Zukunft der Kran­ken­häu­ser

  1. Wovon gehen wir aus?

Die sta­tio­nä­re Gesund­heits­ver­sor­gung in Deutsch­land hat ein Gerech­tig­keits­pro­blem und ein Demo­kra­tie­de­fi­zit. Dabei ist sie ein Spie­gel­bild der Ent­wick­lung der gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se, die seit Jahr­zehn­ten geprägt ist durch neo­li­be­ra­le Ent­so­li­da­ri­sie­rung und die Aus­höh­lung der Daseins­vor­sor­ge. Eine adäqua­te Gesund­heits­ver­sor­gung basiert auf den genau gegen­tei­li­gen Prin­zi­pi­en von Soli­da­ri­tät, Mit­be­stim­mung und Koope­ra­ti­on.

Der Ziel­kon­flikt zwi­schen einer ent­we­der für das Patient*innen- und Gemein­wohl bedarfs­ge­rech­ten Ver­sor­gung oder aber der Vor­macht von Kon­kur­renz und Pro­fit ist unauf­lös­lich. Dies gilt auch für den Wider­spruch zwi­schen demo­kra­ti­scher Gestal­tung und unter­neh­me­ri­scher Ver­fü­gungs­ge­walt. Nur gemein­schaft­li­ches Eigen­tum kann demo­kra­tisch gestal­tet wer­den. Min­des­tens alle Ein­rich­tun­gen der Daseins­vor­sor­ge, also auch die Gesund­heits­ver­sor­gung, soll­ten den kapi­ta­lis­ti­schen Markt­ge­set­zen ent­zo­gen wer­den. Statt chao­ti­scher Ver­tei­lungs­me­cha­nis­men soll­ten demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Insti­tu­tio­nen den tat­säch­li­chen Ver­sor­gungs­be­darf ermit­teln und für sinn­vol­le Ver­sor­gungs­struk­tu­ren sor­gen. Grund­la­ge dafür sol­len wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se sein, die in gemein­wohl­ori­en­tier­ter, von Lob­by­in­ter­es­sen unab­hän­gi­ger For­schung kon­ti­nu­ier­lich gewon­nen wer­den. Pla­nung, kon­kre­te Ver­sor­gung und Finan­zie­rung müs­sen demo­kra­tisch, koope­ra­tiv und gerecht orga­ni­siert sein.

Grund­la­ge einer nach­hal­ti­gen Finan­zie­rung der Gesund­heits­ver­sor­gung ist eine gerech­te Ver­tei­lungs­po­li­tik. Die Eigen­tums­ver­hält­nis­se klaf­fen immer wei­ter aus­ein­an­der. Der lohn­ab­hän­gi­ge Teil der Bevöl­ke­rung wur­de in den letz­ten Jahr­zehn­ten immer wei­ter belas­tet, aber er finan­ziert über die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung den bei wei­tem größ­ten Teil des Gesund­heits­sys­tems, wäh­rend die Kapitaleigentümer*innen ent­las­tet wur­den. Die Ein­künf­te der höchs­ten Ein­kom­mens­klas­sen müs­sen in einem ange­mes­se­nen Maße, d.h. viel mehr als bis­her, zur Finan­zie­rung gesell­schaft­li­cher Bedar­fe her­an­ge­zo­gen wer­den. Ein wich­ti­ger Schritt ist eine kon­se­quen­te soli­da­ri­sche Bürger*innen- und Pfle­ge­ver­si­che­rung.

