Pres­se­er­klä­rung des vdää zum Kran­ken­haus-Struk­tur-Gesetz

Im “Eck­punk­te­pa­pier” war ein “Ein­stieg in den bedarfs­ge­rech­ten Umbau der Kran­ken­haus-ver­sor­gung, der von der Ver­sor­gung der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten her gedacht ist”, ange­kün­digt wor­den. In Wahr­heit wol­len Gro­ße Koali­ti­on, Bund und Län­der sich aus der Ver­ant­wor­tung steh­len. Dem Rück­zug des Staa­tes aus dem Gesund­heits­sys­tem soll offen­sicht­lich ein wei­te­rer Vor­marsch pro­fit­ori­en­tier­ter Kapi­tal­in­ves­to­ren in den “Gesund­heits­markt” fol­gen. So ver­wei­gern die Bun­des­län­der wei­ter­hin die Stei­ge­rung der gesetz­wid­rig unzu­rei­chen­den Inves­ti­ti­ons­mit­tel; eine wei­te­re Pri­va­ti­sie­rungs­run­de wird die Kon­se­quenz sein. Ohne eine deut­li­che Anhe­bung der Inves­ti­ti­ons­mit­tel müs­sen die Kran­ken­häu­ser wei­ter­hin drin­gend not­wen­di­ge Per­so­nal­stel­len strei­chen, um Bau­stel­len aus Betriebs­mit­teln zu finan­zie­ren.

Das Gesetz wird an der Mise­re in den Kran­ken­häu­sern nichts ändern. Im Gegen­teil!
Der Ver­ein demo­kra­ti­scher Ärz­tin­nen und Ärz­te ruft die Zivil­ge­sell­schaft auf, die­sem aso­zia­len Poli-tik­ver­ständ­nis von einem “Gesund­heits­markt” statt eines am Gemein­wohl ori­en­tier­ten Gesund-heits­we­sens ent­ge­gen­zu­tre­ten. Wir for­dern für das Gesund­heits­we­sen Bedarfs­ge­rech­tig­keit statt Öko­no­mi­sie­rung, Koope­ra­ti­on statt Kon­kur­renz und Gemein­nüt­zig­keit statt Pro­fit­wirt­schaft.

Wir for­dern: Abschaf­fung des DRG-Sys­tems
Die geplan­te ver­schärf­te Ver­be­triebs­wirt­schaft­li­chung der Abläu­fe in den Kran­ken­häu­sern setzt trotz aller öffent­lich bekannt gewor­de­nen Fehl­ent­wick­lun­gen wei­ter­hin Geld über Pati­en­ten­wohl. Auch mit dem geplan­ten KSG sol­len den Kran­ken­häu­sern Vor­hal­te­kos­ten nicht erstat­tet wer­den. Wenn aber Geld auch zukünf­tig nur über Fall­pau­scha­len ins Kran­ken­haus kommt, bleibt den Kli­ni­ken bei Stra­fe der Plei­te kein ande­rer Weg, als immer mehr “Fäl­le” zu behan­deln, lukra­ti­ve Ope­ra­tio­nen und ande­re inva­si­ve Pro­ze­du­ren wei­ter zu stei­gern – selbst wenn sie medi­zi­nisch frag­wür­dig sind.

Die­se viel­fach und völ­lig zu Recht kri­ti­sier­ten Men­gen­aus­wei­tun­gen sind nicht Aus­wüch­se son­dern unver­meid­li­che Kon­se­quenz eines öko­no­mi­schen Zwangs­ge­set­zes, näm­lich der unsin­ni­gen deut­schen Aus­ge­stal­tung eines DRG-Sys­tems in der Form eines durch­gän­gi­gen Preis­sys­tems. Mit unnö­ti­gen Maß­nah­men wird Kör­per­ver­let­zung an Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten began­gen und Geld im Gesund­heits­we­sen ver­schwen­det. So kommt Geld nicht dort­hin, wo es am drin­gends­ten gebraucht wird. Auch die Bun­des­ärz­te­kam­mer for­dert einen “Wan­del des G‑DRG-Fall­pau­scha­len­sys­tems von einem unmit­tel­ba­ren Preis­sys­tem in ein Kran­ken­haus­er­lös­be­mes­sungs­in­stru­ment”, auch um “künf­tig aus­rei­chen­de Ermes­sens­spiel­räu­me für die regio­na­le / loka­le Ver­ein­ba­rung von Ver­gü­tun­gen” zu bekom­men.

