vdää* bei den Erstunterzeichner*innen des Appells gegen Mili­ta­ri­sie­rung

Die­ser Krieg ist durch nichts zu recht­fer­ti­gen. Putin trägt die vol­le Ver­ant­wor­tung für die Toten und die Men­schen auf der Flucht. Putins Begrün­dun­gen für den Krieg sind Lügen und Pro­pa­gan­da. Wir machen uns gro­ße Sor­gen über die Zukunft von Frie­den und Sicher­heit in Euro­pa und der Welt. Die­se Angst ver­bin­det uns mit den Hun­dert­tau­sen­den Men­schen, die nach Beginn des Krie­ges allein in Köln, Ber­lin, Mün­chen, Frank­furt, Ham­burg und Hun­der­ten ande­ren Städ­ten auf die Stra­ße gin­gen und dort ihrer Empö­rung über Putins Krieg, ihre Soli­da­ri­tät mit der ukrai­ni­schen Bevöl­ke­rung, ihrer Angst vor einer wei­te­ren Eska­la­ti­on und ihrem Wunsch nach Frie­den und Sicher­heit Aus­druck ver­lie­hen. Mit ihnen gemein­sam haben wir gegen Putins Krieg und für Frie­den demons­triert.

Die Anschaf­fung von kon­ven­tio­nel­len Waf­fen wie Kampf­flug­zeugen und bewaffnungs­fähigen Droh­nen als Abschre­ckung unter ato­ma­ren Militär­blöcken ist sinn­los.

Die­se Demons­tra­tio­nen waren die größ­ten Friedens­demonstrationen seit den Pro­tes­ten gegen den Irak­krieg im Jahr 2003. Noch am sel­ben Tag, an dem in Ber­lin die Men­schen gegen den Krieg auf die Stra­ße gin­gen, prä­sen­tier­te die Bun­des­re­gie­rung mit Unter­stüt­zung der CDU/CSU ein Maßnahmen­paket, das die größ­te Auf­rüs­tung Deutsch­lands seit Ende des Zwei­ten Welt­kriegs vor­sieht. Eine mas­si­ve Hoch­rüs­tung der Bun­des­wehr hilft den Men­schen in der Ukrai­ne nicht. Die neu anzu­schaf­fen­den Waf­fen wer­den die Ukrainer:innen in ihrem Kampf und Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung nicht unter­stüt­zen. Schon jetzt über­stei­gen die „Ver­tei­di­gungs­aus­ga­ben“ aller 30 NATO-Staa­ten die rus­si­schen um fast das Zwan­zig­fa­che. Die Anschaf­fung von kon­ven­tio­nel­len Waf­fen wie Kampf­flug­zeu­gen und bewaff­nungs­fä­hi­gen Droh­nen als Abschre­ckung unter ato­ma­ren Militär­blöcken ist sinn­los. Die NATO-Län­der und auch Deutsch­land haben schon vor 2014, das heißt lan­ge bevor es den Ukrai­ne­kon­flikt gab, begon­nen, ihre Rüs­tungs­aus­ga­ben deut­lich zu stei­gern. Tei­le der Hoch­rüs­tungs­plä­ne fin­den sich schon im Koali­ti­ons­ver­trag, weit vor den ers­ten War­nun­gen vor einer bevor­ste­hen­den rus­si­schen Inva­si­on. Die­ser Krieg und die fürch­ter­li­chen Bil­der der Toten und Zer­stö­run­gen in der Ukrai­ne kön­nen jedoch eine radi­ka­le Kurs­än­de­rung in der deut­schen Außen­po­li­tik und die höchs­te Stei­ge­rung der deut­schen Rüs­tungs­aus­ga­ben seit dem Zwei­ten Welt­krieg – gar durch eine Grund­ge­setz­än­de­rung – nicht recht­fer­ti­gen.

Eine sol­che Wen­de der deut­schen Außen­po­li­tik um 180 Grad, mit ent­spre­chend dra­ma­ti­schen Fol­gen auch für die Innen­po­li­tik – für den Sozi­al­staat, für Libe­ra­li­tät und Mitmensch­lichkeit – ganz ohne brei­te gesell­schaft­li­che Debat­te, ohne par­la­men­ta­ri­sche, ja sogar ganz ohne inner­parteiliche Debat­te zu beschlie­ßen, wäre ein demo­kra­tie­po­li­ti­scher Skan­dal.

