Pres­se­mit­tei­lung des vdää anläss­lich des Die­sel­skan­dals 09.08.2017

Mit Unver­ständ­nis und Empö­rung neh­men wir demo­kra­ti­schen Ärz­tin­nen und Ärz­te zum soge­nann­ten Die­sel­gip­fel Stel­lung: „Nicht nur der Aus­schluss der den Skan­dal auf­de­cken­den Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen, son­dern auch die Nicht-Betei­li­gung der Gesund­heits­po­li­tik ist ein Bekennt­nis zur Kum­pa­nei mit der Auto­mo­bil­in­dus­trie“, so Micha­el Jan­ßen, stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des vdää.

Die Bun­des­re­gie­rung und die nach­ge­ord­ne­ten Behör­den haben in der Ver­gan-gen­heit nichts unter­nom­men, um die gesund­heits­ge­fähr­den­den Betrü­ge­rei­en beim Stick­oxid-Aus­stoß auf­zu­de­cken und zu stop­pen, obwohl sie jah­re­lang von Umwelt­ver­bän­den mit Hin­wei­sen und kon­kre­ten Ver­dachts­mo­men­ten ver­sorgt wur­den. Jetzt – nach dem Die­sel­gip­fel – müs­sen sie sich wei­ter­hin vor­wer­fen las­sen, mit der deut­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie zu kuscheln, zumin­dest der star­ken Lob­by kei­ne mess­ba­re Gegen­wehr ent­ge­gen brin­gen zu wol­len.

Es wird in den regie­rungs­amt­li­chen Ver­laut­ba­run­gen so getan, als wenn es sich um bedau­er­li­che, aber harm­lo­se Moge­lei­en der Indus­trie gehan­delt hät­te, die jetzt unter der Auf­sicht der zustän­di­gen Minis­te­ri­en regu­liert wer­den müs­sen. Dabei sol­len die Ein­schrän­kun­gen für die indi­vi­du­el­le Mobi­li­tät („Ver­mei­dung von Fahr­ver­bo­ten“) und vor allem die Auto­mo­bil­in­dus­trie am Stand­ort Deutsch­land mög­lichst gering gehal­ten wer­den.

Im Gegen­satz dazu stellt der Ver­ein demo­kra­ti­scher Ärz­tin­nen und Ärz­te fest: „Jah­re­lang hat die Auto­mo­bil­in­dus­trie, unter Mit­wis­ser­schaft der deut­schen Minis­te­ri­en bewusst die von Stick­oxi­den aus­ge­hen­de Gesund­heits­ge­fah­ren mit poten­ti­ell töd­li­chen Fol­gen in Kauf genom­men“, so Micha­el Jan­ßen wei­ter.

Nicht nur die Miss­ach­tung gel­ten­der deut­scher und euro­päi­scher Geset­ze war bekannt, auch die Gefah­ren sind unüber­seh­bar und wis­sen­schaft­lich gut belegt:

  • Das Com­mit­tee on the medi­cal effects of air pol­lu­ti­on (COMEAP), das Be-rater­gre­mi­um der Bri­ti­schen Regie­rung in gesund­heit­li­chen Fra­gen der Luft­ver­schmut­zung ver­öf­fent­lich­te schon im März 2015 im State­ment on the evi­dence for the effects of nitro­gen dioxi­de on Health neue Erkennt­nis­se zur Kau­sa­li­tät zwi­schen kurz- und lang­fris­ti­ger Stick­stoff­oxid­be­las­tung und dem Auf­tre­ten von Lun­gen­krank­hei­ten (ins­be­son­de­re Asth­ma, Bron­chi­al­krebs, Atem­wegs­in­fek­tio­nen) und Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen.
  • Das unab­hän­gi­ge Inter­na­tio­nal Coun­cil on Clean Trans­por­ta­ti­on (www.theicct.org) ver­öf­fent­lich­te im Mai 2017 im Maga­zin Natu­re Ergeb­nis­se einer welt­wei­ten Stu­die, die den Ein­fluss von Stick­oxi­den auf die Gesund­heit und vor­zei­ti­ge Sterb­lich­keit der Bevöl­ke­rung Euro­pas bele­gen. Danach waren in 2015 Stick­oxi­de ver­ant­wort­lich für mehr als 28.000 Todes­fäl­le in der EU; davon ent­fal­len ein Drit­tel auf den uner­laub­ten über­mä­ßi­gen Aus­stoß. Nur eine wei­te­re unter­such­te Regi­on (Chi­na) liegt mit über 31.000 Todes­fäl­len vor der EU.
  • Die Euro­päi­sche Umwelt­agen­tur EEA geht in epi­de­mio­lo­gi­schen Schät­zun­gen von bis zu 70.000 zusätz­li­chen Todes­fäl­len aus, auf Deutsch­land ent­fal­len davon jähr­lich 10.000.

Der vdää sieht hier neben den Umwelt­ver­bän­den beson­ders das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit sowie die ver­fass­te Ärz­te­schaft in der Pflicht, in die­ser Dis­kus­si­on eben­falls klar Stel­lung zu bezie­hen und ein rasches und effek­ti­ves Vor­ge­hen zum Gesund­heits­schutz der Bevöl­ke­rung zu for­cie­ren.

Der vdää for­dert von einer neu­en Bun­des­re­gie­rung die Erar­bei­tung eines Gesetz­ent­wur­fes für den Schutz der Bevöl­ke­rung vor Abga­sen aus Auto‑, Schiffs- und Flug­ver­kehr unter Ein­be­zie­hung der Län­der nach den Grund­prin­zi­pi­en von „Health in all Poli­ci­es“.

Prof.Dr. Wulf Diet­rich



×