Inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz zur Kri­se der Gesund­heits­fach­kräf­te in Brüs­sel

Ende Juni war der vdää* Mit­ver­an­stal­ter einer inter­na­tio­na­len Kon­fe­renz zur Kri­se der Gesund­heits­fach­kräf­te. Gemein­sam mit 16 wei­te­ren zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen aus meh­re­ren Län­dern haben wir uns in Brüs­sel getrof­fen und in zwei Panels und drei par­al­le­len Work­shops über die Zusam­men­hän­ge des welt­wei­ten Man­gels von Gesund­heits­fach­kräf­ten dis­ku­tiert.

Hier fin­det ihr das Pro­gramm der Kon­fe­renz.

Unter dem Titel “Die Abwan­de­rung von Gesund­heits­per­so­nal in den glo­ba­len Nor­den wird durch die Aus­höh­lung der Arbeit­neh­mer­rech­te und der Gesund­heits­sys­te­me ange­heizt” fin­det ihr einen Arti­kel über die Kon­fe­renz im Peo­p­les Health Dis­patch.

Hier fin­det ihr eine deut­sche Über­set­zung:

Mehr als ein Dut­zend Orga­ni­sa­tio­nen aus ganz Euro­pa tra­fen sich, um eine regio­na­le Stra­te­gie für Arbeits­kräf­te im Gesund­heits­we­sen zu ent­wi­ckeln, die auf Respekt und Soli­da­ri­tät statt auf Aus­beu­tung und Kom­mer­zia­li­sie­rung beruht.

Der welt­wei­te Per­so­nal­man­gel im Gesund­heits­we­sen ist nicht nur eine Fra­ge der Zah­len, son­dern auch eine Kri­se der men­schen­wür­di­gen Arbeit und der Gerech­tig­keit, so Gene­vie­ve Gen­cia­nos von Public Ser­vices Inter­na­tio­nal (PSI). In ihrer Rede auf der Kon­fe­renz “Care for Care Workers” am 29. Juni in Brüs­sel for­der­te Gen­cia­nos zusam­men mit Akti­vis­ten, Gewerk­schaf­tern und Gesund­heits­be­am­ten einen neu­en Ansatz, um die Pro­ble­me anzu­ge­hen, mit denen die öffent­li­chen Gesund­heits­sys­te­me welt­weit kon­fron­tiert sind, ins­be­son­de­re die Bin­dung und Ein­stel­lung von Gesund­heits­per­so­nal.

Die Kon­fe­renz wur­de von mehr als einem Dut­zend Orga­ni­sa­tio­nen aus der gesam­ten Regi­on unter­stützt, die alle die Dring­lich­keit der Ent­wick­lung einer Per­so­nal­stra­te­gie aner­ken­nen, die allen zugu­te kommt.

“Der Man­gel an 10 Mil­lio­nen Fach­kräf­ten im Gesund­heits- und Pfle­ge­be­reich bis zum Jahr 2030 ist eine Kri­se, die durch die Schrump­fung der öffent­li­chen Gesund­heits- und Pfle­ge­sys­te­me und die neo­li­be­ra­le Agen­da der gewinn­ori­en­tier­ten Gewin­nung auf Kos­ten der Arbeit­neh­mer­rech­te und der Gesund­heit der Men­schen ver­ur­sacht wird”, erklär­te Gen­cia­nos.

Der euro­päi­sche Kon­text

In den letz­ten Jah­ren haben sich die euro­päi­schen Län­der zuneh­mend auf ihren künf­ti­gen Bedarf an Arbeits­kräf­ten im Gesund­heits­we­sen kon­zen­triert. Obwohl Gesund­heits­ak­ti­vis­ten und Gewerk­schaf­ten seit lan­gem davor gewarnt hat­ten, dass Spar­maß­nah­men unwei­ger­lich zu einer Ver­schlech­te­rung der Zugäng­lich­keit und Qua­li­tät der Ver­sor­gung füh­ren wür­den, ent­schie­den sich die meis­ten Regie­run­gen für schnel­le Lösun­gen. Die­se Maß­nah­men wahr­ten den Anschein eines star­ken Gesund­heits­sys­tems, wäh­rend sie gleich­zei­tig die Gehäl­ter kürz­ten, die Arbeits­be­las­tung erhöh­ten und die Arbeits­zei­ten aus­wei­te­ten, was zu Burn­out und Mas­sen­ab­wan­de­run­gen von erfah­re­nem Gesund­heits­per­so­nal führ­te.

“Es gibt kei­nen Man­gel an qua­li­fi­zier­tem Gesund­heits­per­so­nal Euro­pa”, sag­te Matil­de De Coo­man von Viva Salud, die neben dem People’s Health Move­ment (PHM) Euro­pe und dem Ver­ein demo­kra­ti­scher Ärzt*innen (vdää*) zu den Haupt­or­ga­ni­sa­to­ren der Kon­fe­renz gehör­te. “Es man­gelt an trag­fä­hi­gen Arbeits­plät­zen, sta­bi­len Ver­trä­gen, guten Löh­nen und gesun­den Arbeits­be­din­gun­gen.”