Kran­ken­häu­ser müs­sen Ein­rich­tun­gen der Daseins­vor­sor­ge sein

Die Sicher­stel­lung einer ange­mes­se­nen Kran­ken­ver­sor­gung und die Vor­hal­tung ent­spre­chen­der Struk­tu­ren ist eine Kern­auf­ga­be öffent­li­cher Daseins­vor­sor­ge. Sie muss für die gesam­te Bevöl­ke­rung, unab­hän­gig von indi­vi­du­el­len Res­sour­cen und struk­tu­rel­len Benach­tei­li­gun­gen, in glei­chem Maße, in Stadt und Land, werk­tags wie fei­er­tags und zu jeder Tages- und Nacht­zeit, in zumut­ba­rer Ent­fer­nung und glei­cher­ma­ßen guter Qua­li­tät ver­füg­bar sein. Allei­ne vor die­sem Hin­ter­grund und mit die­sen Kri­te­ri­en kann eine Debat­te über die Umstruk­tu­rie­rung von Kran­ken­häu­sern geführt wer­den. Patient*innen- und Gemein­wohl müs­sen die obers­ten Prin­zi­pi­en sein.

War­um es so läuft, wie es läuft

Die ver­meint­lich “ord­nen­de Hand des Mark­tes” hat den Kran­ken­haus­sek­tor in eine tie­fe Kri­se geführt

Deutsch­lands Kran­ken­haus­we­sen wird seit mehr als drei Jahr­zehn­ten markt­wirt­schaft­lich umge­baut und pri­va­ti­siert, was tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen mit sich gebracht hat. Die nun zuein­an­der in Kon­kur­renz gestell­ten Kli­ni­ken sind hand­lungs­be­stim­men­den betriebs­wirt­schaft­li­chen Zwän­gen aus­ge­setzt. Dies wird durch unzu­rei­chen­de öffent­li­che Inves­ti­tio­nen ver­schärft. Im Eigen­tum von Wirt­schafts­kon­zer­nen haben sie den pri­mä­ren Zweck, pri­va­ten Pro­fit zu erwirt­schaf­ten und sind der demo­kra­ti­schen Gestal­tung und Kon­trol­le weit­ge­hend ent­zo­gen. Laut der vor­lie­gen­den Daten des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes von 2017 befan­den sich 36,5% der Kran­ken­häu­ser in pri­va­ter Hand. Die öko­no­mi­schen Zwän­ge betref­fen aber auch öffent­li­che und frei­ge­mein­nüt­zi­ge Kli­ni­ken. Ins­be­son­de­re frei­ge­mein­nüt­zi­ge Kli­ni­ken unter­lie­gen wie öffent­li­che zwar kei­nem Pro­fitzwang, haben jedoch wie pri­va­te schlech­te­re Per­so­nal­zah­len, unzu­rei­chen­de Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten des Per­so­nals und eine sehr pro­ble­ma­ti­sche Finan­zie­rung über die öffent­li­che Hand. Das deut­sche DRG-Fall­pau­scha­len­sys­tem belohnt als Abrech­nungs­sys­tem Men­gen­aus­wei­tun­gen bei lukra­ti­ven Dia­gno­sen und Maß­nah­men (z.B. Ope­ra­tio­nen, appa­ra­ti­ve Dia­gnos­tik) auf der einen Sei­te sowie die Ver­mei­dung von ver­lust­brin­gen­der Behand­lun­gen, die Ver­kür­zung der Ver­weil­dau­ern der Patient*innen und Ein­spa­run­gen beim Per­so­nal auf der ande­ren Sei­te. Die Kran­ken­häu­ser sind also gezwun­gen, Behand­lungs­an­ge­bo­te ver­stärkt an Erlös­aus­sich­ten und nur nach­ran­gig am Ver­sor­gungs­be­darf der Bevöl­ke­rung aus­zu­rich­ten.

