Denn dieser Entwurf soll gruppennützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen, z.B. an Demenz erkrankten Patienten, ermöglichen. Ein potentieller Nutzen für den Patienten besteht bei der Durchführung der Studie nicht. In der öffentlichen Diskussion wird immer die Forschung an demenzkranken Menschen hervorgehoben. Der Gesetzentwurf aber spricht generell von gruppennütziger Forschung an erwachsenen nicht-einwilli-gungsfähigen Menschen. Theoretisch also werden gruppennützige Studien nicht nur an dementen Patienten, sondern auch an Menschen im Koma, mit Apoplex oder beatmeten Intensivpatienten möglich werden.
Nicht einwilligungsfähige PatientInnen sollen an klinischen Prüfungen teilnehmen können, wenn sie in einer Vorabverfügung in einer Zeit, als sie noch einwilligungsfähig waren, ihre Zustimmung zu einer klinischen Prüfung gegeben haben. Zum Zeitpunkt der Prüfung muss auch der gesetzliche Vertreter zustimmen.
In der Vorabverfügung kann nicht geregelt werden, an welcher klinischen Prüfung konkret der Patient teilnehmen soll. Es kann sich hier nur um eine pauschale Zustimmung handeln, wobei die potentiellen ProbandInnen zum Zeitpunkt der Zustimmung gar nicht beurteilen können, ob sie in einem nicht einwilligungsfähigen Zustand einem solchen konkreten Forschungsprojekt zustimmen würden. Da zum Zeitpunkt der Zustimmung das Forschungsprojekt noch gar nicht konkretisiert ist, kann der zustimmende Proband die Risiken und Nebenwirkungen dieses Projektes gar nicht beurteilen. Dies aber ist nach der Deklaration von Helsinki zwingende Voraussetzung für eine rechtskräftige Zustimmung zu klinischen Prüfungen, dem informed consent. Es bleibt abzuwarten, ob eine Ethikkommission einem Forschungsvorhaben mit solch einer pauschalen Zustimmung jemals zustimmen wird.
Selbstverständlich werden auch zukünftig Studien mit eigennützigem Charakter, also Studien, bei denen der Patient einen zumindest potentiellen Nutzen hat, möglich sein.
„Das geplante Vorhaben stellt einen Tabubruch in der medizinischen Ethik dar und könnte zukünftige Aufweichung ethischer Standards bei klinischen Forschungsvorhaben ermöglichen. Darüber hinaus ist bis heute unklar, auf welchem Gebiet überhaupt ein dringender Forschungsbedarf an nicht einwilligungsfähigen Patienten bestehen soll“, so Prof. Dr. Wulf Dietrich, der Vorsitzende des vdää. Bisher gibt es keine bekanntgewordenen Fälle, in denen die Durchführung eines Forschungsvorhabens wegen des Fehlens der Möglichkeit zu gruppennütziger Forschung gescheitert ist.
Prof. Dr. Wulf Dietrich (Vorsitzender)