Wir for­dern: aus­kömm­li­che Erlö­se für Kran­ken­haus­be­hand­lun­gen
Seit Jah­ren geht die Sche­re zwi­schen Kos­ten und Erlö­sen immer wei­ter auf, so dass rund die Hälf­te der Kran­ken­häu­ser unter Defi­zi­ten lei­den. „Eine nach­hal­ti­ge Siche­rung der Betriebs­kos­ten der Kran­ken­häu­ser“ wird im KSG nur ver­spro­chen, aber nicht ver­wirk­licht! Die Prei­se im DRG-Sys­tem sind über Jah­re nicht ange­mes­sen gestei­gert wor­den. Wenn den Kran­ken­häu­sern die not­wen­di­gen Betriebs­mit­tel wei­ter­hin vor­ent­hal­ten wer­den, wer­den selbst die im KSG ange­kün­dig­ten ver­schärf­ten Qua­li­täts­kon­trol­len und finan­zi­el­len Sank­tio­nen für schlech­te Leis­tun­gen nichts bewir­ken kön­nen.
Im Gegen­teil: Kli­ni­ken müs­sen, um als Wirt­schafts­be­trie­be im DRG-Sys­tem zu über­le­ben, Behand­lun­gen zu geringst­mög­li­chen Selbst­kos­ten erbrin­gen. Out­sour­cing und Dum­ping­löh­ne ver­schlech­tern Arbeits- und Ein­kom­mens­ver­hält­nis­se für die Beschäf­tig­ten in den Kran­ken­häu­sern. Zuneh­mend wer­den Stel­len in der Pfle­ge und in den the­ra­peu­ti­schen Berei­chen gestri­chen, die für eine fach­lich gute und mensch­lich anstän­di­ge Ver­sor­gung unver­zicht­bar sind. Zudem kön­nen zuneh­mend Stel­len nicht kom­pe­tent besetzt wer­den, weil ange­sichts unzu­mut­ba­rer Arbeits­be­din­gun­gen zu weni­ge Bewer­bun­gen ein­ge­hen.
Wir Ange­hö­ri­gen der Gesund­heits­be­ru­fe wün­schen uns eine Beschrän­kung medi­zi­ni­scher Maß­nah­men auf das Not­wen­di­ge, dafür aber mit bes­se­rer Qua­li­tät.

Wir for­dern: gesetz­li­che Per­so­nal­be­mes­sung
Das im KSG ange­kün­dig­te Pfle­ge­för­der­pro­gramm ist lächer­lich: Bei groß­zü­gi­ger Kal­ku­la­ti­on wird es höchs­tens drei zusätz­li­che Pfle­ge­stel­len pro Kli­nik brin­gen. Wer wirk­lich mehr Qua­li­tät will muss aber mehr Fach­kräf­te in die Kran­ken­häu­ser brin­gen. Der Kon­kur­renz­kampf der Kran­ken­häu­ser um die nied­rigs­ten Behand­lungs­kos­ten und den hem­mungs­lo­ses­ten Stel­len­ab­bau muss gestoppt wer­den. Mehr von uns ist bes­ser für Alle, lau­tet ein voll­kom­men zutref­fen­der Slo­gan der Beschäf­tig­ten an der Ber­li­ner Cha­ri­té

Wir for­dern: öffent­li­che Pla­nung und Steue­rung des Gesund­heits­we­sens statt des Wild­wuch­ses eines Gesund­heits­mark­tes
Das KSG will mit Preis­ma­ni­pu­la­tio­nen ein im Kern unge­re­gel­tes Markt­ge­sche­hen ledig­lich beein­flus-sen. Eine sach­ge­rech­te Daseins­vor­sor­ge im sta­tio­nä­ren Bereich erfor­dert jedoch not­wen­dig eine wis­sen­schaft­lich unter­stütz­te, inte­grier­te Bedarfs­pla­nung auf loka­ler, regio­na­ler und über­re­gio­na­ler Ebe­ne.

Der vdää for­dert alle zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen auf, mit ihren Mit­teln für eine grund­le­gen­de Ver­än­de­rung der Gesund­heits­po­li­tik und des Gesetz­ent­wurfs zum KSG zu kämp­fen.

Der vdää erklärt sich soli­da­risch mit dem weg­wei­sen­den Streik der Beschäf­tig­ten an der Ber­li­ner Cha­ri­té. Ohne eine Eska­la­ti­on der gesell­schaft­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen wer­den sich Öko­no­mi­sie­rung und Kom­mer­zia­li­sie­rung des Gesund­heits­sys­tems nicht abwen­den las­sen.

Dr. Peter Hoff­mann
(Stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des vdää)



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