Markt­cha­os statt bedarfs­ori­en­tier­ter Ver­sor­gung

Die­se Mecha­nis­men von Öko­no­mi­sie­rung und Pri­va­ti­sie­rung haben sowohl zu indi­vi­du­el­ler als auch regio­na­ler Über‑, Unter- und Fehl­ver­sor­gung und zur Schlie­ßung not­wen­di­ger Bet­ten, Abtei­lun­gen und gan­zer Kran­ken­häu­ser geführt. Im Kon­takt zu den Patient*innen und den Ange­hö­ri­gen fehlt es an Zeit; Pro­ze­du­ren haben Vor­rang vor dem zuge­wand­ten Gespräch und einem abwä­gen­den oder abwar­ten­den Vor­ge­hen. Das Ver­trau­en der Patient*innen, dass ihr Wohl bei Ent­schei­dun­gen über Dia­gnos­tik und The­ra­pie stets über wirt­schaft­li­chen Erwä­gun­gen steht, ist zu Recht erschüt­tert. Die öko­no­mi­schen Zwän­ge füh­ren zudem zu einer Ver­zer­rung der epi­de­mio­lo­gi­schen Daten über Häu­fig­keit und Schwe­re von Erkran­kun­gen. Zusätz­lich zu den ein­ge­führ­ten Markt­me­cha­nis­men sabo­tiert auch das unver­bun­de­ne Neben­ein­an­der von ambu­lan­tem und sta­tio­nä­rem Sek­tor die ange­mes­se­ne Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung.

Haus­ge­mach­ter Per­so­nal­man­gel und Über­las­tung

Eine ver­hee­ren­de, direk­te Fol­ge der Öko­no­mi­sie­rung ist der Stel­len­ab­bau vor allem bei nicht­ärzt­li­chen Fach­kräf­ten. Ent­schei­dungs­ab­läu­fe wur­den im Zuge der Öko­no­mi­sie­rung wei­ter hier­ar­chi­siert, Gestal­tungs­spiel­räu­me für das Fach­per­so­nal stark ein­ge­engt. Das ver­blie­be­ne Per­so­nal ist oft­mals chro­nisch über­las­tet und des­il­lu­sio­niert durch die zuneh­men­de Schwie­rig­keit pro­fes­sio­nell zu arbei­ten. Aus- und Wei­ter­bil­dung, Anlei­tung und Super­vi­si­on kom­men zu kurz. Vie­le Kolleg*innen wis­sen sich nicht mehr anders zu hel­fen, als ihren Stel­len­an­teil zu redu­zie­ren oder zu kün­di­gen. Auch der Nach­wuchs bleibt aus bzw. bricht zu oft ent­täuscht die begon­ne­ne Aus­bil­dung ab. Dabei genügt es nicht, für ver­ein­zel­te Berei­che Min­dest­per­so­nal­zah­len fest­zu­le­gen, die eine Unter­ver­sor­gung eher fixie­ren als über­win­den hel­fen und inner­halb des bestehen­den öko­no­mi­sier­ten Sys­tems zwangs­läu­fig dazu füh­ren, dass an ande­ren Stel­len umso här­ter bei Löh­nen und Per­so­nal gespart wird. Zudem wer­den gro­ße Tei­le der Beleg­schaft aus­ge­glie­dert mit dem Ziel der pro­fi­ta­ble­ren Aus­beu­tung mensch­li­cher Arbeits­kraft bei schlech­te­rer Bezah­lung, noch mehr Arbeits­het­ze und grö­ße­rer öko­no­mi­scher Unsi­cher­heit.

Pro­fit auf Kos­ten der Gemein­schaft

Die volks­wirt­schaft­li­chen Gesamt­aus­ga­ben für den Kran­ken­haus­sek­tor sind seit Ein­füh­rung des Fall­pau­scha­len­sys­tems nicht wie ange­kün­digt gesun­ken, son­dern schnel­ler als zuvor gestie­gen. Dabei haben sich in der sta­tio­nä­ren Kran­ken­ver­sor­gung, wie in der sta­tio­nä­ren Alten­pfle­ge Kon­zer­ne und Finanz­in­ves­to­ren aus­ge­brei­tet, die ihre Pro­fi­te aus den Ver­si­cher­ten­gel­dern und der öffent­li­chen Finan­zie­rung gene­rie­ren. In der ambu­lan­ten Ver­sor­gung hat die­ser Pro­zess eben­falls begon­nen. Die ver­ant­wort­li­chen poli­ti­schen Insti­tu­tio­nen sehen das zwar kri­tisch, blei­ben aber taten­los.

