Zugang zu medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung für alle Geflüch­te­ten

Ber­lin, 24.5.2022

Bünd­nis for­dert: Zugang zu medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung für alle Geflüch­te­ten – Ungleich­be­hand­lun­gen been­den, Ein­schrän­kun­gen im Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz abschaf­fen!

Die men­schen­rechts­wid­ri­ge Ungleich­be­hand­lung von Flücht­lin­gen in Deutsch­land been­den und einen dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung für alle Geflüch­te­ten gewähr­leis­ten: Das for­dert ein Zusam­men­schluss von 57 Orga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­den aus den Berei­chen Flucht und Gesund­heit. Anlass für die öffent­li­che Stel­lung­nah­me ist ein Beschluss des Bun­des­kanz­lers und der Regierungschef*innen der Län­der, nach dem aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Men­schen ab Juni Anspruch auf Sozi­al­leis­tun­gen nach SGB II und XII – und damit auch zu not­wen­di­gen Gesund­heits­leis­tun­gen – bekom­men.

Einen sol­chen Umgang mit Schutz­su­chen­den for­dern zivil­ge­sell­schaft­li­che Grup­pen seit Jah­ren und das Bünd­nis begrüßt die­sen Schritt aus­drück­lich. Jedoch, so Ärz­te der Welt-Direk­tor Fran­çois De Keers­mae­ker: „Wir sehen eine weit­rei­chen­de Ungleich­be­hand­lung geflüch­te­ter Men­schen in Deutsch­land in Bezug auf das Auf­ent­halts­recht, den Zugang zu Sozi­al- und Inte­gra­ti­ons­leis­tun­gen und zum Arbeits­markt, ins­be­son­de­re aber auch in der gesund­heit­li­chen Ver­sor­gung. Die Ent­schei­dung zuguns­ten der Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne beruht auf den rich­ti­gen men­schen­recht­li­chen Prin­zi­pi­en. Die­se müs­sen jedoch für alle Men­schen gel­ten, die in Deutsch­land Zuflucht suchen, egal woher.“

Sowohl aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Staa­ten­lo­se und Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge ohne Dau­er­auf­ent­halts­recht in der Ukrai­ne als auch Geflüch­te­te aus ande­ren Staa­ten, wie Syri­en, Afgha­ni­stan oder dem Jemen, sind wei­ter­hin von not­wen­di­ger Gesund­heits­ver­sor­gung aus­ge­schlos­sen. Geflüch­te­te in Deutsch­land haben nach §§ 4, 6 des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes in den ers­ten 18 Mona­ten ihres Auf­ent­halts aktu­ell nur Anspruch auf ein­ge­schränk­te medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen. Das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz garan­tiert nur die Behand­lung bei aku­ten Krank­hei­ten und Schmerz­zu­stän­den. Alle wei­te­ren Behand­lun­gen, unter ande­rem von chro­ni­schen oder psy­chi­schen Erkran­kun­gen, bedür­fen einer oft­mals lang­wie­ri­gen Ein­zel­fall­ent­schei­dung durch das Sozi­al- und Gesund­heits­amt. Dies führt zu einer mas­si­ven gesund­heit­li­chen Unter- und Fehl­ver­sor­gung.

Die gesetz­li­chen Ansprü­che der Mehr­heit der Geflüch­te­ten in Deutsch­land lie­gen damit deut­lich unter dem Niveau, das im Leis­tungs­ka­ta­log der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung als das „Maß des Not­wen­di­gen“ defi­niert ist. Es gibt kei­nen Grund anzu­neh­men, dass der Bedarf Geflüch­te­ter aus ande­ren Län­dern als der Ukrai­ne – oder von Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne, die kei­nen Auf­ent­halts­ti­tel nach § 24 bekom­men – nied­ri­ger sei als das im Leis­tungs­ka­ta­log der GKV fest­ge­leg­te „Maß des Not­wen­di­gen“.

An meh­re­ren Orten muss­ten Kriegs­flücht­lin­ge aus Syri­en, dem Irak, aus Afgha­ni­stan oder dem Jemen aus ihren Unter­künf­ten wei­chen und an Orte mit schlech­ter psy­cho­so­zia­ler und medi­zi­ni­scher Ver­sor­gungs­struk­tur umzie­hen, um Platz zu machen für Geflüch­te­te aus der Ukrai­ne. In eini­gen Kom­mu­nen ist es Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne mög­lich, kos­ten­los den Nah­ver­kehr zu nut­zen, wäh­rend Geflüch­te­te aus ande­ren Län­dern oft Schwie­rig­kei­ten haben, eine Arzt­pra­xis auf­zu­su­chen, weil sie sich die Trans­port­kos­ten nicht leis­ten kön­nen.

Deutsch­land hat sich völ­ker­recht­lich ver­bind­lich ver­pflich­tet, einen dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu Gesund­heits­ver­sor­gung sicher­zu­stel­len. Unter­schied­li­che Niveaus im Anspruch auf Gesund­heits­ver­sor­gung sind daher nicht zu recht­fer­ti­gen. Bereits 2018 wur­de Deutsch­land von dem UN-Aus­schuss für wirt­schaft­li­che, sozia­le und kul­tu­rel­le Rech­te in sei­nen abschlie­ßen­den Bemer­kun­gen zum Staa­ten­be­richt ein­dring­lich auf­ge­for­dert, die Ein­schrän­kun­gen im Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz abzu­schaf­fen.

Im Koali­ti­ons­ver­trag haben die Regie­rungs­par­tei­en ange­kün­digt, das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz zu über­ar­bei­ten. Das Bünd­nis for­dert die Bun­des­re­gie­rung drin­gend auf, die aktu­ell bestehen­den Ungleich­be­hand­lun­gen zum Anlass zu neh­men, Ein­schrän­kun­gen im Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz für alle Geflüch­te­ten abzu­schaf­fen. Denn alle Men­schen in Deutsch­land müs­sen ihr Recht auf dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu Gesund­heits­ver­sor­gung wahr­neh­men kön­nen.

Um den im Koali­ti­ons­ver­trag genann­ten unbü­ro­kra­ti­schen Zugang zu gewähr­leis­ten, ist es zudem not­wen­dig, dass Geflüch­te­te bun­des­weit eine elek­tro­ni­sche Gesund­heits­kar­te erhal­ten. Zudem müs­sen Ange­bo­te der Gesund­heits­ver­sor­gung, ins­be­son­de­re im Bereich der psy­chi­schen Gesund­heit, bedarfs­ge­recht aus­ge­baut und ange­passt wer­den. Hier­zu muss auch eine qua­li­fi­zier­te Sprach­mitt­lung im Kon­text der medi­zi­ni­schen Behand­lung sicher­ge­stellt sein.



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