Zusätz­lich zu den bis­he­ri­gen 49 Mil­li­ar­den Rüstungs­ausgaben im Haus­halt 2022 sol­len noch in die­sem Jahr 100 Mil­li­ar­den als Son­der­ver­mö­gen ein­ge­stellt wer­den, das der Bun­des­wehr über meh­re­re Jah­re zur Ver­fü­gung ste­hen soll. Die­se Sum­me ent­spricht den Aus­ga­ben meh­re­rer Bun­des­mi­nis­te­ri­en, dar­un­ter so wich­ti­ge Res­sorts wie Gesund­heit (16,03 Mrd.), Bil­dung und For­schung (19,36 Mrd.), Innen, Bau und Hei­mat (18,52 Mrd.), Fami­lie, Senio­ren, Frau­en und Jugend (12,16 Mrd.), Wirt­schaft und Ener­gie (9,81 Mrd.), Umwelt (2,7 Mrd.), Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (10,8 Mrd.) sowie Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (6,98 Mrd.). Zukünf­tig sol­len dann dau­er­haft 2% des Brut­to­in­lands­pro­dukts für Rüs­tung aus­ge­ben wer­den. Damit wür­den die­se Aus­ga­ben auf deut­lich über 70 Mil­li­ar­den Euro jähr­lich stei­gen. Gleich­zei­tig will die Bun­des­re­gie­rung an der „Schulden­bremse“ fest­hal­ten, was lang­fris­tig die Fra­ge unse­rer demo­kra­ti­schen Prio­ri­tä­ten auf­wirft und die Gefahr mas­si­ver Kür­zun­gen im sozia­len, im kul­tu­rel­len, im öffent­li­chen Bereich mit sich bringt. Die­se poli­ti­sche Wei­chen­stel­lung zusätz­lich mit einer Grund­ge­setz­ver­an­ke­rung auch für zukünf­ti­ge Regie­run­gen ver­pflich­tend zu machen, leh­nen wir im Namen der Demo­kra­tie ab. Nicht Hoch­rüs­tung, son­dern Sicher­heit und sozia­le Gerech­tig­keit sind Auf­trag des Grund­ge­set­zes.

Die auf Jahr­zehnte geplan­te Hoch­rüstung been­det das Ster­ben in der Ukrai­ne nicht und macht unse­re Welt nicht fried­licher und nicht siche­rer.

Wir for­dern statt Ent­schei­dun­gen, die qua­si über Nacht und im kleins­ten Kreis getrof­fen wer­den, die brei­te demo­kra­ti­sche Dis­kus­si­on über ein umfas­sen­des Sicherheits­konzept, das die Sicher­heit vor mili­tä­ri­schen Angrif­fen genau­so ein­schließt wie pan­de­mi­sche und öko­lo­gi­sche Aspek­te und dem das Kon­zept der Ein­heit von Sicher­heit und gemein­sa­mer Ent­wick­lung zugrun­de liegt.

Wir sind kon­fron­tiert mit Krieg und unend­li­chem Leid, mit Flucht, mit Armut und sozia­ler Unsi­cher­heit, mit einer glo­ba­len Pan­de­mie, die auf­ge­zeigt hat, wie unse­re Gesund­heits­sys­te­me auf Kan­te genäht sind, mit einer öffent­li­chen Infra­struk­tur, deren jahrzehnte­lange Ver­nach­läs­si­gung uns heu­te teu­er zu ste­hen kommt, einer Kul­tur­sze­ne, die auf dem Zahn­fleisch geht, und mit einer Klima­katastrophe, die genau­so wenig vor Staats­grenzen Halt macht und immense Inves­ti­tio­nen in Zukunfts­technologien und sozia­le Abfe­de­rung erfor­der­lich macht. Die auf Jahr­zehn­te geplan­te Hoch­rüs­tung been­det das Ster­ben in der Ukrai­ne nicht, macht unse­re Welt nicht fried­li­cher und nicht siche­rer. Wir kön­nen sie uns im Namen der Zukunft nicht leis­ten.

März 2022

 



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