Öko­no­mi­sie­rung trifft auf Wider­stand

In den genann­ten Fehl­ent­wick­lun­gen zei­gen sich die grund­sätz­li­chen Kon­flik­te zwi­schen Sor­ge­ar­beit und den Prin­zi­pi­en kapi­ta­lis­tisch orga­ni­sier­ter Dienst­leis­tun­gen. Statt bedarfs­ge­steu­er­ter ist ren­di­te­ge­steu­er­te Öko­no­mie mitt­ler­wei­le im Kran­ken­haus­sek­tor fest ver­an­kert. Die Öko­no­mi­sie­rung trifft im Bereich der Daseins­vor­sor­ge aber – das zeigt sich in der Covi­d19-Pan­de­mie augen­schein­lich – auf sicht­ba­re Gren­zen, die ver­deut­li­chen, dass Daseins­vor­sor­ge nicht markt­wirt­schaft­lich orga­ni­siert wer­den kann ohne ihre Zie­le zu ver­feh­len. Es wird zwar mit allen Mit­teln ver­sucht, aber wei­te­re betriebs­wirt­schaft­li­che Ratio­na­li­sie­rung lässt sich im Kran­ken­haus­sek­tor nur sehr ein­ge­schränkt durch­set­zen: Kran­ken­häu­ser kön­nen nicht in Län­der mit nied­ri­ge­ren Löh­nen ver­la­gert wer­den, Sor­ge­ar­beit kann nur sehr begrenzt durch Maschi­nen erbracht wer­den, ste­ti­ge Arbeits­ver­dich­tung und Per­so­nal­ab­bau erschwe­ren oder ver­hin­dern eine sach­ge­rech­te Ver­sor­gung. Der Druck auf Per­so­nal­aus­stat­tung und Löh­ne, Über­las­tung und der Kon­flikt zwi­schen finan­zi­el­len und medi­zi­ni­schen sowie sozia­len Moti­va­tio­nen füh­ren zu zuneh­mend erfolg­rei­chem Wider­stand der Beschäf­tig­ten, ihrer Gewerk­schaf­ten und soli­da­ri­scher Bünd­nis­se, die deren Pro­test und ihre Streiks unter­stüt­zen.

Wie es bes­ser wer­den kann

1. Säu­le: Pro­fit­ver­bot – die Bedar­fe der Bevöl­ke­rung müs­sen in den Mit­tel­punkt gestellt wer­den

Kli­ni­ken müs­sen von Wirt­schafts­be­trie­ben wie­der zu öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen wer­den. Die Mög­lich­keit, mit Kran­ken­häu­sern Gewin­ne zu erwirt­schaf­ten, muss abge­schafft wer­den. Kon­zer­ne (u.a. Kran­ken­haus­ket­ten, Phar­ma­kon­zer­ne, Ver­si­che­run­gen) und Finanz­in­ves­to­ren wür­den Bei­trä­ge der Ver­si­cher­ten dann nicht län­ger über die sta­tio­nä­re Gesund­heits­ver­sor­gung in pri­va­ten Pro­fit ver­wan­deln kön­nen, sie wür­den ihr Kapi­tal aus die­sem Feld der Daseins­vor­sor­ge abzie­hen und die Kran­ken­häu­ser wür­den von demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Insti­tu­tio­nen geführt wer­den kön­nen. Die Fehl­ent­wick­lun­gen, die aus Öko­no­mi­sie­rung, Kom­mer­zia­li­sie­rung und Pri­va­ti­sie­rung im Gesund­heits­we­sen ent­ste­hen, las­sen sich inner­halb eines markt­för­mi­gen Finan­zie­rungs­sys­tems, das Pro­fit ermög­licht, weder mit poli­tisch-büro­kra­ti­schen Vor­ga­ben und Kon­trol­len noch mit Anpas­sun­gen in Schach hal­ten.

