Pres­se­mit­tei­lung vom 17.10.2024 zum KHVVG

Eti­ket­ten­schwin­del statt Revo­lu­ti­on

Die Kran­ken­haus-Reform wird die bestehen­de Mise­re ver­schär­fen

Das am 17. Okto­ber im Bun­des­tag zur Ver­ab­schie­dung anste­hen­de Kran­ken­haus­ver­sor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz (KHVVG) wird die Ver­spre­chen des Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ters einer „grund­le­gen­den Ent­öko­no­mi­sie­rung der Kran­ken­haus­ver­sor­gung“ und der „Über­win­dung des Fall­pau­scha­len­sys­tems“ nicht ein­lö­sen. Die Revo­lu­ti­on der Finan­zie­rung fällt aus, ein mas­si­ver Abbau der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung steht bevor. Wäh­rend es, von der Regie­rung und gleich­ge­sinn­ten Gesund­heits­öko­no­men offen so kom­mu­ni­ziert, um Ein­spa­run­gen an der Gesund­heits­ver­sor­gung geht, wird der Bevöl­ke­rung gleich­zei­tig mit der Erzäh­lung von Qua­li­täts­stei­ge­run­gen Sand in die Augen gestreut.

Die ange­kün­dig­te Vor­hal­te­fi­nan­zie­rung wird direkt wie­der mit dem Fall­pau­scha­len­sys­tem gekop­pelt, denn sie errech­net sich aus Anzahl und Schwe­re der Behand­lungs­fäl­le und nicht aus den zur Bedarfs­de­ckung not­wen­di­gen Vor­hal­te­kos­ten des Kran­ken­hau­ses. Damit schreibt das BMG die­sel­ben Fehl­an­rei­ze zu immer mehr Behand­lun­gen auch in die Zukunft fort, die am Fall­pau­scha­len­sys­tem viel­fach, auch durch Minis­ter Lau­ter­bach selbst, kri­ti­siert wer­den. Außer­dem bleibt der Anreiz, immer mehr Fäl­le zu behan­deln, auch dadurch bestehen, dass der rei­ne DRG-Anteil der Ver­gü­tung wei­ter­hin bei 40% der Ein­nah­men eines Kran­ken­hau­ses liegt. Der finan­zi­el­le Druck auf die Kran­ken­häu­ser wird sich auch des­we­gen nicht ändern, weil die Gesamt­sum­me der Finanz­mit­tel (bis auf För­der­be­trä­ge für weni­ge ein­zel­ne Berei­che) unver­än­dert bleibt. Die Vor­hal­te­ver­gü­tung wird also nur zu einer Umver­tei­lung der Mit­tel füh­ren, so dass ins­be­son­de­re klei­ne Kran­ken­häu­ser mit weni­ger Behand­lungs­fäl­len noch weni­ger Geld erhal­ten wer­den als bis­her. Damit ist auch die­se Umver­tei­lung ein Instru­ment zur finan­zi­el­len (und nicht bedarfs­ge­rech­ten) Struk­tur­be­rei­ni­gung.

Die Kran­ken­haus­re­form ergreift also nicht die his­to­ri­sche Chan­ce, die Schä­den von Öko­no­mi­sie­rung, Kom­mer­zia­li­sie­rung und Pri­va­ti­sie­rung durch das DRG-Fall­pau­scha­len­sys­tem zu repa­rie­ren. Sie ist ein Eti­ket­ten­schwin­del. Die ers­ten Jah­re der Kran­ken­haus­re­form gehö­ren der Abriss­bir­ne, wäh­rend von Ent­öko­no­mi­sie­rung, geschwei­ge denn von gemein­wohl­ori­en­tier­ten Refor­men kei­ne Spur zu erken­nen ist.

