Pres­se­mit­tei­lung vom 07.11.2023 Kri­ti­sche Medi­zin

Kri­ti­sche Dis­kus­si­on des Gesund­heits­we­sens – heu­te und vor 50 Jah­ren

Der Mar­bur­ger Kon­gress zum The­ma „Medi­zin und gesell­schaft­li­cher Fort­schritt“ inspi­rier­te 1973 einen Auf­bruch für ein soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen, der letzt­lich auch zur Grün­dung des vdää* 1986 geführt hat. 1.800 Gesund­heits­fach­kräf­te, Medi­zin­stu­die­ren­de, Gewerkschafter*innen und Kommunalpolitiker*innen kamen 1973 zusam­men, um die über Miss­stän­de des dama­li­gen deut­schen Gesund­heits­we­sens und deren gesell­schaft­li­che Hin­ter­grün­de zu dis­ku­tie­ren und neue Per­spek­ti­ven für ein bes­se­res, soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen zu ent­wi­ckeln.

Eini­ge der dama­li­gen The­men wie der Per­so­nal­man­gel in den Kran­ken­häu­sern, die unglei­che Ver­tei­lung nie­der­ge­las­se­ner Ärzt*innen, die star­re Sek­to­ren­gren­ze zwi­schen ambu­lan­ter und sta­tio­nä­rer Ver­sor­gung und die Macht der phar­ma­zeu­ti­schen Indus­trie klin­gen heu­te so aktu­ell wie 1973. Ande­re The­men, wie der „Ein­fluss kom­mer­zi­el­ler Gesichts­punk­te“ auf das Gesund­heits­we­sen, haben heu­te einen Umfang ange­nom­men, der 1973 wahr­schein­lich unvor­stell­bar war.

Wir haben das 50. Jubi­lä­um des „Mar­bur­ger Kon­gress“ zum Anlass genom­men, um im Rah­men des gesund­heits­po­li­ti­schen Forums von vdää* und Soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sen e.V. auf die letz­ten Jahr­zehn­te kri­ti­scher Medi­zin zurück zu bli­cken. Nach einem Panel mit damals Anwe­sen­den zur Bedeu­tung und den Hin­ter­grün­den des Mar­bur­ger Kon­gress am Frei­tag, rich­te­ten wir unser Augen­merk am Sams­tag auf die Jahr­zehn­te danach: Was ist erreicht wor­den, was ist ver­lo­ren gegan­gen, wo ist die Bewe­gung ste­cken geblie­ben, wo ist sie abge­drif­tet? Außer­dem ver­such­ten wir eine Bestands­auf­nah­me davon, was kri­ti­sche Medi­zin heu­te ist bzw. sein kann, zu der wir ver­schie­de­ne Initia­ti­ven und Orga­ni­sa­tio­nen ein­ge­la­den hat­ten.

Wir sind über­rascht von der gro­ßen Anzahl an anrei­sen­den Teilnehmer*innen, von denen über die Hälf­te Medi­zin­stu­die­ren­de sind. Offen­sicht­lich ist das Inter­es­se an kri­ti­schen Per­spek­ti­ven auf das Gesund­heits­sys­tem und an kon­kre­ten Gegen­bei­spie­len groß.

In ver­schie­de­nen Work­shops wie auch in den Pau­sen wur­de über diver­se The­men, von den aktu­el­len Kämp­fen in den Kran­ken­häu­sern, der psych­ia­tri­schen Ver­sor­gung, über repro­duk­ti­ve Selbst­be­stim­mung, alter­na­ti­ve ambu­lan­te Ver­sor­gungs­struk­tu­ren und inter­pro­fes­sio­nel­le Zusam­men­ar­beit dis­ku­tiert. Meh­re­re Jahr­zehn­te Alters­un­ter­schied zwi­schen den jüngs­ten und ältes­ten Teilnehmer*innen eröff­ne­ten uns dabei vie­le ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven und Mög­lich­kei­ten, von­ein­an­der zu ler­nen.

Unser Fazit nach die­ser Ver­an­stal­tung: Auch 50 Jah­re spä­ter braucht es eine kri­ti­sche Dis­kus­si­on des Gesund­heits­we­sens und kon­kre­ten Akti­vis­mus, der lin­ke Per­spek­ti­ven für ein soli­da­ri­sches Gesund­heits­we­sens eröff­net.

Dr. Nad­ja Rako­witz (Pres­se­spre­che­rin)



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