2. Säu­le: Koope­ra­ti­on – Die Ver­sor­gungs­struk­tu­ren müs­sen sek­toren­über­grei­fend und ver­netzt arbei­ten

Es bedarf eines sek­toren­über­grei­fen­den, ver­netz­ten und gestuf­ten Ver­sor­gungs­sys­tems, von der Pri­mär- und Not­fall­ver­sor­gung über die Grund- und Regel­ver­sor­gung bis hin zur Maxi­mal­ver­sor­gung. So kön­nen sowohl das unver­bun­de­ne Neben­ein­an­der von ambu­lan­tem und sta­tio­nä­rem Sek­tor als auch die Kon­kur­renz unter den Kli­ni­ken über­wun­den wer­den. Dafür müs­sen dem regio­na­len Bedarf ent­spre­chend inno­va­ti­ve neue Ver­sor­gungs­ein­hei­ten gebil­det wer­den, die so bis­her nicht exis­tie­ren (z.B. kom­mu­na­le Gesund­heits­zen­tren, Poli­kli­ni­ken, Pri­mär­ver­sor­gungs­zen­tren, Kran­ken­haus­ver­bün­de). Die Ver­sor­gungs­struk­tu­ren müs­sen unter öffent­li­cher Ver­ant­wor­tung gestal­tet wer­den; das Pro­blem der kon­kre­ten Aus­for­mung, den Weg des Über­gangs und damit ver­bun­de­ne Fra­gen wie z.B. Trä­ger­schaft (Rekom­mu­na­li­sie­rung, Über­füh­rung in Gemein­ei­gen­tum) sind noch zu lösen.

3. Säu­le: Bedarfs­er­mitt­lung und Pla­nung – ein evi­denzbasier­ter und gemein­wohl­ori­en­tier­ter Pro­zess ist not­wen­dig

Um eine bedarfs­ge­rech­te Ver­sor­gungs­struk­tur zu gestal­ten und kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, ist ein wis­sen­schaft­lich fun­dier­ter Pla­nungs­pro­zess unter öffent­li­cher Ver­ant­wor­tung not­wen­dig. Die­se erfor­dert eine poli­ti­sche Dis­kus­si­on und demo­kra­ti­sche Kon­trol­le. Dabei ist ins­be­son­de­re eine Par­ti­zi­pa­ti­on der Betrof­fe­nen (Ver­si­cher­te, Patient*innen, nicht-ärzt­li­che und ärzt­li­che Leistungserbringer*innen, Kran­ken­kas­sen, Gewerk­schaf­ten staat­li­che Insti­tu­tio­nen) unver­zicht­bar. (vgl. auch vdää Pro­gramm 2012).

Grund­la­ge der Pla­nung muss eine evi­denz­ba­sier­te Bedarfs­er­mitt­lung sein, die in Zukunft wesent­lich stär­ker sozia­le Deter­mi­nan­ten von Gesund­heit (Armut, Wohn­si­tua­ti­on, Arbeits­plät­ze, Ras­sis­mus­er­fah­run­gen etc.) berück­sich­tigt. Eine kon­ti­nu­ier­lich beglei­ten­de Ver­sor­gungs­for­schung und öffent­lich geför­der­te Public Health-Wis­sen­schaf­ten sind dabei wich­tig. Zudem müs­sen die not­wen­di­gen poli­ti­schen und juris­ti­schen Instru­men­te geschaf­fen wer­den, um eine sol­che Ver­sor­gungs­struk­tur auch gegen pri­vat­wirt­schaft­li­chen Wider­stand durch­set­zen zu kön­nen.

4. Säu­le: Finan­zie­rung von Inves­ti­tio­nen – Um eine bedarfs­ge­rech­te Reform der Kran­ken­haus­land­schaft zu ver­wirk­li­chen, muss aus­kömm­lich inves­tiert wer­den

Die Bun­des­län­der müs­sen end­lich wirk­sam gesetz­lich ver­pflich­tet wer­den, Kran­ken­haus­in­ves­ti­tio­nen aus­kömm­lich zu finan­zie­ren. Die Steu­er­ge­setz­ge­bung und die Ver­tei­lung der Steu­er­mit­tel sind dabei zuguns­ten einer bedarfs­ge­rech­ten Ver­sor­gung zu ver­än­dern.

