Ärz­te­tag 2012 zu den Opfern der Medi­zin im Natio­nal­so­zia­lis­mus

Der 115. Deut­sche Ärz­te­tag fin­det 2012 in Nürn­berg statt, an dem Ort also, an dem vor 65 Jah­ren 20 Ärz­te als füh­ren­de Ver­tre­ter der “staat­li­chen medi­zi­ni­schen Diens­te” des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staa­tes wegen medi­zi­ni­scher Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit ange­klagt wur­den. Die For­schun­gen der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te haben gezeigt, dass das Aus­maß der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen noch grö­ßer war, als im Pro­zess ange­nom­men. Wir wis­sen heu­te deut­lich mehr über Zie­le und Pra­xis der viel­fach töd­lich enden­den unfrei­wil­li­gen Men­schen­ver­su­che mit vie­len tau­send Opfern und die Tötung von über 200.000 psy­chisch kran­ken und behin­der­ten Men­schen, eben­so über die Zwangs­ste­ri­li­sa­ti­on von über 360.000 als “erb­krank” klas­si­fi­zier­ten Men­schen.

Im Gegen­satz zu noch immer weit ver­brei­te­ten Annah­men ging die Initia­ti­ve gera­de für die­se gra­vie­rends­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen nicht von poli­ti­schen Instan­zen, son­dern von den Ärz­ten selbst aus. Die­se Ver­bre­chen waren auch nicht die Taten ein­zel­ner Ärz­te, son­dern sie gescha­hen unter Mit­be­tei­li­gung füh­ren­der Reprä­sen­tan­ten der ver­fass­ten Ärz­te­schaft sowie medi­zi­ni­scher Fach­ge­sell­schaf­ten und eben­so unter maß­geb­li­cher Betei­li­gung von her­aus­ra­gen­den Ver­tre­tern der uni­ver­si­tä­ren Medi­zin sowie von renom­mier­ten bio­me­di­zi­ni­schen For­schungs­ein­rich­tun­gen.

Die­se Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen durch die NS-Medi­zin wir­ken bis heu­te nach und wer­fen Fra­gen auf, die das Selbst­ver­ständ­nis der Ärz­tin­nen und Ärz­te, ihr pro­fes­sio­nel­les Han­deln und die Medi­zin­ethik betref­fen.

Der 115. Deut­sche Ärz­te­tag stellt des­halb fest:

  • Wir erken­nen die wesent­li­che Mit­ver­ant­wor­tung von Ärz­ten an den Unrechts­ta­ten der NS-Medi­zin an und betrach­ten das Gesche­he­ne als Mah­nung für die Gegen­wart und die Zukunft.
  • Wir bekun­den unser tiefs­tes Bedau­ern dar­über, dass Ärz­te sich ent­ge­gen ihrem Heil­auf­trag durch viel­fa­che Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen schul­dig gemacht haben, geden­ken der noch leben­den und der bereits ver­stor­be­nen Opfer sowie ihrer Nach­kom­men und bit­ten sie um Ver­zei­hung.
  • Wir ver­pflich­ten uns, als Deut­scher Ärz­te­tag dar­auf hin­zu­wir­ken, dass die wei­te­re his­to­ri­sche For­schung und Auf­ar­bei­tung von den Gre­mi­en der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ärz­te­schaft aktiv sowohl durch direk­te finan­zi­el­le als auch durch insti­tu­tio­nel­le Unter­stüt­zung, wie etwa den unbe­schränk­ten Zugang zu den Archi­ven, geför­dert wird.

 



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