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Inhaftierung der Vorsitzenden der Türkischen Ärztekammer

Während der ersten Verhandlungstage am 22. und 29. Dezember 2022 zeigte sich in aller Deutlichkeit, dass weiterhin kein „rechtsstaatlich einwandfreies“ Verfahren vorliegt oder zu erwarten ist, wie Sie es in Ihrer Antwort auf unser Schreiben einforderten. Von Beginn an wurden Rechte von Prof. Korur Fincancı missachtet (1). Das Verfahren ist offensichtlich gegen die freie Meinungsäußerung und freie Berufsausübung gerichtet. Vertreter der Regierung der Türkei, darunter Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Innenminister Süleyman Soylu sowie der Vorsitzende der MHP Devlet Bahçeli äußerten sich verächtlich gegenüber Prof. Korur Fincancı, forderten ihre Inhaftierung, kündigten eine Säuberung des Türkischen Ärzteverbands (TTB) an und bekräftigten damit ihre seit langem vertretene Haltung gegen die Unabhängigkeit der türkischen Ärztevertretungen.

Wir teilen die Einschätzungen und Forderungen des Weltärztebundes (World Medical Association, WMA) (2), mehrerer deutscher Ärztekammern (3), der British Medical Association (BMA) (4), der American Medical Association (AMA) (5), des Ständigen Ausschusses der Ärzte der Europäischen Union (Comité Permanent des Médecins Européens, CPME), des International Rehabilitation Council for Torture Victims (IRCT), von Physicians for Human Rights (PHR) und vieler anderer Organisationen: Das Verfahren, die Festnahme und Haft von Prof. Korur Fincancı entbehren jeglicher rechtsstaatlicher Grundlage und stellen einen Angriff auf mehrere Grundrechte dar, darunter die Rechte auf Meinungsfreiheit, freie Berufsausübung und auf ein faires Verfahren. Das Verfahren muss beendet werden und Prof. Korur Fincancı sofort freigelassen werden.

Auch mehrere Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen forderten schon am 08.11.2022 die sofortige Freilassung und ein Ende der juristischen Verfolgung von Prof. Korur Fincancı (6).

Am 27.12.2022 berichtete der Türkische Ärzteverband zudem, dass nun auch gegen den restlichen Vorstand des TTB Gerichtsverfahren begonnen wurden. Die juristische Verfolgung des TTB ist ein bedrohlicher und willkürlicher politischer Akt gegen die Unabhängigkeit der ärztlichen Selbstverwaltung und Berufsfreiheit.

Wie die oben genannten global tätigen Organisationen sind wir der Ansicht, dass im Vorgehen gegen Prof. Korur Fincancı und den TTB rechtsstaatliche Grundsätze und Menschenrechte missachtet werden und wir uns als Ärzt*innen und Demokrat*innen dafür einsetzen müssen, dass diese Verfolgung endet und unsere Kollegin sofort freigelassen wird.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzt, um die Verfolgung oppositioneller Ärzt*innen durch den türkischen Staat und die türkische Regierung zu beenden und für die Achtung der Menschenrechte und ihrer Verteidiger*innen in der Türkei einzutreten.

Wir bitten Sie dementsprechend darum, die Verantwortlichen der türkischen Regierung aufzufordern, die Verfahren gegen Prof. Korur Fincancı und den TTB einzustellen und unsere Kollegin sofort freizulassen.

Mit freundlichen Grüßen im Namen des Vorstands,

Felix Ahls, Ko-Vorsitzender vdää*

Belege

  1. https://bianet.org/english/human-rights/271880-turkish-medical-association-chair-korur-fincanci-to-remain-under-arrest
  2. https://www.ttb.org.tr/userfiles/files/Joint%20Press%20Release%20Sebnem%20Fincanci%2028%20December%202022%20(2).pdf
  3. https://www.bundesaerztekammer.de/presse/aktuelles/detail/aerztekammer-berlin-verurteilt-inhaftierung-von-sebnem-korur-fincanci
  4. https://www.bma.org.uk/news-and-opinion/turkish-doctors-vow-to-defend-integrity-of-arrested-tma-president
  5. https://www.ttb.org.tr/userfiles/files/AMA_letter.pdf
  6. https://www.ohchr.org/en/press-releases/2022/11/turkiye-un-experts-call-release-and-end-judicial-harassment-anti-torture

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