Pres­se­mit­tei­lung vom 24.02.2023 Abwer­bung und Arbeits­be­din­gun­gen

Gute Arbeits­be­din­gun­gen statt Hoch­glanz­wer­bung in ande­ren Län­dern

Auch im Aus­land abge­wor­be­ne Fach­kräf­te brau­chen gute Arbeits­be­din­gun­gen

Down­load deut­sche Fas­sungEng­lish Ver­si­on

In der Pres­se sind momen­tan vie­le Stim­men laut, die for­dern, dass Deutsch­land im „har­ten inter­na­tio­na­len Wett­be­werb um migra­ti­ons­wil­li­ge aus­län­di­sche Pfle­ge­fach­per­so­nen“ (1). mit­hal­ten kön­nen muss. Dabei geht es meist um ver­ein­fach­te und effi­zi­en­te­re Ver­fah­ren, damit glo­bal abge­wor­be­ne Fach­kräf­te das Pro­blem des Man­gels hier­zu­lan­de lösen. Ein wach­sen­des Netz an Agen­tu­ren und Mit­tel­s­leu­ten ist an den Abwer­bun­gen betei­ligt: von Brief­kas­ten­fir­men mit Face­bo­ok­wer­bung bis zu gro­ßen Agen­tu­ren mit gro­ßen Ver­spre­chun­gen und Hoch­glanz-Web­auf­trit­ten. Klei­ne Dienst­leis­ter bie­ten Sprach­kur­se mit frag­wür­di­gen Erfolgs­ga­ran­tien (B2 in 6 Wochen) oder gar das Fäl­schen von Pfle­ge­diplo­men an (2). Aus Ser­bi­en gibt es Berich­te von Head­hun­tern, die direkt in Kli­ni­ken Beschäf­tig­te anspre­chen und dann per Pro­vi­si­on bezahlt wer­den – pro head hun­ted (ebd.).

Alle wol­len am gro­ßen Geschäft mit der Res­sour­ce Fach­kraft pro­fi­tie­ren.

„Statt Gesund­heits­fach­kräf­te vor allem als Res­sour­ce zu sehen, die aus­ge­beu­tet, expor­tiert und impor­tiert wer­den kann, betrach­ten wir sie als akti­ve Akteu­re für die Gesund­heits­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung. Die­se Rol­le kön­nen sie nur in einem Gesund­heits­sys­tem wahr­neh­men, in dem nicht Pro­fit­in­ter­es­se, son­dern ihre Arbeit für die Gesund­heits­ver­sor­gung im Mit­tel­punkt steht“, sagt Karen Span­nen­krebs, Refe­ren­tin des vdää* zum The­ma Fach­kräf­te­ab­wer­bung.

Unter­schied­li­che Grün­de brin­gen Men­schen dazu, nach Deutsch­land zu emi­grie­ren, um im hie­si­gen Gesund­heits­sys­tem zu arbei­ten, dar­un­ter im Ver­gleich höhe­re Löh­ne oder über­haupt eine Anstel­lung in ihrem erlern­ten Beruf. Lei­der ist die Rea­li­tät der Rekru­tie­rung und der Arbeit in Deutsch­land aber oft weit ent­fernt von dem, was ihnen ver­spro­chen wur­de. Nicht sel­ten müs­sen die Fach­kräf­te für Visa, Kopien, Sprach­kur­se und Flü­ge selbst zunächst tief in die Tasche grei­fen. Teil­wei­se wer­den immer noch hohe Gebüh­ren gefor­dert, wenn eine Fach­kraft sich ent­schließt, vor Ablauf einer Min­dest­zeit aus dem Arbeits­ver­trag aus­zu­stei­gen. (3)

Pfle­ge­fach­kräf­te wer­den bis zur Aner­ken­nung ihres Diploms nur als Pfle­ge­hilfs­kräf­te ent­lohnt, obwohl sie oft die glei­che Arbeit wie ihre exami­nier­ten Kolleg*innen machen. Ärzt*innen aus Nicht-EU Län­dern, deren Weg zur Appro­ba­ti­on oft lang­wie­rig ist, wer­den zunächst mit einer Berufs­er­laub­nis beschäf­tigt und unab­hän­gig von ihrer wirk­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on als Anfänger*innen bezahlt – teil­wei­se wird ihnen eine tarif­li­che Bezah­lung ganz ver­wei­gert.