5. Kos­ten­de­ckungs­prin­zip – Abschaf­fung des Fall­pau­scha­len­sys­tems

Das Fall­pau­scha­len­sys­tem muss zuguns­ten einer sachgerech­te­ren Finan­zie­rung abge­schafft wer­den, weil es sich zum wich­tigs­ten Instru­ment der Pri­va­ti­sie­rung und Öko­no­mi­sie­rung ent­wi­ckelt hat. Die Leis­tun­gen müs­sen dem medi­zi­ni­schen Bedarf fol­gen und nicht dem Geld.

Eini­ge Kern­ele­men­te einer neu­en Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung las­sen sich auf Anhieb benen­nen: Prin­zi­pi­ell sol­len medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen sach­ge­recht erbracht wer­den. Die Indi­ka­ti­ons­stel­lung für dia­gnos­ti­sche, the­ra­peu­ti­sche und reha­bi­li­ta­ti­ve Maß­nah­men und Pfle­ge muss frei sein von Ver­gü­tungs­er­wä­gun­gen. Die ent­stan­de­nen Kos­ten sol­len den Ein­rich­tun­gen nach dem Prin­zip der Kos­ten­de­ckung erstat­tet wer­den. Gewin­ne und Ver­lus­te sind dann nicht mehr mög­lich.

Auf Basis einer unter 3. skiz­zier­ten fun­dier­ten Bedarfs­er­mitt­lung las­sen sich kon­kre­te Bud­gets für die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung in defi­nier­ten Ver­sor­gungs­be­rei­chen oder Regio­nen ermit­teln. Allein die über­fäl­li­ge Ein­füh­rung umfas­sen­der und ver­bind­li­cher Vor­ga­ben für die Per­so­nal­be­mes­sung der Beschäf­tig­ten­grup­pen wür­de sol­che Ver­sor­gungs­bud­gets zu einem gro­ßen Anteil fest­le­gen. Die Leis­tungs- und Kos­ten­struk­tur der Kran­ken­häu­ser kann dabei auch pro­blem­los trans­pa­rent gemacht wer­den, um sie auf öko­no­mi­sche Ratio­na­li­tät hin zu über­prü­fen.

6. Säu­le: Demo­kra­ti­sie­rung – auch Kran­ken­häu­ser müs­sen demo­kra­ti­siert wer­den

Auch die inne­re Struk­tur der Kran­ken­häu­ser muss demo­kra­ti­siert wer­den. Dabei geht es um mehr als nur um inner­be­trieb­li­che Inter­es­sens­ver­tre­tung in einer unver­än­dert hier­ar­chi­schen Insti­tu­ti­on. Wenn die Per­spek­ti­ve von der gegen­wär­ti­gen betriebs­wirt­schaft­li­chen Eng­füh­rung auf die viel­fäl­ti­gen Aspek­te des Patient*innenwohls erwei­tert wer­den soll, müs­sen die Koope­ra­ti­on der Kran­ken­haus­be­schäf­tig­ten und die Struk­tu­ren und Pro­zes­se im Kran­ken­haus auf eine neue sach­ge­rech­te Grund­la­ge gestellt wer­den. Der fach­li­chen Pro­fes­sio­na­li­tät und Kol­le­gia­li­tät muss dabei durch Par­ti­zi­pa­ti­on, Koope­ra­ti­on und Selbst­ver­wal­tung eine neue Wirk­mäch­tig­keit zuwach­sen. Unter den Beschäf­tig­ten darf es kei­ne Hier­ar­chie geben, die nicht auf spe­zi­fi­scher Fach­kennt­nis und Exper­ti­se beruht. His­to­ri­sche Ent­wür­fe wie das „klas­sen­lo­se Kran­ken­haus“ oder inter­na­tio­na­le fort­schritt­li­che Kon­zep­te kön­nen hier als Ori­en­tie­rung die­nen. Die Erfah­rung von Zusam­men­ar­beit und Mit­be­stim­mung im Betrieb trägt zwei­fel­los zur Wei­ter­ent­wick­lung einer demo­kra­ti­schen und soli­da­ri­schen Gesell­schaft bei.

(vdää Sep­tem­ber 2020)

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