we­sen her­an­zie­hen. Das hät­te sogar den Effekt, dass die Bei­trags­sät­ze sin­ken könn­ten ohne dass Leis­tun­gen gestri­chen wer­den wür­den.

Dr. Nad­ja Rako­witz

Pres­se­spre­che­rin des vdää*

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