Das größ­te Pro­blem für die aus­län­di­schen Kolleg*innen ist wahr­schein­lich jedoch das glei­che, was auch die in Deutsch­land aus­ge­bil­de­ten Gesund­heits­fach­kräf­te beschäf­tigt: Die öko­no­mi­sier­ten Ver­sor­gungs­struk­tu­ren, in denen Beschäf­tig­te vor dem Hin­ter­grund einer durch Fall­pau­scha­len und Pro­fit­in­ter­es­sen ero­dier­ten Medi­zin ins­be­son­de­re unter Arbeits­ver­dich­tung und Per­so­nal­man­gel lei­den.

Dass aus­ge­rech­net dort, wo das Per­so­nal sehr knapp ist, aus­län­di­schen Kolleg*innen mit teil­wei­se noch unzu­rei­chen­den Sprach­kennt­nis­sen und anfäng­li­chen Unsi­cher­hei­ten über Arbeits­ab­läu­fe und Ver­ant­wor­tun­gen die Lücken fül­len sol­len, ver­ur­sacht erheb­li­che Pro­ble­me – wie­der ein­mal auf dem Rücken der Patient*innen und der Gesundheitsarbeiter*innen. Vie­le rekru­tier­te Fach­kräf­te lei­den dar­un­ter, dass sie unter die­sen Umstän­den ihr pro­fes­sio­nel­les Wis­sen gar nicht ein­set­zen und kei­nen guten Job machen kön­nen. Hin­zu kom­men häu­fig ande­re Pro­ble­me, die neu nach Deutsch­land ein­ge­wan­der­te Men­schen erle­ben, z.B. sozia­le Iso­la­ti­on, Her­ab­wür­di­gung und ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung.

Für die wach­sen­de Zahl an Kolleg*innen aus dem Aus­land muss es ver­bind­li­che Stan­dards für eine trans­pa­ren­te Abwer­bung, kos­ten­lo­se Fach­sprach­kur­se auf hohem Niveau und Kon­zep­te für eine gelun­ge­ne Ein­ar­bei­tung geben“, so Karen Span­nen­krebs. „Und für die­se Ein­ar­bei­tung braucht es wie­der – Per­so­nal“.

Es bleibt also dabei: Die Abwärts­spi­ra­le aus stei­gen­der Arbeits­dich­te und Job­aus­stie­gen in den Kli­ni­ken muss gestoppt wer­den. Dafür braucht es eine ech­te Revo­lu­ti­on der Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung – die durch Lau­ter­bachs Reform­vor­schlä­ge sicher nicht ver­wirk­licht wird.

Statt Hoch­glanz­wer­bung in Län­dern der euro­päi­schen und glo­ba­len Peri­phe­rie brau­chen wir gute Arbeits­be­din­gun­gen in den hie­si­gen Kran­ken­häu­sern – für alle Gesund­heitsarbeiter*innen, egal, wo sie aus­ge­bil­det wur­den.

  1. Posi­tio­nen zur erleich­ter­ten Fach­krä­ef­te­ein­wan­de­rung. Güte­ge­mein­schaft Anwer­bung und Ver­mitt­lung von Pfle­ge­kräf­ten aus dem Aus­land e.V., Ber­lin Janu­ar 2023
  2. Klja­jić, San­ja, Neman­ja Ruje­vić, und Ajdin Kam­ber: „The Indus­try of Lea­ving“, Maši­na Eng­lish (blog), 26. Dezem­ber 2019, https://www.masina.rs/eng/the-industry-of-leaving/
  3. correctiv.org. „Wie dubio­se Ver­mitt­ler aus­län­di­sche Pfle­ge­kräf­te zur Ware machen“, 25. Novem­ber 2020, https://correctiv.org/top-stories/2020/11/25/wie-dubiose-vermittler-auslaendische-pflegekraefte-zur-ware-machen/

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Karen Span­nen­krebs



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