Anstatt die­se Pro­ble­me anzu­ge­hen, haben die euro­päi­schen Regie­run­gen der inter­na­tio­na­len Anwer­bung von Gesund­heits­fach­kräf­ten Vor­rang ein­ge­räumt und damit die Kri­se im glo­ba­len Süden ver­schärft. Zehn Län­der mit hohem Ein­kom­men beher­ber­gen der­zeit 23 % des welt­wei­ten Bestands an Ärz­ten, Kran­ken­schwes­tern und Heb­am­men, wäh­rend in der gesam­ten afri­ka­ni­schen Regi­on nur 4 % vor­han­den sind, warn­te Gen­cia­nos.

Inter­na­tio­na­le Anwer­bung als schnel­le Lösung

Trotz die­ses Miss­ver­hält­nis­ses ver­las­sen sich die Län­der mit hohem Ein­kom­men weit­ge­hend auf die akti­ve inter­na­tio­na­le Anwer­bung von Gesund­heits­per­so­nal und recht­fer­ti­gen dies mit bila­te­ra­len Abkom­men mit Län­dern des Glo­ba­len Südens, die angeb­lich ein Gegen­ge­wicht bil­den. Auch die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) über­wacht die inter­na­tio­na­le Anwer­bung durch einen eige­nen glo­ba­len Ver­hal­tens­ko­dex.

Wie De Coo­man her­vor­hob, besteht jedoch häu­fig eine Dis­kre­panz zwi­schen Poli­tik und Pra­xis. Län­der wie Deutsch­land, ein füh­ren­des Ziel­land für Gesund­heits­per­so­nal, unter­zeich­nen bila­te­ra­le Abkom­men sogar mit Regie­run­gen, in deren Gesund­heits­sys­te­men es weit weni­ger Pfle­ge­kräf­te gibt. Dies war bei den Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Deutsch­land und Bra­si­li­en der Fall, sag­te Karen Span­nen­krebs vom vdää*.

Als der deut­sche Arbeits­mi­nis­ter in Bra­si­li­en für die Anwer­bung von Pfle­ge­kräf­ten gewor­ben hat­te, die dort angeb­lich Land über­zäh­lig sind, warn­ten vdää* und das bra­si­lia­ni­sche Zen­trum für Gesund­heits­stu­di­en (Cebes) gemein­sam, dass die offi­zi­el­le Erklä­rung irre­füh­rend sei. Es gibt kei­nen Über­schuss an Pfle­ge­kräf­ten in Bra­si­li­en; das Pro­blem ist, dass vie­le Pfle­ge­kräf­te arbeits­los sind, weil das Gesund­heits­sys­tem sie aus finan­zi­el­len Grün­den nicht auf­neh­men kann.
Län­der mit hohem Ein­kom­men über­se­hen bei der Ent­wick­lung ihrer Stra­te­gien für das Gesund­heits­per­so­nal ähn­li­che Bei­spie­le. Migran­ti­sches Gesund­heits­per­so­nal wird wie eine Ware behan­delt: eine gute Gele­gen­heit, Gesund­heits- und Pfle­ge­leis­tun­gen zu einem Bruch­teil der Kos­ten zu sichern. “Sie wol­len unser Gesund­heits­per­so­nal expor­tie­ren, als wären es Man­gos oder Bana­nen”, sag­te eine Gesund­heits­fach­kraft von den Phil­ip­pi­nen zu De Coo­man.

Gesund­heits­per­so­nal aus Län­dern wie Geor­gi­en und Korea steht vor ähn­li­chen Her­aus­for­de­run­gen. Sie wer­den oft mit dem Ver­spre­chen auf lukra­ti­ve Stel­len ange­wor­ben, sto­ßen aber auf Dis­kri­mi­nie­rung, Ras­sis­mus und büro­kra­ti­sche Hin­der­nis­se, die sie dar­an hin­dern, den Beruf aus­zu­üben, für den sie ursprüng­lich aus­ge­bil­det wur­den. Die Län­der mit hohem Ein­kom­men über­se­hen die­se Pro­ble­me und beu­ten die Arbeit­neh­mer statt­des­sen aus.

Inter­na­tio­na­le Stra­te­gien und Rah­men­re­ge­lun­gen kön­nen nur so viel bewir­ken, wenn sich das Ver­hal­ten der Län­der mit hohem Ein­kom­men nicht ändert. Die jüngs­ten Mecha­nis­men der WHO-Regi­on Euro­pa haben Fort­schrit­te bei der Aner­ken­nung der Bedürf­nis­se des Gesund­heits­per­so­nals gemacht, aber es ist noch viel mehr nötig, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Wei­ter­be­schäf­ti­gung auf Län­der­ebe­ne, sag­te Sulak­sha­na Nan­di von der Abtei­lung für Gesund­heits­po­li­tik und ‑sys­te­me der Län­der beim WHO-Regio­nal­bü­ro für Euro­pa.

Ohne einen grund­le­gen­den Wan­del in der Her­an­ge­hens­wei­se der Län­der mit hohem Ein­kom­men an die Gesund­heits­sys­te­me wird es unmög­lich sein, das Per­so­nal zu hal­ten, beton­te Gen­cia­nos.

Die Welt braucht mehr Res­sour­cen für die Gesund­heit, bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen und einen Schul­den­er­lass für den Glo­ba­len Süden, um den glo­ba­len Fach­kräf­te­man­gel im Gesund­heits­we­sen wirk­sam zu bekämp­fen, so das Fazit der Kon­fe­renz



×