Auch die Leis­tungs­grup­pen und die Fest­le­gung von Qua­li­täts­kri­te­ri­en, wie sie jetzt vom BMG geplant sind, ber­gen ein hohes Miss­brauchs­po­ten­ti­al. Das Glei­che gilt für die Min­dest­zah­len, die, in den meis­ten Fäl­len ohne wis­sen­schaft­li­che medi­zi­ni­sche Begrün­dun­gen, für jede Leis­tungs­grup­pe fest­ge­legt wer­den sol­len. So wie sie aktu­ell kon­zi­piert sind, die­nen sie vor allem dazu, Kran­ken­häu­sern die Berech­ti­gung zu Leis­tungs­er­brin­gun­gen abzu­neh­men, was für vie­le das Aus bedeu­ten wird. Die flä­chen­de­cken­de Ver­sor­gung bleibt auf der Stre­cke.

Seit Jahr­zehn­ten ist die Auf­he­bung der Tren­nung der ambu­lan­ten und sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung über­fäl­lig. Die vor­ge­se­he­nen Rege­lun­gen für „sek­toren­über­grei­fen­de Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen“ wer­den aber dem Anspruch, fle­xi­bel dem loka­len und regio­na­len Bedarf zu fol­gen und zugleich pfle­ge­ri­sche und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung anzu­bie­ten, nicht gerecht. Sie sind der Ver­such, mög­lichst vie­le klei­ne Kran­ken­häu­ser vom Netz zu neh­men und eine Erwei­te­rung der Betä­ti­gungs­be­rei­che für nie­der­ge­las­se­ne Ärzt*innen durch­zu­set­zen. Sie sind eine Mischung aus (Kurz­zeit-) Pfle­ge­heim und Kleinst­kran­ken­haus.

Dar­an ändern auch die Ände­rungs­an­trä­ge der Koali­ti­ons­frak­tio­nen vom 7.10. nichts Wesent­li­ches; sie die­nen ledig­lich der Befrie­dung bestimm­ter Grup­pen, die sich beson­ders laut – und größ­ten­teils zu Recht – zu Wort gemel­det haben. Wer für Lau­ter­bachs Reform stimmt, stimmt Zen­tra­li­sie­rung und Kran­ken­haus­schlie­ßun­gen zu, die nicht durch Bedar­fe der Bevöl­ke­rung zu recht­fer­ti­gen sind – das müs­sen die Abge­ord­ne­ten wis­sen, wenn sie für das Gesetz stim­men. Wenn das Gesetz wie zu erwar­ten ist, heu­te im Bun­des­tag ange­nom­men wird, liegt die Hoff­nung im Bun­des­rat, in dem die Län­der die­se Reform noch ver­hin­dern kön­nen.

Die Reform ist von ver­schie­de­nen Sei­ten kri­ti­siert wor­den. Es gibt aber auch alter­na­ti­ve Vor­schlä­ge. Wir for­dern: Bis zur Fest­stel­lung des ech­ten Bedarfs müs­sen Sofort­hil­fen das Über­le­ben aller bestehen­den Kran­ken­häu­ser sicher­stel­len, bis die Kran­ken­haus­re­form in Zukunft unter der Maß­ga­be einer tat­säch­li­chen Ent­öko­no­mi­sie­rung und Über­win­dung des Fall­pau­scha­len­sys­tems ihre Wir­kung ent­fal­ten kann. Wel­ches Kran­ken­haus in Zukunft bedarfs­not­wen­dig ist, muss im Rah­men einer demo­kra­ti­schen Kran­ken­haus­pla­nung der Län­der ent­schie­den wer­den und nicht durch ein Aus­trock­nen der Finanz­grund­la­ge der Kli­ni­ken. Dazu gehört dann auch eine dau­er­haft bedarfs­ge­rech­te Inves­ti­ti­ons­fi­nan­zie­rung durch die Län­der.

Wir for­dern: Die voll­stän­di­ge Abschaf­fung der DRGs, vol­le Finan­zie­rung aller bedarfs­not­wen­di­gen Kos­ten und Gewinn­ver­bot für Kran­ken­häu­ser.

Dr. Nad­ja Rako­witz, Pres­se­spre­che­rin 17.10.2024



×