Pres­se­er­klä­rung des vdää zum Ärz­te­tag

Seit Jah­ren ste­hen die Deut­schen Ärz­te­ta­ge für eine kon­ser­va­ti­ve, stan­des­be­zo­ge­ne Sozi­al­po­li­tik. Auch in die­sem Jahr wird es gegen das sog. Ver­sor­gungs­stär­kungs­ge­setz, mit dem eine aus­ge­gli­che­ne­re medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung erreicht wer­den soll, gehen. Nicht etwa, dass die­ser Gesetz­ent­wurf beson­ders gelun­gen wäre, aber immer nur vor dro­hen­der „Staats­me­di­zin“ zu war­nen oder die „Ent­eig­nung von Ver­trags­ärz­ten“ an die Wand zu malen, wird nicht wei­ter hel­fen. Von der Bun­des­ärz­te­kam­mer sind bis­her kei­ne ernst zu neh­men­den Vor­schlä­ge zum Abbau medi­zi­ni­scher Über‑, Unter- oder Fehl­ver­sor­gung gekom­men. Kein Wun­der also, wenn die Poli­tik ihre eige­nen, büro­kra­ti­schen Vor­stel­lun­gen umset­zen wird. Die BÄK läuft seit Jah­ren auch in der Fra­ge der Bestech­lich­keit von Ärz­tin­nen und Ärz­ten der Poli­tik hin­ter­her, statt eige­ne Vor­stel­lun­gen zur Abwehr kor­rup­ti­ven Ver­hal­tens ein­zu­brin­gen. Wer so hohe mora­li­sche Ansprü­che für sich selbst rekla­miert, soll­te wenigs­tens selbst­kri­tisch auf Defi­zi­te der ärzt­li­chen Moral ach­ten und sich stren­ge Regeln geben, um dem über­stei­ger­ten Selbst­bild wenigs­tens nahe zu kom­men. Eine Ände­rung der Mus­ter-Berufs­ord­nung zur Ver­mei­dung von Kor­rup­ti­on in der Medi­zin steht seit Jah­ren an – sie wird aber nicht voll­zo­gen. Zum Ent­wurf eines Prä­ven­ti­ons­ge­set­zes gibt es Sei­ten der orga­ni­sier­ten Ärz­te­schaft kei­ne Vor­stel­lun­gen zu Ver­hält­nis­prä­ven­ti­on statt Ver­hal­tens­prä­ven­ti­on.
Bei der Kran­ken­haus­re­form darf man gespannt sein, ob die deut­sche Ärz­te­schaft ihre Stim­me lau­ter als bis­her gegen die Öko­no­mi­sie­rung im Kran­ken­haus erhebt und für eine bedarfs­ge­rech­te statt markt­ge­rech­te Ver­sor­gung kämpft. Bis­lang haben sich vie­le Ärz­tin­nen und Ärz­te lei­der all­zu bereit­wil­lig mit dem DRG-Sys­tem arran­giert statt wegen der skan­da­lö­sen wirt­schaft­li­chen Fehl­an­rei­ze und der Unfä­hig­keit für eine aus­rei­chen­de Per­so­nal­aus­stat­tung in Pfle­ge und the­ra­peu­ti­schen Berei­chen zu sor­gen und die Abschaf­fung der DRGs als Finan­zie­rungs­grund­la­ge der sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung zu for­dern.
Lei­der haben es unse­re Stan­des­ver­tre­ter mit ihrer ver­bockt kon­ser­va­ti­ven Poli­tik über die Jah­re geschafft, dass die Ver­tre­tung der Ärz­te­schaft poli­tisch nicht mehr sehr ernst genom­men wird. „Die Hun­de bel­len, aber die Kara­wa­ne zieht wei­ter“ – so lässt sich der poli­ti­sche Ein­fluss der Bun­des­ärz­te­kam­mer beschrei­ben. Ihre inner­ärzt­li­che Basis wird immer schwä­cher: Die Betei­li­gung bei den Kam­mer­wah­len liegt zwi­schen 30 und 40 Pro­zent. Die Mehr­heit der Ärz­te­schaft hat sich von ihren Funk­ti­ons­trä­gern abge­wandt. Auch der aktu­el­le Streit an der Spit­ze der Bun­des KV lässt vie­le Mit­glie­der nur noch kopf­schüt­telnd resi­gnie­ren.
Posi­tiv ist zu ver­mer­ken, dass die Ärz­te­ta­ge in Bezug auf die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung von Migran­ten und Flücht­lin­gen schon seit Jah­ren sehr weit­rei­chen­de und sinn­vol­le Vor­schlä­ge machen. Auch jetzt sind hilf­rei­che Ent­schlüs­se auf dem Ärz­te­tag zu erwar­ten.

Ins­ge­samt aber steht zu befürch­ten, dass der 118. Deut­sche Ärz­te­tag vom revo­lu­tio­nä­ren Geist der Pauls­kir­che auch in die­sem Jahr nicht inspi­riert wer­den wird. Die Zei­ten revo­lu­tio­nä­ren Auf­bruchs sind zu lan­ge vor­bei – beson­ders in der orga­ni­sier­ten Ärz­te­schaft.

Prof. Dr. Wulf Diet­rich (Vor­sit­zen­der)



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